Fabregas als "falscher" Neuner? Oder doch ein "echter" Stürmer? Vicente Del Bosque erklärt, wie gespielt wird
Fabregas als "falscher" Neuner? Oder doch ein "echter" Stürmer? Vicente Del Bosque erklärt, wie gespielt wird

Del Bosque knobelt - Trapattoni kennt vielleicht die Lösung

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Gdansk - Ausgerechnet der Gegner kennt des Rätsels Lösung. Sagt er. Während scheinbar ganz Spanien sich in der leidigen Stürmerdiskussion weiter den Kopf von Trainer Vicente del Bosque zerbricht, glaubt Catenaccio-Liebhaber Giovanni Trapattoni die Gedanken seines geschätzten Kollegen längst erraten zu haben.

Del Bosque verteidigt seine Taktik

"Nachdem ich das 1:1 der Spanier gegen Italien gesehen habe, denke ich, dass gegen uns wohl Fernando Torres spielt", behauptet Irlands italienischer Nationaltrainer vor dem Duell mit Titelverteidiger Spanien am Donnerstag in Gdansk (ab 20:30 Uhr im Live-Ticker).

Seit Tagen tobt die Debatte um del Bosques Null-Stürmer-Taktik beim EM-Stotterstart des Titelverteidigers gegen Italien. Trotz aller Kritik und Trapattonis behauptungen spricht aber einiges dafür, dass der 61-Jährige auch gegen die "Boys in Green" wieder auf Cesc Fabregas als "falsche Neun" setzen wird.



Er habe, wie es seine Art sei, "fast alles gelesen", was zu dem Thema geschrieben worden sei, sagte del Bosque. Offenbar musste er danach erst einmal in sich gehen: Er sagte sagte alle für Montag vereinbarten Interviews ab. Einen Tag später brach der "hombre tranquilo" (der ruhige Mann) dann sein Schweigen. "Nicht erzürnt, nur nachdenklich" sei er, sagte er dem Radiosender "Onda Madrid". Seine Erkenntnis zur Null-Stürmer-Taktik gegen Italien: "Ich würde es wieder so machen."

Was am Donnerstagabend gegen die defensiv zu erwartenden Iren herauskommt, wissen aber wohl nur der "Seleccionador" und seine rechte Hand Toni Grande. "Die Entscheidungen des Trainers", sagte Mittelfeldspieler Jesus Navas ganz gelassen, "sind immer gut. Fabregas hat es gut gemacht. Das passt zu unserem Spielstil."

In den öffentlichen Trainingseinheiten am Dienstag und Mittwoch setzte del Bosque auf eine Vernebelungstaktik - und probierte Verschiedenes aus. So kamen auch Fernando Torres und Alvaro Negredo im Trainingsspielchen als Doppelspitze zum Einsatz - und sie zeigten sich unter dem Applaus der Zuschauer durchaus treffsicher. Welchen Wert das Ganze hat, ist allerdings fraglich.

Setzt Irland auf die Chelsea-Taktik?



Möglich, dass del Bosque gegen die defensiven und athletischen Iren erneut auf die "falsche Neun" und damit auf das "Tiki-Taka" seiner Flachpass-Maschine setzt. Auch in der EM-Qualifikation gegen Schottland (3:2 und 3:1) sowie beim Länderspiel im November gegen England (0:1) ließ der Nationaltrainer ohne einen der drei nominellen Mittelstürmer Torres, Negredo und Fernando Llorente in der Startelf spielen. Seitdem del Bosque aber gegen Italien alle überraschte und Fabregas aus dem Hut zauberte, scheint es möglich, dass er gegen Außenseiter Irland auf einen oder sogar zwei Stürmer setzt.

Irland und Trapattoni, der laut eigener Aussage in seiner langen Trainerkarriere noch nie ohne Stürmer gespielt hat, grübeln derweil, wie der Außenseiter nach dem 1:3 gegen Kroatien die zweite Niederlage im zweiten Spiel verhindern kann. Denkanstöße will man sich dabei offenbar bei Champions-League-Sieger FC Chelsea holen, der sich im Halbfinale der "Königsklasse" mit einer Mauertaktik gegen Titelverteidiger FC Barcelona durchgesetzt hatte.

"Ja, die Situation ist ähnlich, auch Barcelona war klarer Favorit, und außerdem musste Chelsea in Unterzahl spielen (nach einer Roten Karte gegen John Terry, d. Red.)", sagte Irlands Stürmerstar Robbie Keane: "Wir müssen gut verteidigen, aber wir müssen auch ein Tor machen."


Voraussichtliche Aufstellungen:

Spanien: Casillas - Arbeloa, Pique, Sergio Ramos, Jordi Alba - Xavi, Busquets, Xabi Alonso - Silva, Fabregas, Iniesta

Irland: Given - O'Shea, Dunne, St. Ledger, Ward - Whelan, Andrews - Duff, McGeady - Doyle, Keane


Die Top-Fakten zum Spiel:

    Für Spanien kann im zweiten Gruppenspiel noch keine Entscheidung fallen. Irland wäre allerdings im Falle einer Niederlage gegen die Iberer vorzeitig ausgeschieden.

    Spanien hatte die vier Testspiele im Kalenderjahr 2012 alle gewonnen - beim 1:1 gegen Italien gelang erstmals seit November 2011 kein Sieg (da 2:2 gegen Costa Rica).

    Vor dem 1:3 gegen Kroatien war Irland in 14 Länderspielen ungeschlagen, kassierte dabei insgesamt nur drei Gegentreffer. So viele Gegentore gab es nun zum EM-Start binnen 45 Minuten.

    Spanien hat seit Sommer 2008 unter Trainer Vicente del Bosque 24 von 26 Pflichtspielen gewonnen (ohne Confed-Cup) - nur das WM- und EM-Auftaktspiel nicht (2010: 0:1-Niederlage gegen die Schweiz; 2012: 1:1 gegen Italien).

    Irlands letzter Sieg gegen die Iberer datiert vom 26. April 1989 (1:0 in der WM-Qualifikation). Seitdem gab es aber auch nur drei Aufeinandertreffen.

    Spanien ist seit sieben EM-Spielen ohne Niederlage (2008 und 2012) - noch nie hat eine Mannschaft bei Europameisterschaften acht Partien in Serie ohne Misserfolg (d.h. ohne Niederlage bzw. ein verlorenes Elfmeterschießen) überstanden.

    Bei einer EM trafen Spanien und Irland nie zuvor aufeinander, wohl aber einmal bei einer WM: Das Achtelfinale am 16. Juni 2002 im südkoreanischen Suwon war zugleich das letzte Duell der beiden Nationen. Die Spanier setzten sich damals im Elfmeterschießen (fünf Spieler vergaben: drei von Irland, zwei von Spanien) durch.

    Iker Casillas und Fernando Torres haben jeweils neun EM-Spiele auf dem Konto - nun kann das Duo mit dem spanischen Rekordhalter gleich ziehen: Rafael Gordillo bestritt 1980 bis 1988 zusammen zehn EM-Partien.

    Während Irland im ersten EM-Spiel sieben seiner 14 Torschüsse per Kopf abgab (und so auch das Tor erzielte), hält Spanien den Ball fast durchweg flach: Nur zwei der 20 Torschüsse gegen Italien gaben sie per Kopf ab.

    So stabil wie bei der WM 2010, also es in den vier K.o.-Spielen keinen einzigen Gegentreffer gab, stand Spanien zum Auftakt nicht: In Südafrika ließen die Iberer in sieben Partien nur neun Großchancen zu - gegen Italien dann gleich vier.