Jannik Vestergaard (r.) erzielt in der 74. Spielminute den Treffer zum 2:1 und sorgt damit für die Vorentscheidung
Jannik Vestergaard (r.) erzielt in der 74. Spielminute den Treffer zum 2:1 und sorgt damit für die Vorentscheidung

Die Last-Minute-Sieger

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Kaiserslautern - Totgesagte leben länger: 1899 Hoffenheim setzt sich auch im zweiten Relegationsspiel völlig verdient gegen den wackeren 1. FC Kaiserslautern durch. Der Vater des Erfolges wird auf Händen getragen - auch im Wortsinne.

"Mit zwei blauen Augen davongekommen"

Markus Gisdol war schon auf dem Weg Richtung Mittellinie, als ihn Koen Casteels doch noch zu fassen bekam. Huckepack trug der Hoffenheimer Keeper seinen Trainer ein paar Meter Richtung Fankurve, den Rest schaffte der Coach dann alleine: Sekunden später thronte Gisdol auf dem Zaun und dirigierte die Jubelgesänge der Hoffenheimer Fankurve. Davor tanzten und hüpften die Spieler, die nach dem ihr großes Ziel doch noch erreicht hatten.



"Noch vor ein paar Wochen galten wir als sicherer Absteiger", freute sich Mittelfeldmann Tobias Weis: "Wir sind wirklich mit zwei blauen Augen davon gekommen." Warum das Team, das beinahe die gesamte Rückrunde über als sicherer Absteiger galt und erst am letzten Bundesliga-Spieltag den Relegationsrang erreichte, es doch noch geschafft hat, wusste Weis auch: Das Team sei in den zurückliegenden Wochen einfach zusammengewachsen. "Man hat uns zwar schon früher immer gesagt, dass wir eine Mannschaft sind, aber das waren wir nicht", bekannte der Mittelfeldmann: "Erst Markus Gisdol hat uns zu einer echten Einheit gemacht."

Und die präsentierte sich auf dem Betzenberg auch als solche und trotzte der hochemotionalen Stimmung, die die 45.000 FCK-Fans unter den 50.000 Zuschauern entfachten. Dass Lauterns Alexander Baumjohann mit einem direkt verwandelten Freistoß traf (65.), fiel nicht weiter ins Gewicht, denn David Abraham (44.) und Jannick Vestergaard (74.) schossen die Tore für eine Hoffenheimer Mannschaft, die sich auch nicht durch den Elfmeter-Fehlschuss von Sejad Salihovic aus dem Gleichgewicht bringen ließ - Tobias Sippel hatte grandios den gut geschossenen Elfer pariert (28.). "Früher", bekannte Weis, "wären wir nach solchen Negativerlebnissen wohl zusammengebrochen."

Der Kopf bleibt oben



Heute nicht mehr, weshalb Mittelfeldmann Eugen Polanski die mentale Stärke des Teams auch als "Schlüssel zum Erfolg" erachtete: "Wir sind einfach cool geblieben und haben uns nicht von unserem Weg abbringen lassen." Wohl wahr: Weder im mit 3:1 gewonnen Heimspiel noch im Rückspiel hatten die Zuschauer den Eindruck, der FCK könne am Ende als Sieger der beiden Relegationsspiele hervorgehen. Im Lager des Zweitligisten fand dann auch Verteidiger Chris Löwe, dass "eine Mannschaft, die insgesamt 5:2 gewinnt, verdient hat, in der Bundesliga zu spielen."

Dass mit dem Last-Minute-Triumph nun nicht der Mantel des Schweigens über diese Spielzeit gelegt wird, deuteten die Verantwortlichen allerdings unmittelbar nach dem Schlusspfiff an. Schließlich stand die Saison bekanntlich lange Zeit unter keinem guten Stern. Manchem schien es, als wechselten Konzepte und Zielvorgaben genauso häufig wie Trainer und Sportdirektoren.

Intern soll die Saison nun aufgearbeitet werden. Alexander Rosen, mit Managerkompetenzen ausgestatteter "Leiter Profifußball" bei der TSG, umriss in der Interviewzone aber schon mal das künftige Selbstverständnis des Vereins: "Wir wollen uns künftig über attraktiven Fußball, über unser neues Auftreten nach außen und über die Integration der Talente aus unserer Fußballakademie definieren. Das sind unsere drei Säulen." Dass sie den Worten Taten folgen lassen wollen, haben Rosen und Gisdol in den vergangenen Wochen bewiesen. Jung-Profis wie Andreas Ludwig (22), Robin Szarka (21), Stefan Thesker (21) und der erst 17-jährige Niklas Süle gaben in den vergangenen Wochen ihren Profi-Einstand. Sie können nun weiter reifen. Und das auf dem bestmöglichen Podium: der Bundesliga.

Christoph Ruf