Thomas Müller (l.) holte sich mit der deutschen Nationalmannschaft den WM-Titel, aber die gesamte Bundesliga gab in Brasilien ein hervorragendes Bild ab
Thomas Müller (l.) holte sich mit der deutschen Nationalmannschaft den WM-Titel, aber die gesamte Bundesliga gab in Brasilien ein hervorragendes Bild ab

Die Liga der Weltmeister

xwhatsappmailcopy-link

Köln - Natürlich gab es sie auch während der WM 2014: die internationalen Pressestimmen über die deutschen "Maschinen", "Panzer" und "stählernen Adler". Alte Gewohnheiten sind eben nur schwer abzulegen. Jahrzehntelang war die deutsche Nationalmannschaft vor allem wegen ihrer Physis, ihrem unbändigen Willen und ihrer gnadenlosen Effizienz gefürchtet. Im WM-Finale versuchten die Argentinier den technisch überlegenen Deutschen mit Härte den Schneid abzukaufen, nicht umgekehrt. Der deutsche Fußball hat sich gewandelt. Und die Auswirkungen betreffen nicht nur das DFB-Team, sondern auch die zahlreichen Nationalmannschaften, die von Bundesliga-Stars geprägt werden. "Made in Germany" war die einflussreichste Marke bei der Weltmeisterschaft in Brasilien, wie die Zahlen deutlich belegen.

Weniger Torschüsse, mehr Tore

"Für mich gibt es vor allem einen großen Gewinner, nämlich die Bundesliga", verriet Ottmar Hitzfeld im Exklusivinterview mit bundesliga.de. Und wer würde dem großen Ottmar Hitzfeld da widersprechen? Mario Götzes goldenes Tor in der Verlängerung war der 35. Treffer eines Bundesliga-Profis bei der Endrunde. Damit sticht die Bundesliga alle anderen Ligen aus und hinterlässt einen großen Fußabdruck in Brasilien. Die englische Premier League folgt mit 33 WM-Toren auf Rang 2. Allein 18 Tore gingen auf das Konto von Spielern des FC Bayern München, der alle anderen Clubs deutlich hinter sich ließ. Der FC Barcelona folgt mit zehn Treffern.

Das ist vor allem deshalb beeindruckend, weil die Profis aus England es insgesamt auf 24.236, die Stars aus der Bundesliga hingegen "nur" auf 16.518 Einsatzminuten brachten. Die Profis aus England gaben zwar mehr Torschüsse (350) ab als die aus Deutschland (241), aber die Akteure der Bundesliga benötigten durchschnittlich lediglich 6,9 Torschüsse pro Treffer, die der Premier League dagegen 10,6.

Das Ergebnis war eine WM, die Fußballfans auf der ganzen Welt mit vielen Toren und spektakulären Partien entzückte. Nie fielen bei einer Endrunde mehr Treffer (171). Einen höheren Toreschnitt (2,67) gab es zuletzt bei der WM 1994. Und anders als beim Turnier in der USA spielten die Protagonisten aus der Bundesliga in Brasilien die Hauptrolle.

Nachwuchsleistungszentren verpflichtend

Diese Entwicklung war um die Jahrtausendwende nicht abzusehen. Die DFB-Elf war bei der Europameisterschaft 2000 chancenlos und musste bereits nach der Vorrunde die Segel streichen. Aber es war nicht nur die Nationalmannschaft, die in der Krise steckte - auch die Bundesliga verlor international an Renommee und büßte 2002 den vierten Champions League Startplatz ein. Damals war allerdings schon ein Prozess in Gang gesetzt worden, der der Bundesliga die Rückkehr an die europäische Spitze ermöglichte. Seit 2001 sind Nachwuchsleistungszentren für alle Bundesliga-Clubs verpflichtend.

Mittlerweile drängen unzählige, perfekt ausgebildete Jung-Profis in die Kader der Bundesligisten. Das stärkt nicht nur die Clubs und die Liga, sondern auch zahlreiche Nationalmannschaften -vornehmlich die deutsche. Bis auf Roman Weidenfeller und Miroslav Klose haben alle deutschen Weltmeister 2014 von der exzellenten Nachwuchsarbeit profitiert. Seit der Saison 2012/13 gehen fast folgerichtig wieder vier Bundesliga-Clubs in der Champions League an den Start.

WM mit Bundesliga-Stempel

Im Ausland wird diese Entwicklung aufmerksam registriert. Nach dem WM-Triumph beschränkten sich viele Medienvertreter nicht auf althergebrachte Stereotypen. "Das Land hat es geschafft, ein tadelloses System aufzubauen - mit finanziell gesunden Clubs und der entsprechenden Ausbildung", analysierte die französische Zeitung "Le Parisien". Die ungarische Fachzeitschrift "Nemzeti Sport" kam nach dem Finale zu einem ähnlichen Urteil: "In Deutschland haben sie nach dem Durchrasseln der Nationalelf 2000 die ganze Nachwuchsförderung auf eine neue Grundlage gestellt. Mit viel, viel Arbeit haben sie erreicht, was sie geplant haben."

Lohn dieser Arbeit war eine berauschende WM, die den Stempel der Bundesliga - nicht nur der deutschen Nationalmannschaft - trug. Alle Fußballfans der Welt sind herzlich eingeladen, sich in der kommenden Saison ein Bild von der Bundesliga zu machen. Es erwartet sie spektakulärer Fußball und viele Tore. 2013/14 waren es im Schnitt 3,16 pro Partie. Mehr als in jeder anderen der fünf europäischen Topligen. Ganz so, wie es sich für die Liga der Weltmeister gehört.

Florian Reinecke