Eingefangen: Siegtorschütze Marcel Schmelzer (l.) wird von Kevin Großkreutz "gebändigt"
Eingefangen: Siegtorschütze Marcel Schmelzer (l.) wird von Kevin Großkreutz "gebändigt"

"Davon träumt man als kleiner Junge"

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Dortmund - "Was Marcel Schmelzer gespielt hat, war von einem anderen Stern. Glückwunsch an Deutschland, dass es so einen Linksverteidiger hat", lobte Trainer Jürgen Klopp den Mann des Abends beim 2:1-Triumph des BVB über Real Madrid in den höchsten Tönen. Mit dem ersten Europapokaltor seiner Karriere bescherte der Nationalspieler dem Doublegewinner den ersten Sieg gegen die Spanier überhaupt.

Nach dem packenden Match musste Schmelzer vor Dutzenden Kameras und Mikrofonen von seinem Siegtor erzählen und sprach zudem über den Schlüssel zum Erfolg, seine Verletzung und die Kritik an seiner Person.

Frage: Herr Schmelzer, der BVB schlägt Real und Sie schießen das Siegtor. Müssen Sie sich selbst kneifen, um es zu glauben?

Marcel Schmelzer: Da ich nach dem Spiel immer wieder Fragen nach meinem Siegtreffer beantworten muss, scheint es wohl wahr zu sein. Da muss ich mich also nicht mehr kneifen.

Frage: Dann schildern Sie doch mal Ihren Treffer...

Schmelzer: Ich wollte den Schuss einfach nur aufs Tor bringen. Es standen so viele Spieler vor mir, dass ich gehofft habe, dass er irgendwie ins Tor abgefälscht wird, wenn er nur in die Richtung fliegt. Und dann habe ich aus 13 Meter einfach volley draufgehalten. Das ist das, wovon man sich als kleiner Junge geträumt hat: In der Champions League gegen Real Madrid das Siegtor zu machen. Ich bin überglücklich.

Frage: Sie mussten zuletzt zwei Wochen mit einer Fußwurzelstauchung passen. Ist die Verletzung überhaupt schon komplett überstanden?

Schmelzer: Wenn ich ehrlich bin, spüre ich im Fuß immer noch Schmerzen. Das war auch beim Warmmachen vor der Partie so. Aber in solch einem Spiel voller Adrenalin kann man das dann mal 90 Minuten lang wegstecken.

Frage: Sind dieses Spiel gegen Madrid und das Tor auch eine kleine Genugtuung für Sie, nachdem Sie in der Nationalmannschaft zuletzt Kritik einstecken mussten?

Schmelzer: Wir lassen uns alle nicht so sehr beeinflussen von Kritik, die von außen kommt. Es gab nichts, weshalb man mich hätte aufbauen müssen. Ich war nie am Boden, wie es teilweise dargestellt worden ist. Ich kann mich auch ganz gut selbst einschätzen und habe zudem aus Dortmund Rückendeckung bekommen. Dass so ein Tor natürlich trotzdem eine schöne Sache ist, ist aber auch keine Frage. Und wir sind alle stolz, dass wir als Mannschaft unseren Kritikern nach dem Spiel in Manchester jetzt zum zweiten Mal beweisen konnten, dass wir in der Champions League mithalten können und auch in der Lage sind, Mannschaften wie Real Madrid zu schlagen. Das ist schon eine gewisse Genugtuung.

Frage: Und die Fans sind nach der Pleite im Derby gegen Schalke auch wieder versöhnt.

Schmelzer: Wir hoffen, dass es eine kleine Wiedergutmachung war für die Derbyniederlage. Ich war selbst sehr enttäuscht, dass wir das Spiel gegen Schalke hergegeben haben. Wir wissen alle, dass wir da nicht das abgerufen haben, was uns stark macht und was man von uns kennt.

Frage: Was war aus Ihrer Sicht dieses Mal anders? Und vor allem besser als noch gegen Schalke?

Schmelzer: Wir haben als Mannschaft sehr gut gearbeitet, haben Real das Leben schwer gemacht und defensiv kaum etwas zugelassen. Bei uns ist es so, dass jeder Zweikampf abgesichert wird. Das macht uns defensiv so stark, auch schon in den letzten Jahren. Auf der anderen Seite haben wir dieses Mal die wenigen Chancen, die wir hatten, konsequent genutzt.

Frage: Und der BVB ist wieder unheimlich viel gelaufen.

Schmelzer: Man hat in den letzten Jahren immer wieder gesehen, dass genau das einfach unsere Spielweise ist, das macht uns als Mannschaft aus. Wir waren uns auch vor dem Spiel schon im Klaren darüber, dass hier der Schlüssel für den Erfolg liegt.

Frage: Wann haben Sie daran geglaubt, dass es tatsächlich zum ersten Sieg der Vereinsgeschichte gegen Real Madrid reichen kann?

Schmelzer: Wir haben schon in der Halbzeit angesprochen, dass ein Sieg gegen Madrid dieses Mal möglich ist. Und dass er sogar sehr wahrscheinlich ist, wenn wir weiter so viel investieren, wie in der ersten Halbzeit. Aber uns war auch klar, dass wir uns weiter den Allerwertesten aufreißen müssen. Das haben wir auch und am Ende haben wir absolut verdient die drei Punkte geholt, die wir in Manchester noch unglücklich verpasst hatten.

Frage: Der BVB führt jetzt die Champions-League-Gruppe an. Wie weit ist man noch vom Achtelfinale entfernt?

Schmelzer: Die Tabellenführung ist eine schöne Sache für den Moment, aber interessiert uns nicht wirklich. Wir wollen nach sechs Spielen auf einem der ersten beiden Plätze stehen, das ist das Ziel. Wir wissen, dass uns schon am nächsten Spieltag in Madrid ein noch schwierigeres Spiel erwarten wird als zuhause. Und wir haben leider in den letzten Jahren selbst schon die Erfahrung machen müssen, dass es auch mit einer beachtlichen Zahl an Punkten trotzdem nicht reichen kann fürs Weiterkommen. So war es bei uns vor zwei Jahren in der Europa League. Wir brauchen noch mehr als die sieben Punkte, die wir jetzt haben.

Frage: Am Samstag muss der BVB sich wieder auf die Bundesliga konzentrieren. Wird das schwierig nach diesem glanzvollen Europapokal-Abend?

Schmelzer: Ab Donnerstag zählt für uns nur die Bundesliga! Man denkt von außen oft, dass es schwierig ist, auf einen anderen Wettbewerb umzuschalten. Aber wir haben schon bewiesen, dass wir den Wechsel zwischen Europapokal und Bundesliga ganz gut hinbekommen. Wir werden das Spiel am Samstag in Freiburg alle hochkonzentriert angehen, weil wir endlich in der Liga auch mal wieder drei Punkte mitnehmen wollen.

Aufgezeichnet von Dietmar Nolte