Urschrei: Oliver Kahn war für seine emotionalen Ausbrüche berüchtigt
Urschrei: Oliver Kahn war für seine emotionalen Ausbrüche berüchtigt

Der Titan

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Nur wenige Spieler haben in der deutschen Fußballgeschichte solche Spuren hinterlassen wie Oliver Kahn. Nicht nur wegen seiner einzigartigen Erfolge hat sich der legendäre Torhüter tief ins Gedächtnis der Fans eingebrannt, auch wegen seiner emotionalen Ausraster und trockenen Sprüche. "Weiter, immer weiter" ist aus dem deutschen Sprachgebrauch inzwischen ebensowenig wegzudenken wie "Da ist das Ding" oder "Eier, wir brauchen Eier". Mehr als drei, vier Worte brauchte Kahn nicht, um auf den Punkt zu kommen.

Kahn überragt in Japan und Südkorea

Oliver Kahn setzte zwischen 1995 und 2008 die große Tradition deutscher Weltklassetorhüter fort. Den Anfang machte Toni Turek (Weltmeister von 1954), der als "Fußballgott" in die Historie einging. Sepp Maier (Weltmeister von 1974) war der Spaßvogel, Toni Schumacher (Europameister 1980) einfach der "Tünn". Diese drei Keeper prägten ihre Ära mehr als andere Torwarte wie Bodo Illgner (Weltmeister 1990) oder Andreas Köpke (Europameister 1996). Oliver Kahn ist der einzige Keeper, der mit der Nationalmannschaft als Nummer 1 keinen Titel gewann, den viele Experten aber dennoch als den besten Torwart aller Zeiten einschätzen. Das ist paradox.

86 Mal hütete Oliver Kahn das Tor der deutschen Nationalmannschaft, nur Sepp Maier (95 Länderspiele) stand häufiger im Kasten. 49 Mal führte Kahn Deutschland als Kapitän aufs Feld. Dennoch war der gebürtige Karlsruher "nur" bei drei Turnieren die Nummer 1, bei den wenig erfolgreichen Europameisterschaften 2000 und 2004 sowie der Weltmeisterschaft 2002. Doch diese WM in Japan und Südkorea reichte Oliver Kahn aus, um neue Maßstäbe zu setzen und zum "Titan" zu werden.

In allererster Linie ihm war es zu verdanken, dass eine ansonsten abgesehen von Michael Ballack eher durchschnittliche deutsche Nationalmannschaft bis ins Finale gegen Brasilien vordrang. In den ersten sechs Spielen kassierte Kahn nur einen einzigen Gegentreffer. Oftmals musste er Kopf und Kragen riskieren, um seinen Kasten sauber zu halten. Sein bestes Spiel lieferte er wohl im Viertelfinale gegen die USA ab, dass Deutschland glücklich mit 1:0 gewann. Folgerichtig wurde Oliver Kahn als erster Torhüter überhaupt zum besten Spieler des Turniers gewählt. Diese Wahl fand allerdings vor dem Endspiel gegen Brasilien statt.

In dem Spiel, das seine einzigartige Karriere krönen sollte, unterlief dem damals 33-Jährigen sein größter Patzer. Einen harmlosen Schuss von Rivaldo ließ er abprallen, Ronaldo staubte zum 1:0 ab. Am Ende hieß es 2:0 für Brasilien. Unvergessen, wie Oliver Kahn nach dem Schlusspfiff minutenlang am Torpfosten kauerte und sein Missgeschick mit leerem Blick zu verarbeiten versuchte.

Zweikampf mit Lehmann


Seiner Popularität tat dies keinen Abbruch, im Gegenteil. In Japan avancierte er sogar zum Superstar. Seinen Nimbus als Nummer 1 Deutschlands hielt er noch zwei weitere Jahre. Dann rief der neue Bundestrainer Jürgen Klinsmann einen Zweikampf um die Torhüterposition für die WM 2006 zwischen Kahn und Jens Lehmann aus, den der damals für Arsenal spielende Lehmann letztlich für sich entschied. Sein letztes Länderspiel bestritt Kahn gegen Portugal bei der WM im Spiel um Platz 3 im Juli 2006 in Stuttgart.

Weitaus erfolgreicher als in der Nationalmannschaft lief es für den am 15. Juni 1969 geborenen Oliver Kahn in seinen Clubs. Bei seinem Stammverein, dem Karlsruher SC, bei dem er als 6-Jähriger anfing, spielte er in allen Jugendteams und schließlich auch bei den Profis. Unter Trainer Winfried Schäfer debütierte der 1,88 Meter große Abiturient im November 1987 in der Bundesliga. Bis 1994 bestritt er 128 Bundesliga-Spiele für den KSC, auch im UEFA-Cup bestand er seine internationale Feuertaufe bravourös. Seine starken Leistungen weckten die Begehrlichkeiten anderer Clubs, allen voran Bayern München.

1994 wechselte Kahn für die damalige Ablösesumme von 4,6 Millionen DM (Rekord für einen Torhüter) zum FC Bayern, bei dem er die Nachfolge von Raimond Aumann antrat. 15 Jahre lang war er dann die absolute Respektsperson der Münchner. 429 Bundesliga-Spiele absolvierte er für die Bayern, mit denen er unzählige Titel sammelte. Die insgesamt 557 Bundesliga-Spiele Kahns sind Rekord bei denTorhütern.

"Kung-Fu-Kahn"


Oliver Kahn wurde acht Mal Deutscher Meister, sechs Mal gewann er den DFB-Pokal. 1996 holte er den UEFA-Cup, 2001 im zweiten Anlauf nach dem 1999 unglücklich verlorenen Finale gegen Manchester United auch die Champions League. Im entscheidenden Elfmeterschießen gegen Valencia parierte Kahn zwei Elfmeter und wurde zum Matchwinner. Im gleichen Jahr sicherten sich die Bayern auch den Weltpokal. Auch an individuellen Auszeichnungen mangelte es dem Blondschopf nicht. Unter anderem wurde er zwei Mal Deutscher Fußballer des Jahres (2000 und 2001) sowie drei Mal Welttorhüter (1999, 2001 und 2002).

All diese Erfolge konnte Oliver Kahn wegen seines unglaublichen teilweise fast manischen Ehrgeizes und dank des großartigen Trainings mit seinem Torwarttrainer Sepp Maier feiern. Manchmal übertrieb Kahn seinen Einsatz, was zu einigen legendären Ausrastern auf dem Platz führte. Besonders gegen Borussia Dortmund wurde Kahn häufiger auffällig. Mal hätte er Heiko Herrlich fast in den Hals gebissen, mal beinahe Stephane Chapuisat verletzt. Sein Sprung in Richtung des Schweizers brachte ihm den Spitznamen "Kung-Fu-Kahn" ein. Auch der Leverkusener Thomas Brdaric gehörte zu den "Kahn-Opfern", als er einmal gewürgt wurde. Selbst eigene Mitspieler waren nicht vor ihm sicher, wie der Österreicher Andreas Herzog, den er einmal kurzerhand kräftig von hinten durchschüttelte.

Platzwunde nach Golfball-Attacke


Oliver Kahn schonte weder sich noch andere und war auch oft genug selbst Opfer. Besonders spektakulär in Freiburg, als ein Golfball aus dem Fanblock auf ihn geworfen wurde und er eine stark blutende Platzwunde über dem Auge davontrug.

2008 beendete Oliver Kahn dann seine großartige Karriere mit einem rauschenden Abschiedsspiel gegen die deutsche Nationalmannschaft. Anschließend wurde er zum Ehrenspielführer der Bayern und der Nationalelf ernannt. Danach nahm Kahn eine Auszeit vom Fußball, er schloss 2011 ein Studium als "Master of Business Adminstration" ab. Inzwischen ist er wieder als Fernsehexperte des ZDF und Kolumnist regelmäßig in den Arenen dieser Welt zu sehen.

Karriere in Zahlen:

Geburtsdatum: 15. Juni 1969
Bundesliga-Spiele: 557
Bundesliga-Tore: 0
Deutscher Meister: 1997, 1999, 2000, 2001, 2003, 2005, 2006, 2008
DFB-Pokalsieger: 1998, 2000, 2003, 2005, 2006, 2008

SaisonVereinEinsätze/Tore
1987/88 Karlsruher SC 2/0
1988/89 Karlsruher SC 2/0
1990/91 Karlsruher SC 22/0
1991/92 Karlsruher SC 37/0
1992/93 Karlsruher SC 34/0
1993/94 Karlsruher SC 31/0
1994/95 FC Bayern 23/0
1995/96 FC Bayern 32/0
1996/97 FC Bayern 32/0
1997/98 FC Bayern 34/0
1998/99 FC Bayern 30/0
1999/00 FC Bayern 27/0
2000/01 FC Bayern 32/0
2001/02 FC Bayern 32/0
2002/03 FC Bayern 33/0
2003/04 FC Bayern 33/0
2004/05 FC Bayern 32/0
2005/06 FC Bayern 31/0
2006/07 FC Bayern 32/0
2007/08 FC Bayern 26/0