Linksfuß Martin Kree (r.) gewann 1997 mit Borussia Dortmund die Champions League
Linksfuß Martin Kree (r.) gewann 1997 mit Borussia Dortmund die Champions League

"Der Funke springt beim BVB wieder über"

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Über 400 Bundesligaspiele hat Martin Kree bestritten und galt zu seiner Zeit als einer der besten Verteidiger der Liga. Sechs Jahre kickte der heute 45-Jährige in Bochum, dann in Leverkusen, bevor er mit dem BVB Deutscher Meister und Champions-League-Sieger wurde.

Heute ist Kree Inhaber eines IT-Schulungsunternehmens in unmittelbarer Nähe des Dortmunder Flughafens. Kontakte zum VfL pflegt er ebenso wie zum BVB. Im Interview mit bundesliga.de analysiert der Ex-Profi vor dem "B1-Derby" die aktuelle Situation und spricht über seine "Nachfolger" auf der Verteidiger-Position.

bundesliga.de: Als Sie beim VfL gespielt haben, galt Bochum noch als "unabsteigbar". Sehen Sie den Verein auf einem guten Weg, diesen Status wieder zu erreichen?

Martin Kree: Ich freue mich vor allem, dass die negative Tendenz, die man zumindest zu sehen glaubte, gestoppt ist. Und das noch von jemandem, den ich sehr gut kenne und mit dem ich in Leverkusen und Dortmund zusammengespielt habe. Ich freue mich, dass Heiko Herrlich so gut Fuß gefasst hat beim VfL. Die Mannschaft hat nicht ohne Grund zuletzt eine Serie von acht Spielen ohne Niederlage hingelegt. Es ist genügend Potenzial vorhanden, um in diesem Jahr gar nichts mit dem Abstieg zu tun zu haben.

bundesliga.de: Sie haben Heiko Herrlich angesprochen. Was zeichnet ihn als Menschen und Trainer aus?

Kree: Wir haben oft gegeneinander gespielt, auch im Training. Und das war immer sehr unangenehm und manchmal auch schmerzhaft, weil er ein kantiger Spieler war, der keine Angst kannte. Was sicher in seiner Entwicklung eine große Rolle gespielt hat, ist seine Krankheit, die er besiegt hat. Wer in seinem Leben so einen Zweikampf gewinnt, ist sicher auch in der Lage, im Sport jeden seiner Spieler zu motivieren. Als Typ ist Heiko klar strukturiert und kann klar benennen, was er will. Er scheut keine unbequemen Aussagen oder Maßnahmen.

bundesliga.de: Sie waren mit dem BVB Deutscher Meister und Champions-League-Sieger. Sehen Sie die Borussia auf einem guten Weg zurück zu früherer Stärke?

Kree: Als Teil des Vereins während der erfolgreichsten Zeit, die Borussia je erlebt hat, ist man immer noch ein wenig enttäuscht darüber, was der Club ab Ende der neunziger Jahre aus seinen Voraussetzungen gemacht hat. Viele Fans sind eine zeitlang nicht mehr gerne ins Stadion gegangen. Die Identifikation mit Mannschaft und Verein war kaum vorhanden. Aber seit Jürgen Klopp Trainer ist, hat sich das Bild gewandelt. Er ist sehr impulsiv, sehr emotional und das kommt gut an. Man merkt auch, dass sich die aktuellen Spieler wieder mit "Schwarz-Gelb" identifizieren. Der Funke springt wieder über, vom Rasen auf die Fans und auch umgekehrt.

bundesliga.de: Trauen Sie dem BVB die Qualifikation für den Europapokal zu?

Kree: Warum sollte der BVB sich nicht gegen die anderen Teams behaupten, die um die Plätze 4 und 5 mitspielen? Rang 3 ist sicher in dieser Saison noch Utopie. Aber wenn man sich jetzt für die Europa League qualifiziert und dort ein paar Runden übersteht, kann man auch wieder höhere Ziele anpeilen. Der Mannschaft tut gut, dass Sebastian Kehl wieder spielen kann. Er ist eine der wenigen Galionsfiguren, die die Mannschaft im Moment hat.

bundesliga.de: Sie waren Verteidiger, heute bekleiden Spieler wie Hummels und Subotic beim BVB oder Mavraj in Bochum diese Position. Schauen Sie bei ihnen besonders genau hin?

Kree: Ich müsste lügen, wenn ich nein sage. Ich ertappe mich immer wieder dabei, dass ich überlege: 'Mensch, was hättest Du jetzt in dieser Situation gemacht?'. Aber ich habe mir geschworen, dass ich keiner von den Ehemaligen bin, die von der Tribüne aus alles besser wissen. Ich schaue mir das eher intensiv an und frage mich zum Beispiel, ob ich heute mit meiner Leistung eher eine Chance in der Nationalmannschaft hätte. Ich habe damals in einer Saison zwölf Tore geschossen, ich hatte Auszeichnungen, ich habe 401 Bundesliga-Spiele ohne Platzverweis geschafft.

bundesliga.de: Wie schätzen Sie die hochgelobte junge Dortmunder Innenverteidigung ein?

Kree: Hummels und Subotic sind sehr kopfballstark, spielen eine starke Saison, und mit diesem Selbstvertrauen können sie gegen jedes Sturmduo der Liga bestehen Natürlich sieht man bei ihnen auch Fehler, in diesem Alter kann ein Spieler nicht perfekt sein. Aber man hat zuletzt gegen Gladbach gesehen, dass der Ausfall von Hummels für den BVB eine klare Schwächung ist. Ohne Mats hat auch Subotic etwas unsicherer gespielt.

bundesliga.de: Wie beurteilen Sie auf der Bochumer Seite den 23-jährigen Mergim Mavraj?

Kree: Er ist ein guter Mann, der seinen Weg gehen wird. Aber ich habe auch ein paar Szenen gesehen, in denen man sich fragt, ob er die Situation nicht auch anders hätte lösen können.

bundesliga.de: Wagen Sie einen Tipp für das Derby am Samstag?

Kree: Da ich zu beiden Clubs noch eine emotionale Bindung habe, wünsche ich mir generell, das es der BVB in dieser Saison in die Europa League schafft und der VfL nichts mehr mit dem Abstieg zu tun hat. Und für das Derby tippe ich auf ein schönes 2:2! Ich werde selbst im Stadion sein, da wären doch vier Tore ganz gut.

bundesliga.de: Und da wir gerade bei Prognosen sind: Trauen Sie Ihrem alten Verein Bayer Leverkusen in diesem Jahr den Meistertitel zu?

Kree: Im Gegensatz zu all den Jahren vorher, als man sich als ewiger Zweiter in die Geschichtsbücher eingetragen hat, gibt es jetzt einen großen Unterschied. Und das ist der Trainer. Jupp Heynckes kennt den Erfolg und hat nicht nur als Spieler, sondern auch als Trainer alles erreicht bis hin zur Champions League. Er weiß, wie schön Erfolg ist. Und er weiß, was man dafür tun muss. Jetzt ist Bayer in einer Phase, auf die jeder mit Spannung gewartet hat: Man hat zum ersten Mal verloren. Und was passiert jetzt? Gewinnt man direkt die nächste Partie gegen Hamburg, ist Bayer ein ernsthafter Anwärter auf den Titel. Schalke hat zwar zuletzt viele Punkte geholt, ich halte sie aber nicht für so stark. Die Bayern haben auch Anfälligkeiten bewiesen, zuletzt in Köln. Warum also soll es nicht Bayer schaffen?

Das Gespräch führte Dietmar Nolte