"Wir sind Handwerker, keine Künstler, wir können nicht zaubern. Wir brauchen Zeit", sagt Greenkeeper Dieter Prahl über seine Arbeit
"Wir sind Handwerker, keine Künstler, wir können nicht zaubern. Wir brauchen Zeit", sagt Greenkeeper Dieter Prahl über seine Arbeit

Der Rasen-Guru von Bayer 04

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Leverkusen - "Auf dem Rasen wird das Geld verdient. Er ist die wichtigste Immobilie des Vereins. Der muss top sein", sagt Dieter Prahl. Seit über 30 Jahren sorgt er dafür, dass die Werkself auf einer möglichst perfekten Wiese spielen kann. Er gilt als einer der besten seiner Zunft. Greenkeeping ist seine Berufung, die BayArena seine Welt.

Von der Kuhwiese zum Trainingsplatz

Der Ruf eines Gurus eilt ihm voraus, dem Mann mit dem Hut als Markenzeichen, der sieben Tage in der Woche für die Rasenpflege von Bayer 04 Leverkusen lebt. Die Kombination aus enormem Fachwissen, das er sich über die Jahrzehnte angeeignet hat, und jeder Menge Leidenschaft für den Beruf macht ihn zu einem der gefragtesten Experten der Szene. Schließlich hat Dieter Prahl alles gesehen. Um sich weiterzubilden hat er die ganze Welt bereist.

Dabei sammelte er sowohl bei den Groundsmen der Soccer- und Golfplätze in den USA, wie auch in den englischen Stadien in Manchester, Liverpool und London viele wertvolle Eindrücke hinsichtlich Pflege und Gerätschaften. Im Rahmen von Welt-und Europameisterschaften war er beratend tätig und verwandelte, wie er sagt, auch schon einige Male Kuhwiesen in Trainingsplätze.

Von seiner Erfahrung profitieren auch seine Kollegen in der Bundesliga, die sich regelmäßig zum Austausch treffen, ebenso wie ausländische Platzwarte, wie aus Polen und der Ukraine, die vor der EM 2012 einen Lehrgang in Leverkusen absolvierten.

Denn es ist  nicht etwa so, dass jeder seine Erkenntnisse für sich behält. "Wir sind wie eine kleine Familie. Wir halten zusammen und geben uns Tipps", erklärt er. Jedes Stadion habe letztlich seine eigene Klimazone. Die Kunst sei es, darauf individuell einzugehen und bestimmten Faktoren, wie Rasenkrankheiten, entgegenzuwirken. Zu diesem Thema ist Prahl stets ein gefragter Gesprächspartner, da er sich durch die Nähe zur Abteilung Pflanzenschutz der Bayer AG intensiv damit beschäftigen konnte.

"Wir sind Handwerker, keine Künstler"

Den Rasen in der BayArena sieht der gebürtige Mecklenburger in den Top 3 der Bundesliga. Verantwortlich dafür ist ein ganzer Stab von Fachleuten. "Das wichtigste ist die Teamarbeit", sagt Prahl, der 1980 als Rasenwart anfing und 1994 an der Agrarfachschule DEULA am Niederrhein die Prüfung zum Greenkeeper, sprich staatlich geprüften Rasenfachmann, ablegte. Ein weiterer wichtiger Faktor: Geduld. "Wir sind Handwerker, keine Künstler, wir können nicht zaubern. Wir brauchen Zeit." Während Tempo und Dynamik des Fußballs in Wettkampf und Training in den letzten Jahren stark zugenommen haben, ebenso wie die Anzahl der Spiele, wodurch der der Rasen einer enormen Belastung ausgesetzt ist, hat sich gleichzeitig jedoch auch die Technik enorm weiterentwickelt.

Beispiele sind hochmoderne Lampensysteme, die die Rasenfläche bestrahlen und das Wachstum beschleunigen oder Hybrid-Rasen, ein Mix aus Kunst- und Naturrasen, der beim Werksklub derzeit auf einem Trainingsplatz getestet wird. Im Frühjahr soll entschieden werden, ob diese Variante, die in England bereits weit verbreitet ist und auch bei Bundesligist VfL Wolfsburg verwendet wird, auch für Leverkusen eine Option ist.

Gut durch die Winterpause kommen

Bis dahin gilt es, den Naturrasen gut durch die Winterpause zu bringen. Die Plätze, für die ständig eine 3000 Quadratmeter große identische Austauschfläche für "Reparaturen" zur Verfügung  steht, müssen nun regenerieren, gelockert, nachgesät und gedüngt werden. Alle 24 bis 48 Stunden werden die Lampen mit der "Kunstsonne" versetzt, damit das Gras gleichmäßig wächst, zudem muss die Rasenheizung ständig kontrolliert werden. Alles, damit die Werkself im Januar wieder auf perfektem Grün durchstarten kann.

Die Voraussetzungen dafür wurden bereits im Sommer geschaffen, wie Prahl erklärt. "Wer im Sommer in Urlaub geht und seine Hausaufgaben nicht macht, kommt nicht durch den Winter", sagt er. Daher wird mit dem 11 Personen starken Team nach der Saison immer durchgearbeitet, um die gewohnt höchste Qualität der fünf Flächen in und um die Arena zu gewährleisten. Schließlich soll Cheftrainer Sami Hyypiä keinen Grund zur Klage haben. "Er hat 10 Jahre bei Liverpool gespielt. Der weiß, wie ein guter Platz aussehen muss", sagt Prahl schmunzelnd. 

Titas Talisman

Was die Rasenlänge betrifft, kann der Trainer sogar Einfluss nehmen. Der DFB gibt eine Grenze von 30 Millimetern vor. In Leverkusen wird meist auf 25mm gemäht, bei Champions-League-Spielen waren auch schon 22mm gefragt. Ob der Platz vor dem Spiel noch gewässert werden soll, bespricht Prahl mit Kapitän Simon Rolfes, der den Wunsch der Mannschaft an ihn weitergibt.

Dass der "Platzwart" auch Bayer-Fan sein muss, ist für Prahl selbstverständlich. In Mehr als drei Jahrzehnten hat er 34 Trainer und alle Höhen und Tiefen des Vereins erlebt. Spontan fällt ihm eine Anekdote ein, wie der Brasilianer Tita 1988 eine kleine Kette auf dem Trainingsplatz  verloren hatte. "Er war verzweifelt, weil sie sein Talisman war. Wir haben zwei Tage danach gesucht und sie auch gefunden. Und prompt haben wir danach den UEFA-Cup gewonnen".

Ruhestand rückt näher

Greenkeeper zu sein ist für ihn ein Lebensgefühl. Auch mit seinen 65 Jahren will sich Prahl noch nicht so recht mit dem Ruhestand beschäftigen. Immer an der frischen Luft, selten krank und im Sommer braungebrannt zu sein habe doch einiges für sich. "Obwohl ich eigentlich schon Rentner bin, habe ich noch ein Jahr verlängert. Ich bin mit so viel Leidenschaft dabei und es macht mir so viel Spaß. Ich kann mir schlecht vorstellen, die jungen Leute alleine zu lassen", sagt er etwas wehmütig.

Vielleicht wird die Vorstellung konkreter, wenn er im Februar bei seinem traditionellen Urlaub auf Gran Canaria etwas Abstand gewinnt. Er würde für die wichtigste Immobilie des Klubs ein top bestelltes Feld verlassen. Gute Leute, die in seine Fußstapfen treten könnten, hat er selbst ausgebildet. Bayers "Rasen-Guru" wird er trotzdem immer bleiben.

Markus Hoffmann