Der nächste Schritt in der Entwicklung

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Köln - Nach dem eigenen 2:1-Sieg beim 1. FC Köln und der Mainzer Niederlage gegen den Hamburger SV hat Borussia Dortmund die Tabellenführung übernommen. Dabei demonstrierten die Westfalen nicht nur ihre derzeit fußballerische und kämpferische Extraklasse, sondern auch eine beeindruckende mentale Stärke.

Es war ein hitziges Spiel im ausverkauften Kölner RheinEnergieStadion. Der abstiegsgefährdete FC hatte dem favorisierten BVB einen großen Fight geliefert und durch den linken Hammer von Lukas Podolski spät die Dortmunder Führung egalisieren können.

Unbedingter Siegeswille

Doch statt "das Spiel runterzuspielen und ein Unentschieden mitzunehmen, das aller Ehren wert gewesen wäre, haben wir auf Sieg gespielt, weil wir das Spiel unbedingt gewinnen wollten. Das ist die dicke Überschrift", konstatierte BVB-Keeper Roman Weidenfeller stolz.

Diese Eigenschaft zeichnet ein Topteam aus. Sich nach Rückschlägen nur kurz schütteln und dann die passende Antwort geben. "Für mich war entscheidend, wie die Mannschaft nach dem Gegentor reagiert hat", hob auch Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hervor: "Man konnte bis auf die Tribüne spüren, dass wir unbedingt noch gewinnen wollten. Da haben wir nochmal fünf Minuten richtig Gas geben und waren erfolgreich. Und wenn Du oben stehst, hast Du dann auch das Glück."

Das Glück, das in der Nachspielzeit Nuri Sahin im Kölner Strafraum den Ball nicht richtig trifft und die Kugel dennoch irgendwie ins FC-Tor trudelt.

Kein Gedanke an die Meisterschaft

So konnte Borussia Dortmund doch noch den siebten Sieg in Folge einfahren und die Mainzer Himmelsstürmer von der Tabellenspitze verdrängen. 21 von 24 möglichen Punkten hat der BVB eingefahren, die meisten Tore geschossen (20), die wenigsten kassiert (sechs), alle vier Auswärtsspiele gewonnen, Schalke deklassiert, Bayern entzaubert, Kaiserslautern überrollt und nun auch einmal einen "dreckigen Dreier" in Köln mitgenommen.

Doch als Meisterschaftskandidat sehen sich die Westfalen deshalb noch lange nicht. "Wir denken nur von Spiel zu Spiel" lautet die stereotype Antwort, die Roman Weidenfeller, Verteidiger Marcel Schmelzer und andere geben.

"Aktuell gibt es nichts zu dem Thema zu sagen", mauert auch BVB-Trainer Jürgen Klopp, als er auf die Titelchancen der Borussia angesprochen wird: "Wir müssen zu allen Jahreszeiten punkten, um überhaupt irgend etwas zu erreichen."

Klopp macht sich "über gar nichts" Gedanken

Immerhin, über die Tabellenführung freut auch er sich. "Ich war vorher schon einmal 21 Minuten Tabellenführer. Lieber eine Nacht oder eine Woche als nie. Das ist in Ordnung", lacht Klopp: "Aber die Liga ist wahnsinnig schwer. Köln hat 16 Punkte weniger als wir und wir mussten bis zur 89. Minute aber auch alles raushauen, um das Spiel gewinnen zu können. Das zeigt wie schwer es ist. Worüber sollen wir uns also Gedanken machen? Über gar nichts."

Stattdessen heckt der Dortmunder Coach lieber einen Plan aus, wie die Borussia am kommenden Donnerstag auch in der Europa League gegen Paris SG bestehen kann. Doch die positive Entwicklung und der Lernprozess, den der BVB in den letzten Monaten durchlaufen hat, sind unübersehbar.

Die Mannschaft strotzt vor Selbstbewusstsein und lässt sich derzeit von nichts und niemanden von ihrem Weg abbringen. Sie steckt Rückschläge wie die 0:1-Heimniederlage in der Europa League gegen Sevilla locker weg und besiegt drei Tage später den Rekordmeister Bayern München. Sie zeigt sich in Köln unbeeindruckt vom späten Kölner Ausgleich und legt den Siegtreffer nach.

Sahin genießt die Tabellenführung

"Wir haben eine Entwicklung mitgemacht und können auch in der 89. Minute noch einmal zurückkommen", sagt Spielmacher Nuri Sahin selbstbewusst: "Das ist der nächste Schritt in unserer Entwicklung. Den haben wir eindrucksvoll nachgewiesen. Im letzten Jahr wären wir vielleicht noch hektisch gewesen."

In dieser Saison kommt zum schönen Spiel auch der nötige Killerinstinkt. Der Lohn ist Platz 1. "Wir genießen die Tabellenführung auf jeden Fall", gesteht Sahin, "jeder will da oben stehen. Das ist ein schönes Erlebnis. Ich habe schließlich sechs Jahre lang darauf gewartet." Die Fans rund um den Borsigplatz lechzen seit 2002 nach einen weiteren Titel der Borussia. Ob die Warterei 2011 ein Ende hat?

Tobias Gonscherowski