Für Felix Magath (r.) wäre der Titelgewinn mit Wolfsburg die dritte Deutsche Meisterschaft als Trainer nach 2005 und 2006 (jeweils mit Bayern München)
Für Felix Magath (r.) wäre der Titelgewinn mit Wolfsburg die dritte Deutsche Meisterschaft als Trainer nach 2005 und 2006 (jeweils mit Bayern München)

Der Drops ist noch nicht gelutscht

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Sich schon öffentlich über die Deutsche Meisterschaft freuen, oder lieber doch ganz auf Nummer sicher gehen und noch alle voreiligen Glückwünsche ablehnen? Schließlich ist der Titel ja noch nicht in trockenen Tüchern. Vor dieser Frage stehen wohl seit Samstagabend alle Spieler und Verantwortlichen des VfL Wolfsburg.

Die Experten im Lande sind sich weitgehend einig. "Ich glaube nicht, dass Wolfsburg da noch irgendwas anbrennen lässt", sagte etwa Udo Lattek stellvertretend im "DSF-Doppelpass" und bot einen ungewöhnlichen Einsatz: "Ich verwette meine letzten Haare, dass da nichts mehr passiert."

Beckenbauer: "Es ist gelaufen"

Franz Beckenbauer, ebenfalls ein Mann mit großer Erfahrung im Titelkampf, hat - zumindest inoffiziell - schon einen Haken hinter das diesjährige Rennen gemacht. "Jetzt schon zu beglückwünschen ist zu früh. Man gibt auch keinem Jubilar einen Tag vorher die Glückwünsche. Aber es ist gelaufen", sagte der "Premiere"-Experte.

Und auch Ralf Rangnick von 1899 Hoffenheim glaubt an die "Wölfe": "Sie haben alles in der Hand. Ich kann mir bei dem Lauf, den die im Moment haben, nicht vorstellen, dass die sich das jetzt zuhause gegen Bremen noch mal nehmen lassen. Im Fußball passieren immer wieder komische Dinge, aber ich rechne damit, dass die Wolfsburger das jetzt schaffen."

Störmanöver von Heldt?

Felix Magath weist Gratulanten aber noch ab. "Die Gefahr ist jetzt, dass einige den Drops schon gelutscht haben und glauben, die Meisterschaft wäre schon unter Dach und Fach. Ich bin schon zu lange dabei, um nicht schon oft genug erlebt zu haben, dass man vorher schon gefeiert und dann geweint hat. Und ich möchte mir das Weinen ersparen nächste Woche", sagte er am Sonntag.

Gleichwohl weiß er natürlich ganz genau um die hervorragende Ausgangsposition seines Teams, das zwei Zähler Vorsprung auf die Verfolger Bayern München und VfB Stuttgart hat. "Jetzt können wir uns nur noch selbst aufhalten. Ohne dass wir Werder Bremen unterschätzen, müssen wir zuhause dieses Spiel gewinnen."

Die Vorab-Gratulation von Horst Heldt, immerhin Manager der schwäbischen Titelkonkurrenz, empfand Magath als Ablenkungsmanöver. "Ich habe auch schon das eine oder andere Mal gratuliert, aber während ich gratuliert habe, gehofft, dass das verfrüht war", sagte Magath.

Benaglio dämpft die Euphorie

Seine "Wölfe" wittern ihre Chance, sind sich aber noch nicht ganz einig. Im Gegensatz zu den vergangenen Wochen nannte zwar so mancher das große Ziel inzwischen beim Namen. "Jetzt haben wir zwei Punkte Vorsprung auf Bayern und Stuttgart. Natürlich wollen wir jetzt zuhause Bremen schlagen und Meister werden", verkündete Edin Dzeko, der mit seinem "Dreierpack" bei 96 einmal mehr ein Sieggarant war.

Diego Benaglio hob allerdings auch in der Stunde des jüngsten Erfolgs noch warnend den Zeigefinger. "Wir sind nicht allzu euphorisch. Wir sind uns bewusst, dass wir noch ein sehr schweres Spiel vor uns haben", gab der Torwart zu Protokoll.

Fünf Negativbeispiele

Der FC Bayern hat die Titelverteidigung offiziell schon aufgegeben - obwohl, ein bisschen Hoffnung verbreitet der Meister hier und da schon noch. "Wir können immer noch Meister werden. Im Fußball habe ich schon verrücktere Dinge erlebt", sagte Kapitän Mark van Bommel trotzig.

Ist alles schon mal vorgekommen. Aber nur in fünf der bisherigen 45 Spielzeiten wurde die Mannschaft, die als Tabellenführer in den letzten Spieltag ging, noch abgefangen. Und nur in zwei der fünf Fälle wurde ein Zwei- bzw. Drei-Punkte-Polster verspielt:

    1999/00 zog Bayern München an Leverkusen vorbei. Bayer hatte vor dem letzten Spiel drei Punkte Vorsprung.

    1994/95 überholte Borussia Dortmund auf der Ziellinie Bremen. Werder hatte vor dem letzten Spiel nur einen Punkt Vorsprung.

    1991/92 verspielte Eintracht Frankfurt die Führung an den VfB Stuttgart. Beide Mannschaften waren vor dem letzten Spieltag punktgleich.

    1985/86 fing Bayern München Bremen noch ab (vorher der Kutzop-Elfmeter). Die "Grün-Weißen" verspielten einen Zwei-Punkte-Vorsprung.

    1970/71 überholte Borussia Mönchengladbach die Bayern am letzten Spieltag. Beide Teams waren zuvor punktgleich.

Eine Gemeinsamkeit gab es für alle Mannschaften, die am letzten Spieltag noch Platz 1 verspielt haben: Sie traten alle auswärts an. Wolfsburg hat am 34. Spieltag Heimrecht. Und die "Wölfe" haben die vergangenen 14 Partien in der Volkswagen Arena allesamt gewonnen. Um es mit Magath zu sagen: Wolfsburg kann sich wirklich nur noch selbst aufhalten.

Tim Tonner