Borussia Dortmund hat mit dem 1:4 gegen den Hamburger SV die höchste Heimpleite seit September 2009 kassiert. Für Keeper Roman Weidenfeller und Co. war es außerdem schon die dritte Niederlage auf eigenem Platz in dieser Saison
Borussia Dortmund hat mit dem 1:4 gegen den Hamburger SV die höchste Heimpleite seit September 2009 kassiert. Für Keeper Roman Weidenfeller und Co. war es außerdem schon die dritte Niederlage auf eigenem Platz in dieser Saison

Defensivstärke dringend gesucht

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Dortmund - Kein Dank an die Fans, kein Wort zu den Journalisten: Mats Hummels wollte nichts mehr hören, nichts mehr sehen und vor allem nichts mehr sagen. Erst Stunden später hatte der Borussia Dortmunds Innenverteidiger die Sprache wieder gefunden und räumte via Facebook eine auch persönlich unerklärliche Leistung ein, die bei der irgendwie ins Bild passte.

Dortmunder Defensive zu wacklig

Es war eine verkehrte Welt im Signal Iduna Park. Während Hummels umgezogen und geduscht schon das Weite suchte, stellten sich die siegreichen Hanseaten gerade erst mit breitem Lachen vor die Mikrofone. Laute Musik dröhnte dieses Mal nur aus der Gästekabine. Und auf dem Platz hatte in den 90 Minuten zuvor nur der HSV eine offensiv mutige und zugleich defensiv stabile Leistung gezeigt.



Der BVB hingegen präsentierte sich ungewohnt schwach, kassierte folgerichtig die höchste Heimpleite seit September 2009 und schon die dritte Heimniederlage der aktuellen Saison. Und das ausgerechnet vier Tage vor dem schweren Achtelfinal-Hinspiel in der Champions League bei Schachtjor Donezk. "Da müssen wir einiges besser machen, sonst sieht es da auch nicht so rosig aus", redete Sebastian Kehl gar nicht lange herum.

Der Kapitän stellte sich im Gegensatz zu manch anderem Mitspieler auch in der Krise den Fragen und legte zugleich den Finger in die Wunde. "Innerhalb von zwei Spielen erst gegen Bayer Leverkusen und jetzt gegen den HSV sechs Tore zu kassieren, ist schon ein Pfund. Darüber wird sicherlich zu sprechen sein." Insgesamt 26 Gegentreffer hat man nun auf dem Konto. Das ist bereits jetzt ein Tor mehr als in der gesamten vergangenen Spielzeit.

Klopp übt Kritik



Gerade an der Defensivarbeit hatte die Borussia in der Winterpause eigentlich gefeilt, und wollte im Verbund deutlich sicherer stehen. Zu Beginn der Rückrunde hatte es danach auch ausgesehen. Doch was sich in der zweiten Halbzeit in Leverkusen angedeutet hatte, fand dieses Mal seine Fortsetzung. "Wir haben defensiv nicht so gestanden, wie wir uns das vorstellen. Die Räume waren nicht geschlossen, wir hatten die Seiten nicht zu und wir waren insgesamt nicht kompakt", analysierte Kehl.

Zudem erwies sich das Pressing auf Dortmunder Seite dieses Mal nicht als die gewohnt scharfe Waffe. Vielmehr machte der HSV mit aggressivem Forechecking und viel Druck vor, wie es geht. Auch in dieser Hinsicht hinkte der Deutsche Meister eher hinterher. "Wir sind nicht gut in den Rhythmus gekommen und waren vor allem zu Beginn nicht richtig da", kritisierte Trainer Jürgen Klopp. Da nützte auch die frühe Führung nichts, die der HSV prompt mit einem Doppelschlag beantwortete.

BVB ohne Präzision



Nach dem Platzverweis für Robert Lewandowski war es Klopp dann zu hektisch und wild. "Da ist uns die Ruhe abhanden gekommen." Außerdem habe die Mannschaft alles "als ungerecht empfunden, und das hilft auch nicht gerade weiter." Der BVB versuchte zwar immer wieder, das Spiel noch zu drehen. Vor allem in der zweiten Halbzeit war dem Team kämpferisch nichts vorzuwerfen und am Ende standen auch stolze 22 Torschüsse zu Buche.

Doch es fehlte an der Präzision - sowohl vorne als auch weiterhin hinten. Dass die Dortmunder unmittelbar nach der Roten Karte für HSV-Verteidiger Jeffrey Bruma den Gegentreffer zum 1:3 kassierten, "kann so einfach nicht sein", monierte Kehl - und schluckte zugleich nur mühsam einen deftigeren Kommentar herunter.

Ausfälle machen sich bemerkbar



Es spricht für den BVB, dass nach der Niederlage niemand die während der Woche lange Kranken- und Verletztenliste als Argument ins Feld führte oder auf prominente Ausfälle wie die von Marcel Schmelzer und Kevin Großkreutz verwies. "Optimal war die Vorbereitung sicher nicht, aber das gehört alles dazu. Das müssen wir als Mannschaft einfach kompensieren und da darf man jetzt auch nicht nach Ausreden suchen", stellte Nuri Sahin klar. "Es lag nicht an den Umstellungen. Jeder einzelne Spieler hat dieses Mal nicht seine Leistung gebracht."

Gerade das anfängliche Fehlen des angeschlagenen Ilkay Gündogan, der erst spät in die Partie kam, wirkte sich allerdings negativ auf das Dortmunder Spiel aus. Zu ungeordnet, zu ungenau und zu unstrukturiert wirkte vieles ohne den zuletzt herausragenden Mittelfeldlenker. Zum sechsten Mal fehlte der Nationalspieler in dieser Saison in der Startelf des BVB - und keine dieser Partien konnte gewonnen werden.

Hoffnungsträger Gündogan



Am Mittwoch in der Champions League hofft Klopp, wieder auf Gündogan zurückgreifen zu können. Das allein aber wird keinen erfolgreichen Auftritt auf Europas Bühne garantieren, mahnte Sahin: "Schachtjor Donezk hat auch offensiv einiges zu bieten. Da müssen wir als Mannschaft komplett besser stehen und kompakt verteidigen."

Doch trotz des Rückschlages gegen Hamburg fliegt der BVB mit Selbstbewusstsein in die Ukraine. "Natürlich wollten wir dort eigentlich mit viel mehr Schwung anreisen", meinte Kehl, "aber wir freuen uns trotzdem alle riesig auf das Spiel. Wir haben bislang in der Champions League tolle Leistungen gezeigt. Und diese Überzeugung werden wir uns nicht durch das eine Spiel gegen den HSV nehmen lassen!"

Aus Dortmund berichtet Dietmar Nolte