Der kölsche Türke

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München - Taner Yalcin ist erst 20 Jahre alt - spätestens nach dem Siegtor gegen St. Pauli gilt er aber schon als großer Hoffnungsträger beim 1. FC Köln. Auch, weil er endlich auf der richtigen Position spielt.

Yalcin zeigte ein gutes Spiel, sein Trainer äußerte sich dementsprechend begeistert. "Taner hat gute Anlagen, ist technisch stark und mit präzisem Schuss", sagte er und lobte den jungen Profi als "Riesen-Offensivtalent", dem die Zukunft gehöre.

Seine Trainer sagen: Tolle Technik, toller Schuss

Das war im Januar 2009. Der Trainer hieß Christoph Daum, und Yalcin stand kurz vor seinem 19. Geburstag. Im Wintertrainingslager des 1. FC Köln hatte er aufgetrumpft, und es schien, als könne er nach dem Spiel gegen Wolfsburg (1:1) den Sprung zum Stammspieler schaffen. Aber der Nachwuchsspieler verletzte sich, verpasste eine Partie, schaffte den Durchbruch zunächst doch nicht - weder unter Daum, noch unter dessen Nachfolger Zvonimir Soldo.

Nun aber scheint es, als habe sich der mittlerweile 20 Jahre alte Mittelfeldspieler in der ersten FC-Elf festgespielt. "Er hat das Zeug dazu. Eine tolle Technik, einen guten Schuss", sagte Soldo in der Vorbereitung zur neuen Saison dem Kölner "Express" und klang wie sein Vorgänger Daum. Diesmal aber griff Yalcin entschlossen nach der sich bietenden Chance, diesmal verletzte er sich nicht: In der Vorbereitung traf er zwei Mal gegen Fenerbahce, im Pokal zum wichtigen 1:0 - und gegen St. Pauli erzielte er artistisch den erlösenden Siegtreffer.

Endlich spielt er im zentralen Mittelfeld

Dass er Leistung bringt, liegt auch daran, dass er nicht mehr im rechten Mittelfeld, sondern zentral auf der "10" eingesetzt wird - wie sein großes Vorbild Zinedine Zidane.

Îm U-21-Spiel gegen Nordirland wurde der Mittelfeldspieler in der 71. Minute eingewechselt - für Deutschland. Der Deutsch-Türke fühlt sich - wie Mesut Özil - als Deutscher, genauer: Als Kölner. "Meine Familie stammt aus der Türkei, aber ich bin in der Kinderklinik an der Amsterdamer Straße geboren und leben am Hansaring mitten im Herzen der Stadt", erzählte er einst dem "Bonner General-Anzeiger". "Da ist man mit Leib und Seele Kölner."

Sein Jugendtrainer sagt, er sei der "kölsche Türke"

Gerade in er aktuellen Integrationsdebatte erinnern sich viele Menschen an Worte seines ehemaligen Jugendtrainer Manfred Schadt. "Er hat viel Herz und Manieren", sagte der in der "Bild" über Yalcin. "Taner ist ein Vorbild für Integration. Er hat Nationalstolz für die Türkei, sieht Deutschland und Köln aber als seine Heimat. Ich nenne Taner immer den kölschen Türken."

Und so leistet Yalcin momentan seinen Zivildienst in einer Klinik und wohnt noch bei den Eltern. Die Familie verwaltet sogar sein Geld. Dass er bodenständig ist, zeigt auch eine Geschichte, die davon erzählt, dass er zum Englischlernen in seiner alten Schule ebenso vorbeischaute wie bei den alten Kumpels aus der U 19. Und auf der Homepage der Kölner Gemeinschaftsgrundschule Balthasarstraße findet sich ein Interview des Schülers Lovis mit seinem Idol.

Die Daten: 87 Prozent seiner Pässen kommen an

In allen vier Pflichtspielen der Saison vertraute Soldo seinem Youngster - wobei Yalcin am ersten Spieltag früh ausgewechselt wurde, weil Abwehrspieler Mohamad nach 94 Sekunden "rot" sah. 253 Minuten stand Yalcin also auf dem Platz, 87 Prozent seiner Pässe fanden zum Mitspieler. Allerdings gewann der Mittelfeldspieler nur 25 Prozent seiner Zweikämpfe und schoss nur zwei Mal aufs Tor. Aber alle Wegbegleiter beschreiben ihn als lernwillig, auch er selbst sagte im "Stadt-Anzeiger": "Ich muss noch häufiger den Abschluss suchen. Ich kann noch mehr. Daran werde ich jeden Tag arbeiten."

Gegen St. Pauli gelang ihm, gerade in der zweiten Hälfte, längst nicht alles. Und sicher kann es passieren, dass er in dieser Saison mal wieder draußen sitzt, aus taktischen oder aus Formgründen. Dass er aber das Talent und den Willen dazu hat, dauerhaft das Kreativproblem der Kölner zu beheben - daran zweifelt keiner im FC-Umfeld. Bis 2013 steht die Nummer "6" des FC noch in Köln unter Vertrag.

Nach dem Spiel: "Ich konnte die halbe Nacht nicht schlafen"

Nach seinen starken Auftritten liegt es nun an Yalcin. "Es war ein geiles Gefühl, vor 50 000 Zuschauern in unser Stadion einzulaufen. Ich war ganz aufgeregt. Vorher sowieso. Aber auch noch am Samstagabend. Ich bin ganz früh ins Bett - und konnte dann die halbe Nacht nicht schlafen, weil ich noch ganz aufgewühlt war", sagte er im "Express". Im Januar 2009 war das, nach seinem Startelf-Debüt gegen Wolfsburg.

Anderthalb Jahre später schickt er sich an, nur seinen Gegnern schlaflose Nächte zu bereiten. Ins RheinEnergieStadion, das steht jetzt schon fest, wird der kölsche Türke jedenfalls noch öfter einlaufen.

Peter Seiffert