Andreas Beck (r.) hat mit Hoffenheim durch den Überraschungs-Coup in Dortmund (gegen Robert Lewandowski) wieder die Chance auf den Klassenerhalt - über die Relegation
Andreas Beck (r.) hat mit Hoffenheim durch den Überraschungs-Coup in Dortmund (gegen Robert Lewandowski) wieder die Chance auf den Klassenerhalt - über die Relegation

"Die ganze Mannschaft hat Geschichte geschrieben"

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Dortmund - Andreas Beck stand noch eine Stunde nach dem Abpfiff das Lächeln im Gesicht und das Glänzen in den Augen. Und wahrscheinlich hält dieser Zustand auch jetzt noch an. Mit dem hat sich die TSG Hoffenheim doch noch vor dem direkten Abstieg gerettet und geht jetzt in die Relegation. Der Kapitän empfiehlt Dankbarkeit und Demut.

Nach dem frühen Rückstand gab es sicherlich nicht viele Fußballexperten, die noch an eine Rettung der TSG geglaubt haben. Doch Hoffenheim hatte für das gesamte Spiel in Dortmund einen Plan, verrät Andreas Beck im Interview mit bundesliga.de.

Ein Gespräch über Chancen und Glück, Emotionen und Nerven und die anstehende Relegation gegen den 1. FC Kaiserslautern.

bundesliga.de: Andi Beck, die TSG Hoffenheim hat sich mit dem 2:1-Sieg tatsächlich noch in die Relegation gerettet. Wann haben Sie es eigentlich realisiert?

Andreas Beck: Mit dem Führungstor zum 2:1 hat der ganz, ganz große Glaube eingesetzt, es noch schaffen zu können. Aber es war bis zum Ende absolut spannend. Erst der Rückstand, der unsere Chancen rein rechnerisch auf ein Minimum sinken lässt. Dann schießen wir keine zwei normalen Tore, sondern treffen zwei Mal per Elfmeter, was den Puls auch jedes Mal noch oben schnellen lässt. Und dann das Ende mit der Nachspielzeit und dem Dortmunder Abseitstor - ein absolut verrücktes Spiel. Emotional, chaotisch - und irgendwie auch brutal. Aber alles in allem lief es für uns ab der 60. Minute tatsächlich nach Plan.

bundesliga.de: Sie hatten einen Plan? Wie genau sah der aus?

Beck: Wir haben es uns in der Woche so erarbeitet, dass wir uns in Dortmund eine Chance ausrechnen. In deren Köpfe ist das Finale gegen die Bayern in Wembley. Da nimmt man sich vielleicht in einzelnen Szenen etwas zurück, das war unsere Hoffnung. Unser Ziel war es, etwa bis zur 60. Minute in Schlagdistanz zu bleiben, ein Unentschieden zu halten oder nur knapp in Rückstand zu liegen. Und dann wollten wir noch einmal offensiv agieren, auch mit entsprechenden Wechseln und einer Systemumstellung. Das war alles so geplant und es lief nach Plan. Solche Geschichten kann nur der Fußball schreiben.

bundesliga.de: Bis zur 60. Minute hatte Hoffenheim aber auch Glück, dass der Rückstand nicht doch höher ausgefallen ist. Die Torschussbilanz sprach eindeutig für die Dortmunder.

Beck: Klar, das stimmt schon. Aber in einem solchen Spiel gehört eben auch sehr viel Glück dazu. Dortmund ist eine unfassbar starke Mannschaft - auch, wenn sie ein paar Prozent weniger abrufen. Und sie haben mit ihrer besten Elf gespielt. Da trifft dann der Zweite auf den Vorletzten, da hat man teilweise vielleicht auch einen Klassenunterschied gesehen in der ersten Halbzeit. Aber wir haben dagegen gehalten. Wir hatten in den Köpfen, dass wir nicht zu hoch in Rückstand geraten dürfen, sonst wären wir ohne Chance gewesen.

bundesliga.de: Beim vermeintlichen Dortmunder Ausgleich wurde es in der Nachspielzeit noch einmal hektisch. War Ihnen sofort klar, dass eine Abseitsposition vorlag?

Beck: Die halbe Mannschaft ist auf den Ball zu gespurtet und wollte sich in den Schuss hineinwerfen. Die haben es gar nicht mitbekommen. Aber unser Keeper und zwei, drei andere Spieler haben es gesehen und dann entsprechend beim Linienrichter reklamiert. Man muss den Hut vor dem Schiedsrichtergespann ziehen, dass es das Tor dann richtiger Weise zurück genommen hat.

bundesliga.de: Und mit dem Schlusspfiff wussten Sie direkt, dass es gereicht hat?

Beck: Wir sind während des Spiels nicht informiert gewesen, wie es auf den anderen Plätzen stand. Ich bin dann mit dem Abpfiff sofort zu unserem Co-Trainer gelaufen und habe mich erkundigt. Aber so emotional, wie die Bank beim Abpfiff gejubelt hat, war eigentlich allen klar, dass wir es geschafft haben und noch nicht abgestiegen sind.

bundesliga.de: Die beiden Elfmetertore, die Sie schon angesprochen haben, hat Sejad Salihovic eiskalt verwandelt.

Beck: Sejad hat sich mit diesen Treffern in die Geschichtsbücher hinein geschrieben. Das habe ich ihm auch schon gesagt. Es ist ihm hoch anzurechnen, dass er da die Nerven behalten hat. Aber das gilt auch für die anderen Spieler. Koen Casteels etwa hat einige Mael hervorragend reagiert. Die ganze Mannschaft hat Geschichte geschrieben. Diese Szenen werden sicher in jeder Bundesliga-Rückschau zu sehen sein. Es war wirklich dramatisch. Einige in Fußball-Deutschland hätten uns vielleicht gerne in der 2. Liga gesehen. Aber das ist uns jetzt vollkommen egal.

bundesliga.de: Die TSG Hoffenheim darf jetzt weiter darauf hoffen, auch in der nächsten Saison in der 1. Liga zu spielen.

Beck: Wir sind sehr, sehr dankbar und demütig, dass wir überhaupt noch einmal diese Chancen haben, um die Klasse zu kämpfen und es selbst in der Hand zu haben. Aber noch haben wir die 1. Liga nicht sicher. Wir müssen noch etwas dafür tun, und es wird sicher nicht leicht.

bundesliga.de: Aber wenn man sich so spektakulär am letzten Spieltag noch in die Relegation rettet, dann bleibt man doch auch in der Bundesliga.

Beck: Keine Frage, diese ganzen Emotionen nehmen wir natürlich mit in die beiden Spiele. Aber wir wissen auch, dass Kaiserslautern auch ein ganzes Jahr hart dafür gearbeitet hat, um diese Möglichkeit zu bekommen. Jetzt wird ich zeigen, wer es packt - aber spannender als in Dortmund kann es kaum noch werden. Wenn wir das noch einmal toppen, dann wäre diese Saison wirklich unbeschreiblich.

bundesliga.de: Und wenn man diese Chance hat, dann verzichtet man bestimmt auch gerne auf ein Länderspiel? Sie können die USA-Reise der Nationalelf aufgrund der Relegation jetzt nicht mitmachen.

Beck: Ja klar! Wenn wir am Ende die Klasse halten, dann verzichte ich sehr, sehr gerne. Und für den anderen Fall möchte ich gar keinen Gedanken zulassen.

Das Gespräch führte Dietmar Nolte