Der Bundesliga so fern und doch so nah: Winnie Schäfer
Der Bundesliga so fern und doch so nah: Winnie Schäfer

"Das wäre doch der Tod des Fußballs!"

xwhatsappmailcopy-link

Winfried Schäfers Zeit als Trainer des Karlsruher SC oder vom VfB Stuttgart liegt zwar schon ein paar Jährchen zurück. Die Bundesliga hat der Trainerfuchs allerdings selbst in den entfernten Vereinigten Arabischen Emiraten nie aus dem Blick verloren.

Mit der Nationalmannschaft Kameruns feierte Schäfer von 2001 bis 2004 große Erfolge ehe es ihn nach Osten verschlug. Aktuell tanzt Schäfer mit seinem Club Al-Ain noch auf drei Hochzeiten. Im Gespräch mit bundesliga.de spricht er über die Popularität der Bundesliga im arabischen Raum, den Vergleich mit der englischen Premier League und mahnt dazu, den Fußball in seinem ureigenen Charme nicht anzutasten.


bundesliga.de: Herr Schäfer, das aktuelle Titelrennen in der Bundesliga ist vollkommen offen. Wie intensiv verfolgen Sie den Kampf um die Deutsche Meisterschaft?

Schäfer: Den habe ich von Anfang an verfolgt. Der HSV ist noch nicht so gefestigt, wie man das nach dem Sieg über Bayern erwarten konnte. Der Erfolg in Wolfsburg musste ja mal so kommen, denn man hat viel in die neue Mannschaft investiert. Aber auch da wird gute Arbeit gemacht. Bayern München ist etwas unruhig, gewinnt mal hoch, mal verlieren sie. Der einzige, der das wieder in Ordnung bringen kann, ist Uli Hoeneß. Mittlerweile ist ja auch wieder etwas mehr Stabilität hineingekommen. Ich bin aber auch von Hertha BSC überrascht, die eine tolle Runde spielen und genauso spielen, wie sie spielen müssen, um Meister zu werden…

bundesliga.de: …nämlich?

Schäfer: Das Potenzial der Mannschaft wurde zu hundert Prozent ausgeschöpft. Lucien Favre hat diese Mannschaft gut zusammengestellt und hat gemerkt, dass er mehr auf die Defensive setzen muss, um nach oben zu kommen. Es ist auch unwichtig, ob einer schön spielt! Er spielt genau so, wie er eben spielen kann, um Erfolg zu haben - das ist doch entscheidend. Mit Voronin haben sie aber auch einen überragenden Spieler, der in Liverpool gereift ist und nun die Liga beherrscht, wunderbar!

bundesliga.de: Können Sie sich an einen ähnlich spannenden Titelkampf in der Bundesliga erinnern?

Schäfer: Ich kann mich noch an die Saison 93/94 erinnern, als wir mit Karlsruhe wenige Spieltage vor Schluss oben mit dabei waren, mit Dortmund, Leverkusen, Kaiserslautern und den Bayern. Franz Beckenbauer hatte die Mannschaft von Erich Ribbeck übernommen und zum Titel geführt. Aber bis drei Spieltage vor Schluss hätte sogar der KSC das Rennen machen können. Aber die Bayern hatten dann eben doch das gewisse Etwas, das man haben muss - und das werden sie auch jetzt wieder haben.

bundesliga.de: Bayern wird also Meister?

Schäfer: Gut, wenn sich der HSV stabilisiert und auch mal ein sogenanntes "dreckiges" 1:0-Spiel macht und gewinnt, oder wie schon gesagt, Hertha wirklich weiterhin konstant bleibt und keine Fehler macht…können wir auch noch eine Überraschung erleben.

bundesliga.de: Sie selbst verfolgen die Geschehnisse in Ihrer Heimat zeitnah. Wie groß ist eigentlich das Interesse an der Bundesliga im arabischen Raum?

Schäfer: Es ist natürlich gestiegen, weil deutsche Mannschaften seit Jahren hier im Trainingslager sind.

bundesliga.de: Wo sehen Sie denn persönlich die Bundesliga im internationalen Vergleich?

Schäfer: Besser als Jogi Löw sie macht. Es ist nicht so, dass wir den Spaniern oder Franzosen so weit hinterher hinken. England ist in den Spitzenmannschaften natürlich besser besetzt, weil sie entweder gleich Topleute geholt haben, aber auch weil sie beispielsweise großartige afrikanische Talente entdeckt und gefördert haben, die dann erst in den englischen Vereinen zu Topleuten ausgebildet wurden, wie Adebayor, Drogba oder Mikel.

bundesliga.de. Man sagt, dass die Bundesliga in der Breite attraktiver aufgestellt wäre. Duelle aus dem unteren Tabellendrittel der Premier League setzen ja auch nicht immer Glanzpunkte.

Schäfer: Das ist richtig. Da sieht man noch den alten englischen Fußball mit Kick-and-Rush und 4-4-2, wie ihn ja auch noch die englische Nationalmannschaft bis zum Trainerwechsel gespielt hat. In den Topclubs wie Arsenal oder Manchester spielen sie aber den modernen Fußball, mit einem Mittelstürmer und zwei Außenstürmern.

bundesliga.de: Sie haben unter anderem mit Mo Idrissou, Bill Tchato, Lucien Mettomo gearbeitet, Spieler mit Bundesliga-Erfahrung. Macht es für Sie bei der Trainingsarbeit einen Unterschied in welcher Liga die Spieler kicken?

Schäfer: Es ist natürlich so, dass sie in Deutschland mehr Disziplin mitbekommen. Spieler, die in Frankreich groß geworden sind, haben dafür mehr Spielwitz.

bundesliga.de: Sie haben regelmäßigen Kontakt zu internationalen Trainerkollegen: spricht man da auch über die Bundesliga?

bundesliga.de: Ja natürlich. Und da muss ich Uli Hoeneß jetzt mal unterstützen. Es kann nicht sein, dass der Bundestrainer die Bundesliga so darstellt, als ob die nicht mehr mit den anderen Ländern mitkäme. Da werden dann fragwürdige und zusammenhanglose Statistiken bemüht, beispielsweise die berühmten 1,2 Sekunden, solange hält ein Spieler in England durchschnittlichen den Ball. Schade, dass diese Diskussion auch in der Bundesliga immer wieder aufkommt. Ein Spiel ohne Dribbler wäre der Tod des Fußballs. Stellen Sie sich mal vor, Franck Ribery oder Cristiano Ronaldo dürften nicht mehr dribbeln! Das wäre Einheitsfußball ohne Exoten. Der deutsche Fußball gehört zur europäischen Spitze. Natürlich kann und muss man sich ständig verbessern. Das Wichtigste ist doch aber, dass man mit dem Ball umgehen kann, nur so kann man von Situation zu Situation die beste Entscheidung treffen. Wenn man jetzt in London gesehen hat, wie die Brasilianer die Italiener sowohl mit One-touch-Football als auch mit Dribblings vorgeführt haben, das ist doch Fußball! Um Gottes Willen, lasst uns diese Spielfreude ja nicht verändern!

bundesliga.de: Meine letzte Frage ist obligatorisch: Klettert der KSC nochmal aus dem Tabellenkeller?

Schäfer: Wenn sie das wichtige Sechs-Punkte-Spiel gegen Mönchengladbach jetzt gewinnen, dann dann gibt es noch eine kleine Chance. Sie waren wohl nicht darauf vorbereitet, dass die zweite Saison viel schwerer ist als die erste. Die Euphorie war weg. Ich weiß nicht, ob sie es noch packen, aber ich hoffe es. Dazu gehört auch mal Glück im Torabschluss, damit der Knoten platzt. Glück gehört zum Fußball, egal ob die Mannschaft FC Chelsea, Juventus Turin oder Karlsruher SC heißt.

Das Gespräch führte Michael Wollny