Vincenzo Iaquinta konnte gegen Neuseeland den Ausgleich per Elfmeter erzielen
Vincenzo Iaquinta konnte gegen Neuseeland den Ausgleich per Elfmeter erzielen

"Das langweiligste und ungefährlichste Italien"

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Erbärmlich, langweilig, grausam - kurzum: Eines Weltmeisters unwürdig. Vier Jahre nach dem Triumph von Berlin ist Italien bei der Fußball-WM in Südafrika auf dem Weg, zur Lachnummer zu verkommen. Beim 1:1 (1:1) gegen die Amateure aus Neuseeland blamierten sich die Italiener bis auf die Knochen, nun droht sogar in der wohl leichtesten WM-Gruppe das Vorrunden-Aus. In der Heimat bricht Panik aus, die Spieler wirken verängstigt. Auf den ratlosen Trainer Marcello Lippi wartet schon ein Rettungsboot.

"Das ist das langweiligste und ungefährlichste Italien der vergangenen 40 Jahre. Vor allem die erste Halbzeit verdient einen Ehrenplatz in der Horrorgalerie der 'Azzurri'", spottete die Zeitung "La Repubblica": "Ein erbärmliches Ergebnis. Nun muss man mit dem Aus rechnen."

Cannavaro reagiert empfindlich auf Kritik

Die Reaktionen nach dem schlimmsten WM-Ergebnis seit der sensationellen Pleite gegen Nordkorea 1966 (0:1) wirkten teilweise hanebüchen und grotesk. Lippi verwies sogar darauf, dass man auch beim WM-Sieg 1982 mit drei Unentschieden die Vorrunde überstanden hatte. Torschütze Vincenzo Iaquinta (29., Foulelfmeter) versicherte fröhlich, dass Italien erst in der zweiten Turnierphase gut spielen werde, "wenn auch die Gegner stärker sind".

Kapitän Fabio Cannavaro, der nur noch ein Schatten des Weltklasseverteidigers von 2006 ist, reagierte auf die Kritik nach seinem groben Schnitzer vor dem 0:1 durch Shane Smeltz (7.) wie ein kleines Kind. "Okay, auch diesmal ist alles meine Schuld", sagte die "lebende Ansammlung von Fehlern" ("Tuttosport") schnippisch: "Ich bin es gewohnt, dass man mich für alle Probleme der Nationalmannschaft verantwortlich macht."

Was diesmal aber nicht stimmt, denn ein Großteil der Kritik konzentrierte sich auf Lippi. Der 62-Jährige, der sein Amt nach der WM abgeben wird, könnte sich mit der schlimmsten Blamage in der an Höhepunkten reichen Fußball-Geschichte Italiens verabschieden. Vor dem Abflug nach Südafrika hatte er - offenbar in weiser Voraussicht - bereits Freunden Bescheid gegeben, in einem laufenden Boot vor der Küste zu warten, um im Falle eines Desasters schnell verschwinden zu können. Verbandspräsident Giancarlo Abete stärkt Lippi momentan aber noch den Rücken.

Presse verbreitet Untergangsstimmung

"Lippi, war das schon alles?", fragte die italienische Sporttageszeitung "Gazzetta dello Sport". Und anwortete dann selbst: "Dieser Mannschaft fehlt alles. Wir Meister des Fußballs mit unseren vier WM-Titeln sind von den Rugby-Meistern besiegt worden."

Auch die anderen großen Zeitungen des Landes verbreiteten am Montag Untergangsstimmung. "'Azzurri', was für eine Pein! Dieses Italien ist so schlecht, dass sich die Mannschaft eigentlich nur noch verbessern kann", klagte der "Corriere dello Sport". Der "Corriere della Sera" konstatierte: "Italien ist auf verheerende Weise in die Tiefe gesunken. Besonders besorgniserregend ist Lippis Konfusion."

Der einst so verehrte Coach sprach dagegen von "fehlendem Glück" und riet Fans und Journalisten: "Bleibt alle ruhig und wartet ab." Seine Spieler muss er davon aber erst noch überzeugen. "Wir haben Angst, dass wir nach Hause müssen. Die Slowakei ist keine schlechte Mannschaft", sagte Defensivspieler Claudio Marchisio (Juventus Turin) mit Blick auf das "Endspiel" am Donnerstag.

Neuseeland ist schon jetzt Gewinner

Fakt ist: Die "Squadra Azzurra" von 2010 ist eine Mogelpackung. Zwar stellt Italien den Champions-League-Sieger, doch aus dem Kader von Inter Mailand gehört kein Spieler zum WM-Aufgebot. Und nachdem Lippi in der Offensive auf eine Menge Erfahrung verzichtet hatte (unter anderem Luca Toni, Francesco Totti und Filippo Inzaghi), sind ohnehin nur noch neun Weltmeister dabei. In Andrea Pirlo und Gianluigi Buffon fallen zwei weitere Säulen verletzt aus. Der alternde Gennaro Gattuso hat keine Einsatzchance, Mauro Camoranesi quält sich angeschlagen durch das Turnier.

Auf die Frage, ob er die falsche Auswahl getroffen habe, reagierte der Trainer gereizt: "Sie stellen die Frage eine Woche zu früh. Aber wir haben kein Phänomen zu Hause, das alle unsere Probleme lösen könnte."

Die Neuseeländer sind dagegen jetzt schon Gewinner. "Das ist das größte Ergebnis, das wir je erzielt haben. Ein wahres Fußball-Märchen", sagte Trainer Ricki Herbert: "Alle, die gesagt haben, dass wir hier nicht hingehören, müssen ihre Geschichten nun neu schreiben."