Das Puzzleteil, das gefehlt hat: Javi Martinez wechselte im Sommen von Bilbao nach München
Das Puzzleteil, das gefehlt hat: Javi Martinez wechselte im Sommen von Bilbao nach München

Der Martinez-Faktor

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München - Jupp Heynckes hatte im vergangenen Sommer nicht zu viel versprochen. Technisch, taktisch, menschlich - in vielerlei Hinsicht sei dieser Javier Martinez ein Gewinn, erklärte der Trainer des FC Bayern. Auf was sich der Trainer aber besonders freute beim Rekord-Neuzugang der Münchner: "Auf dem Platz", sagte Heynckes, "da kann Martinez auch schon mal rustikal dazwischen hauen."

Kartensammler und Techniker

Wie bitte? Rustikal? Der teuerste Spieler der Bundesligageschichte? Damit verblüffte Heynckes die Journalisten dann doch im vergangenen August. Ein halbes Jahr später fragt keiner mehr, warum der Trainerfuchs ausgerechnet diese Eigenschaft hervorhob. Die bisherige Traumsaison der Münchner beweist: Genau dieses Element hatte dem bayerischen Spiel gefehlt.



Im Eins-gegen-Eins agiert Martinez unerbittlich: 61 Prozent seiner Duelle gewinnt der 24-Jährige im Schnitt, damit ist er der zweikampfstärkste Mittelfeldspieler der Liga. Der Spanier fegt dazwischen, wenn es nötig ist, scheut sich nicht, zu grätschen oder eine Karte zu kassieren. Der 1,90 große Profi geht bis an die Grenze des Erlaubten - und gelegentlich darüber hinaus. Alle 38 Minuten verübt er ein Foul, manch eines von der härteren Sorte. Nachzufragen bei Robert Lewandowski, der den Stil des Spaniers im Pokalviertelfinale zu spüren bekam. Mit Martinez auf dem Platz überwand der FC Bayern zuletzt sogar sein BVB-Trauma.

Die Bayern-Bosse wussten, was sie für ihr Geld bekommen, gerade in Sachen Aggressivität: In der vergangenen Saison, als Martinez noch für Athletic Bilbao auflief, kassierte kein Spieler der Primera Division mehr Platzverweise als er, drei Mal flog er vom Platz, sammelte zehn weitere Gelbe Karten.

Dabei hat der Baske mehr im Repertoire als den Zerstörer: In der Bundesliga hat er eine Fehlpassquote von nur acht Prozent, erzielte zwei Tore und lieferte zwei Vorlagen. Martinez, das ist die Zweikampfführung Mark van Bommels gepaart mit der Technik eines Toni Kroos - Prädikat Führungsspieler.

Noch keine Pleite mit Martinez



Der spanische Nationaltrainer Vicente del Bosque bezeichnet Martinez als "jugador completo", als kompletten Spieler, weil er nicht nur das nötige Talent, sondern auch die nötige Ausstrahlung hat. Del Bosque meint: "Er wurde geboren, um ein Anführer zu sein."

Bei den Bayern ist Martinez erst auf dem Weg zur Führungspersönlichkeit. Aufgrund der Sprachbarriere hat er zwar in der Hackordnung noch nicht die Stellung wie etwa Bastian Schweinsteiger oder Philipp Lahm. Sportlich spricht hingegen einiges für seinen Wert: Mit dem Defensivspezialisten auf dem Platz haben die Bayern in 1.302 Minuten nur zwei Gegentore kassiert und noch kein Spiel verloren. Fehlt er auf dem Feld, müssen die Bayern im Schnitt alle 143 Minuten einen Gegentreffer einstecken. Martinez tritt als Rackerer mit strategischem Talent auf, der sowohl seine Offensivkollegen als auch die Defensive gut aussehen lässt. Auf der Sechserposition hilft er aus, wo es brennt und prescht im Zweifel dorthin, wo es wehtut.

Heynckes traut seinem Profi zu, dass er mit dieser Spielweise "zu einem der herausragenden Spieler des FC Bayern werden" kann. Den passenden Spitznamen dafür bekam Martinez bereits in seiner baskischen Heimat. "Kaiser de Ayegui" nennen sie in seinem Heimatort, weil er mit seinem eleganten Stil an Franz Beckenbauer erinnert.

Ein Kaiser beim FC Bayern - das passte früher und das passt offensichtlich auch heute.

Andreas Messmer