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Marcel Koller sieht die Bayern im Rennen um die Meisterschaft in der Favoritenrolle
Marcel Koller sieht die Bayern im Rennen um die Meisterschaft in der Favoritenrolle

"Der Schuss könnte nach hinten losgehen"

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Die Saison neigt sich dem Ende entgegen. Eine Entscheidung ist aber noch nicht gefallen. Es ist wieder einmal spannend in der Bundesliga - und das wohl wieder bis zum Schluss.

Nach den "Wochen der Wahrheit", in denen sich das Spitzentrio in direkten Duellen gegenüberstand, äußert sich Marcel Koller, der als Coach des VfL Bochum und des 1. FC Köln in 176 Bundesligaspielen auf der Trainerbank saß, im Gespräch mit bundesliga.de zum Titelkampf, zum Rennen um die Champions-League-Plätze und zur aktuellen Situation im Tabellenkeller.

Zudem schätzt der Schweizer die Chancen der Bayern im Champions-League-Halbfinale gegen Olympique Lyon und auf das "Triple" ein und erklärt, warum er gerne wieder in der Bundesliga arbeiten würde.

bundesliga.de: Die "Wochen der Wahrheit" sind vorbei. Die Top-3, Bayern, Schalke und Leverkusen, standen sich in direkten Duellen gegenüber. Die Bayern holten vier, Schalke drei und Bayer einen Punkt. Welche Schlüsse kann man daraus ziehen?

Marcel Koller: Dass die Bayern sicherlich die konstanteste Mannschaft sind, die meiste Erfahrung und den stärksten Kader haben. Spielerisch hat Leverkusen überzeugt, sie könnten eigentlich noch weiter vorne sein. Sie haben allerdings eine junge Mannschaft und zuletzt auch mit Verletzungssorgen zu kämpfen gehabt. Wenn Stammspieler wie Rolfes und Renato Augusto ausfallen, wird es schwierig im Titelkampf mitzureden. Schalke hat bis jetzt eine überragende Saison gespielt. Sie sind sehr kompakt und aggressiv aufgetreten. Mit diesen Tugenden haben sie es geschafft, sich in dieser Saison oben zu etablieren.

bundesliga.de: Die Bayern haben vier Spieltage vor Schluss zwei Punkte Vorsprung auf den FC Schalke 04 und sechs Zähler auf Leverkusen. Lassen sich die Münchener die Meisterschaft noch nehmen?

Koller: Normalerweise nicht. Allerdings stehen sie auch noch im Halbfinale der Champions League. Das birgt die Gefahr, dass man sich in der Liga ein wenig schont. Dann könnte der Schuss nach hinten losgehen, denn 70, 80 Prozent Einsatz reichen nicht. Gerade wenn es in der Bundesliga gegen Clubs geht, die ums Überleben kämpfen - da musst du voll bei der Sache sein! Wenn sie das hinbekommen, dann werden sie sich die Meisterschaft nicht mehr nehmen lassen.

bundesliga.de: Am Mittwoch haben sich die Bayern gegen Manchester United durchgesetzt und sind ins Champions-League-Halbfinale eingezogen, in dem Olympique Lyon wartet. Schaffen die Bayern gegen die Franzosen den Einzug ins Finale?

Koller: Lyon ist eine sehr starke Mannschaft, mit der die Bayern ja auch schon einmal schlechte Erfahrungen gemacht haben (in der Saison 2000/01 verlor der FCB in Lyon mit 0:3; Anm. d. Red.). Die internationale Erfahrung spricht für die Bayern, Olympique steht zum ersten Mal in einem Halbfinale der "Königsklasse". Wenn die Bayern auftreten wie zuletzt gegen Manchester United - mit dem Glauben an die eigene Stärke - und volle Pulle dabei sind, müssten sie das Finale eigentlich erreichen.

bundesliga.de: Die Mannschaft von Trainer Louis van Gaal kann in dieser Saison noch das "Triple" aus Meisterschaft, DFB-Pokal und Champions League holen. Halten Sie einen dreifachen Titelgewinn der Bayern für realistisch?

Koller: Gut, der Gewinn der Meisterschaft und des DFB-Pokals scheint realistisch. Allerdings ist Werder im Pokalfinale nicht zu unterschätzen - sie haben schließlich jede Menge Erfahrung in diesem Wettbewerb und sind zurzeit auch gut in Form. In der Champions League ist der FC Barcelona die Übermannschaft. Aber, und das hat Louis van Gaal auch schon gesagt, in einem Spiel ist alles möglich! Natürlich würde es gegen Barca mit einem überragenden Messi, der beim 2:0 bei Real Madrid schon wieder ein Tor erzielt hat, schwer werden. Aber auch die Bayern haben mit Arjen Robben und Franck Ribery Spieler der Extraklasse in ihren Reihen. Wichtig wird sein, dass die Bayern in den letzten Wochen der Saison von Spiel zu Spiel denken, und sich nicht verrückt machen lassen.

bundesliga.de: Die Bayern könnten am Ende aber sogar noch mit leeren Händen da stehen…

Koller: Das ist möglich. Aber mit ihrer Erfahrung werden sie sicherlich mindestens einen Titel holen.

bundesliga.de: Kommen wir zum FC Schalke 04: Die Schalker haben in dieser Saison in der Bundesliga erstmals zwei Mal in Folge verloren. Hat die Heimpleite gegen die Bayern bei den "Knappen" einen Knacks hinterlassen?

Koller: Das denke ich nicht.

bundesliga.de: Wo liegen dann die Gründe für die Niederlage in Hannover?

Koller: Felix Magath versucht gerade, der Mannschaft den absoluten Siegeswillen einzuimpfen. Das geht nicht von heute auf morgen! In Hannover hat mit Marcelo Bordon ein wichtiger Baustein der Mannschaft gefehlt, er ist immer präsent auf dem Platz, geht voran. Auch schien es, als ob die Schalker, nachdem sie den 2:0-Rückstand aufgeholt hatten, schon ein wenig zufrieden waren. Hannover hat durch Konter die Partie dann noch für sich entschieden.

bundesliga.de: Haben die "Knappen" noch Chancen auf den Titel?

Koller: Ich denke schon, dass sie weiter ein Titelaspirant sind. Ihr Vorteil ist, dass sie mit der Saison schon jetzt zufrieden sein können und vielleicht auch noch unterschätzt werden. Intern werden sie - auch wenn sie öffentlich nicht vom Titel reden - alles dafür tun, um die Schale doch noch zu holen.

bundesliga.de: Platz 2 dürfte ihnen nicht mehr zu nehmen sein, oder?

Koller: Nein. Sie spielen, vielleicht absehen von der Partie in Hannover, sehr diszipliniert, organisiert und clever - so wie sie es auch beim 2:0 in Leverkusen getan haben. Und das werden sie auch in den letzten vier Spielen noch umsetzen.

bundesliga.de: Auch der Kampf um Platz 3 ist im vollen Gange. Leverkusen, Dortmund und Bremen trennen nur drei Punkte. Welches Team erwarten Sie am Ende der Saison auf dem Qualifikationsplatz?

Koller: Werder hat eine sehr gute Möglichkeit, den 3. Platz noch zu erreichen. Sie haben derzeit einen absoluten Lauf, was sehr wichtig für das Selbstvertrauen ist. Claudio Pizarro schießt ein Tor nach dem anderen und kann sogar Giovane Elber noch als Ausländer mit den meisten Bundesligatreffern ablösen (Elber hat 133 Bundesligatore erzielt, Pizarro aktuell 131; Anm. d. Red.). Er wird heiß darauf sein, das noch zu erreichen. Zudem haben die Bremer die internationale Erfahrung, die vielleicht den Dortmundern und den Leverkusenern noch ein wenig fehlt.

bundesliga.de: Im Kampf gegen den Abstieg hat Hertha BSC mit der Heimpleite gegen Stuttgart wieder einen Rückschlag erlitten und jetzt fünf Punkte Rückstand auf den Relegationsplatz. Ist der Hauptstadtclub noch zu retten?

Koller: Von außen betrachtet ist es schwer, daran zu glauben. Aber das Wichtigste ist jetzt, dass die Spieler weiter an den Klassenerhalt glauben. Wenn Friedhelm Funkel das gelingt, dann haben sie durchaus noch die Möglichkeit das Ziel zu erreichen.

bundesliga.de: Ganz nach dem Motto: Der Glaube versetzt Berge...

Koller: Ja, das ist in diesem Fall so.

bundesliga.de: Die Bundesliga bietet, wie in den vergangenen Jahren auch, pure Spannung. Woran liegt das?

Koller: Die Bundesliga ist sehr ausgeglichen. In der Bundesliga kann auch der Erste gegen den Letzten verlieren. Wenn es im Abstiegskampf um die Existenz geht, werden Kräfte freigesetzt, die immer wieder für Überraschungen sorgen. In England, Spanien oder Italien verlieren die Top-4-, Top-5-Vereine fast nie gegen die schwächeren Clubs. Die Ausgeglichenheit ist in der Bundesliga einfach sehr ausgeprägt. Das sorgt Jahr für Jahr für enorme Spannung.

bundesliga.de: Stellt das für Sie als Trainer auch einen besonderen Reiz dar? Würden Sie am liebsten wieder in der Bundesliga arbeiten?

Koller: Ja, absolut. Es ist aber auch das ganze Drumherum - die tollen Stadien und die super Stimmung.

Das Gespräch führte Sven Becker