Uwe Seeler stand in seiner Karriere 72 Mal für die DFB-Elf auf dem Platz - 1966 wurde er in England Vize-Weltmeister
Uwe Seeler stand in seiner Karriere 72 Mal für die DFB-Elf auf dem Platz - 1966 wurde er in England Vize-Weltmeister

"Die Bayern sind der Favorit"

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Am Sonntag duellieren sich im Nord-Süd-Schlager der FC Bayern München und der Hamburger SV: Während der deutsche Rekordmeister gegen den Bundesliga-"Dino" den Sprung an die Spitze der Tabelle schaffen will, versucht der HSV, den Anschluss nach oben zu halten.

Für die Hamburger drückt am Sonntag wie immer Uwe Seeler die Daumen. Der 73-jährige Ehrenspielführer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft und HSV-Urgestein absolvierte für die Hanseaten in der Bundesliga 239 Spiele als Mittelstürmer und erzielte dabei 137 Tore.

Im bundesliga.de-Interview spricht "Uns Uwe" über die Vereinsarbeit der Bayern seit dem Bundesliga-Aufstieg, erzählt was Ruud van Nistelrooy für den HSV bedeutet und freut sich über die Leistung des Lokalrivalen FC St. Pauli.

bundesliga.de: Herr Seeler, Bayern gegen den HSV: Kribbelt es bei Ihnen, wenn Sie an dieses Duell denken?

Uwe Seeler: Nein, kribbeln tut es noch nicht. Aber es wird auf jeden Fall ein interessantes Spiel. Der HSV muss punkten, auch wenn es bei den Bayern nicht ganz einfach ist zu gewinnen. Schließlich sind die Münchner derzeit wieder richtig gut drauf. Das wird sehr, sehr schwer für die Hamburger: Die Bayern sind der Favorit!

bundesliga.de: Es ist ja eines der Duelle, die sich erst im Laufe der Jahre zu einem echten Klassiker entwickelt haben. Wie sind die Vorzeichen?

Seeler: Ich glaube, dass die Bayern vom Potenzial das stärkere Team sind. Da muss man keine Namen nennen, das weiß man. Aber der HSV hat mittlerweile eine recht gute Mannschaft und wenn sie ihre Topleistung abrufen, dann sind sie auch für die Bayern ein gefährlicher Gegner, das haben die letzten Aufeinandertreffen der beiden Clubs bewiesen. Ich glaube, dass in beiden Mannschaften fußballerisch sehr viel Potenzial steckt. Insofern freue ich mich wieder auf ein hochinteressantes Duell.

bundesliga.de: Zu Ihrer aktiven Zeit haben die Bayern, die ja erst 1965 in die Bundesliga aufgestiegen sind, die Duelle mit Hamburg meist dominiert. Die ersten beiden Ligaduelle gab es 1965/66. Der FCB siegte 4:0 und 3:0. Konnte man da schon ahnen, wie viel Potenzial im späteren Rekordmeister steckt?

Seeler: Nein, das konnte man zu meiner Zeit noch nicht ahnen. Vor allem nicht, dass sie dauerhaft ganz oben bleiben würden. Im Verein haben sie allerdings immer sehr gut gearbeitet, und das muss man einfach loben und anerkennen. Durch diese hervorragende Arbeit sind sie kontinuierlich besser geworden und langfristig führend geblieben.

bundesliga.de: Für beide Teams geht es auch diesmal um viel. Die Bayern wollen an Leverkusen dranbleiben. Hamburg will die Konkurrenz nicht näher kommen lassen. Wird diese Drucksituation Einfluss auf das Spiel haben?

Seeler: Ich gehe davon aus, dass die Bayern zuhause ihr Spiel machen wollen. Der HSV muss dagegen halten. Die Hamburger werden nicht nur defensiv spielen, denn wenn man in München was holen will, dann müssen die Bayern unter Druck gesetzt werden. Und da wir die Spieler dazu haben, denke ich, dass es die falsche Taktik wäre, sich nur hinten reinzustellen. Sowohl die Bayern als auch der HSV wissen, dass sie gewinnen müssen. Bayern, um an Leverkusen und der Tabellenspitze dranzubleiben, die Hamburger müssen sehen, dass sie nicht den Abstand auf den 3. Platz zu groß werden lassen. Bei einer Niederlage könnte der Rückstand im schlechtesten Fall bereits acht Zähler betragen und dann wird es ganz schwierig die Champions League noch zu erreichen.

bundesliga.de: Auch wenn er in München fehlt, die Hamburger Hoffnungen für den Saisonendspurt ruhen auf den Schultern von Ruud van Nistelrooy. Was haben Sie gedacht, als Sie von der Verpflichtung des Superstars gehört haben?

Seeler: Über van Nistelrooys Klasse muss nicht gesprochen werden. Er ist ein absoluter Weltklassestürmer. Aber er muss gesund sein! Auf jeden Fall ist es aber definitiv ein Pluspunkt für den HSV, wenn so ein gefährlicher Stürmer mitspielt.

bundesliga.de: Haben Sie denn van Nistelrooy, wenn man so will einen Ihrer Erben beim HSV, schon persönlich getroffen?

Seeler: Ja, habe ich.

bundesliga.de Und wie ist Ihr Eindruck von ihm?

Seeler: Er ist sehr nett, bescheiden. Sicherlich weiß van Nistelrooy, was er kann und, was er geleistet hat. Aber auch er ist ein ganz normaler Mensch. Das ist bei den meisten Weltklasse-Leuten so.

bundesliga.de: Van Nistelrooy, Robben oder auch Ribéry: Ist es "in" für die Topstars des runden Leders, in der Bundesliga zu spielen?

Seeler: Ja auf jeden Fall. Die Bundesliga boomt! Ich glaube, dass die deutsche Liga weltweit ein gutes Ansehen hat und wenn man in einer Spitzenmannschaft der Bundesliga spielen kann, dann ist das auch für die Topstars hochinteressant. Ein wesentlicher Punkt dabei ist zudem, dass man in Deutschland gutes und vor allem sicheres Geld verdienen kann.

bundesliga.de: Keiner dieser Megastars spielt bei Bayer Leverkusen. Was sagen Sie zur Saison der "Werkself" und kann Jupp Heynckes Mannschaft den Titel holen?

Seeler: Leverkusen wächst in dieser Saison mit den Aufgaben. Das Team ist unter Heynckes vor allem konstanter geworden, das zeigen die Ergebnisse. Sicherlich ist bei den Bayern weitaus mehr Erfahrung vorhanden, aber mittlerweile haben die Leverkusener recht gut bei der Kontinuität zugelegt und nun muss abgewartet werden, wie der Endspurt wird. Es sind ja noch einige Spiele, bei denen gepatzt werden kann.

bundesliga.de Welches Team ist Ihr Favorit?

Seeler: Sicherlich sind die Bayern Favorit, aber ich traue es genauso den Leverkusenern zu, bis zum Saisonende oben zu bleiben und Meister zu werden.

bundesliga.de: Zum Abschluss noch ein Blick in die 2. Bundesliga. Es deutet ja vieles darauf hin, dass der FC St. Pauli aufsteigt. Würden Sie sich auf ein Hamburger Derby in der kommenden Saison freuen?

Seeler: Ja, auf jeden Fall! HSV gegen St. Pauli, das sind immer Knaller und in Hamburg natürlich das Nonplusultra! Deswegen würde ich mich auch für St. Pauli freuen, wenn sie aufsteigen und es dieses Derby in der kommenden Saison wieder geben würde. Sie haben eine gute Mannschaft, alle Chancen und ich glaube auch, dass sie in die Bundesliga kommen werden.

Das Gespräch führte Sebastian Bisch