Charly Körbel leitet die Fußballschule von Eintracht Frankfurt
Charly Körbel leitet die Fußballschule von Eintracht Frankfurt

"Das ist außergewöhnlich!"

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München - Mit 602 Bundesliga-Einsätzen hält Karl-Heinz Körbel den Rekord in der deutschen Eliteliga. Der "treue Charly", der sämtliche Spiele im Trikot von Eintracht Frankfurt bestritt, ist heute noch im Club aktiv und leitet die Fußballschule des hessischen Traditionsclubs. Im Gespräch mit bundesliga.de bewertet Körbel die herausragende Vorrunde des Aufsteigers, die mit einem endete, und spricht über Überraschungen und Enttäuschungen in der Bundesliga.

bundesliga.de: Herr Körbel, die Hinrunde ist zu Ende - und die Eintracht tummelt sich unter den besten vier Mannschaften. Hand aufs Herz: Hatten Sie erwartet, dass es für Ihren Verein so gut laufen wird?

Karl-Heinz Körbel: Ich glaube, das war für alle im Verein ein Wunschdenken, dass es so laufen würde. Das Ziel lautete, dass man nicht absteigt - und so ist es ja immer noch. Egal wie, wir wollten und wollen unbedingt den Klassenerhalt schaffen. Aber man hatte schon in der Vorbereitung das Gefühl, dass es eine gute Saison werden kann. Das erste Anzeichen war das Spiel gegen Leverkusen, wo wir gegen einen Mitfavoriten um den Titel nicht nur gewannen, sondern auch fußballerisch mithalten konnten. Das war für mich die größte Überraschung, wo ich mir sagte "Hoppla, was passiert da?" Wenn du diese wahnsinnigen Spiele in der 2. Bundesliga gesehen hast, wo du dich fragen musstest, was das für ein Fußball war, und dann siehst, wie du gegen Leverkusen auftrittst - da habe ich mich schon gefragt, ob das nur Zufall war.

bundesliga.de: Dann kamen aber die nächsten Erfolge gleich hinterher...

Körbel: Genau! Anschließend haben wir in Hoffenheim und gegen den HSV gewonnen (Frankfurts Ergebnisse). Spätestens dann war klar, dass der Sieg gegen Leverkusen kein Zufall war, sondern das wir auch fußballerisch mit den Clubs aus der Bundesliga mithalten konnten.

bundesliga.de: Was hat Eintracht-Trainer Armin Veh alles richtig gemacht?

Körbel: Nicht nur Armin Veh, auch Sportdirektor Bruno Hübner hat einen großen Anteil am derzeitigen Erfolg. Ich bekomme das ja mit, wie sie jeden Tag hier arbeiten, das ist kein Zufall! Wenn man nur sieht, wie zum Beispiel ein Stefan Aigner hier eingeschlagen hat, von dem einige vor der Saison sagten "Was wollen die denn mit dem?" Und jetzt macht er sogar noch Tore! Oder ein Takashi Inui, über den Friedhelm Funkel vor dem Leverkusen-Spiel gesagt hat, er sei nur ein Zweitligaspieler. Man muss eben auch das Glück haben, dass es passt - und das hatten wir!

bundesliga.de: Es passte also alles zusammen...

Körbel: So ist es! Wir hatten eine super Vorbereitung, die Mannschaft ist topfit, wir haben kaum Verletzte. Armin Veh hat seine Mosaiksteinchen immer wieder ein bisschen zusammengebaut: Er hat den Meier stark gemacht, ihm die Kapitänsbinde gegeben. Sebastian Jung kam auf einmal wieder, und über Sebastian Rode und Pirmin Schwegler brauchen wir gar nicht sprechen. Dann hast du das Glück mit Kevin Trapp, einen außergewöhnlich guten Torwart zu haben, nachdem wir in den vergangenen Jahren vergeblich versucht hatten, einen Nachfolger für Oka Nikolov zu finden.

bundesliga.de: Was muss die Eintracht in der Winterpause tun, um sich für die Rückrunde zu wappnen?

Körbel: Das Entscheidende wird sein, Unruhe zu vermeiden. Das Wichtigste ist deshalb, dass der Verein so schnell wie möglich mit Armin Veh verlängert. Ansonsten könnten Spekulationen über seinen Wechsel aufkommen - und das gilt es unbedingt zu verhindern. Außerdem müssen wir in der Winterpause noch einen Abwehrspieler und einen Stürmer holen, um den Kader sinnvoll zu verstärken.

bundesliga.de: Was erwarten Sie in der Rückrunde? Wird die Eintracht ihren Lauf fortsetzen oder befürchten Sie ein ähnliches Abrutschen wie vor zwei Jahren als man fast genauso viele Punkte nach der Vorrunde auf dem Konto hatte und dann absteigen musste?

Körbel: Ich glaube, das passiert einem nur einmal. So dumm kann man normalerweise nicht sein, mit 26 Punkten aus der Vorrunde noch abzusteigen (lacht). Aber es gibt ein ungeschriebenes Gesetz, dass man nichts erwarten kann, wenn man nichts dafür tut. Und genau das ist vor zwei Jahren passiert, als wir uns ausgeruht und nichts dafür getan haben. Im Fußball läuft aber nichts ohne Arbeit - und genau das ist das Erfolgsgeheimnis des kompletten Trainerteams unter Armin Veh. Dass sie nämlich so eine akribische Arbeit leisten, was sich beispielsweise in einer unglaublich fitten Mannschaft zeigt. Das ist schon außergewöhnlich.

bundesliga.de: An der Spitze der Liga thronen die Bayern, die bislang die Konkurrenz in Grund und Boden gespielt haben. Können Sie sich vorstellen, dass mit der Meisterschaft des FCB noch etwas schiefgeht?

Körbel: Nein, das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen (Bayerns Ergebnisse). Man muss eher noch aufpassen, dass der Vorsprung der Bayern nicht noch größer wird. Die Bayern sind doppelt und dreifach besetzt mit einer außergewöhnlichen Qualität. Da müsste schon alles schieflaufen - und selbst dann kann man es sich kaum vorstellen, dass die Bayern nicht Meister werden. Viel eher ist es möglich, dass sie schon sechs oder sieben Spiele vor Saisonende als Meister feststehen.

bundesliga.de: Wie bewerten Sie die Hinrunde von Borussia Dortmund?

Körbel: Ich bin ein großer Fan des BVB. Mir macht es einfach Spaß, mit welcher Leidenschaft und Frische sie spielen - und wir versuchen ja auch, ihren Stil zu kopieren. Natürlich sind sie schwer in die Saison gekommen (Dortmunds Ergebnisse), aber vor allem in der Champions League haben sie bewiesen, dass sie auch reifer geworden sind - allerdings auf Kosten der Ergebnisse in der Bundesliga. Sie müssen sich noch an die Doppelbelastung gewöhnen, da hat ihnen der FC Bayern einige Jahre voraus. Aber Dortmund ist ein Vorzeigeclub der Bundesliga, da mache ich mir keine Gedanken, dass sie einbrechen könnten. Dafür haben sie zu viel Potenzial.

bundesliga.de: Wer ist - neben Frankfurt - die Überraschungsmannschaft der bisherigen Saison?

Körbel: Für mich ganz klar der SC Freiburg! Was die mit ihren Möglichkeiten rausholen, wie sie mit Leidenschaft spielen - alle Achtung! Da muss ich wirklich den Hut ziehen, wie sie es immer wieder schaffen, sich Jahr für Jahr zu etablieren (Freiburgs Ergebnisse), obwohl sie vor der Saison regelmäßig als Abstiegskandidat gehandelt werden. Das muss einfach belohnt werden, dass sie in der Liga bleiben!

bundesliga.de: Und wer hat bislang besonders enttäuscht?

Körbel: Die größte Enttäuschung für mich - zumal es auch noch mein Einzugsgebiet ist - ist Hoffenheim. Es hat sich in den letzten beiden Jahren herauskristallisiert, dass sich der Kader durch viele falsche Personalentscheidungen nicht in die richtige Richtung entwickelt hat. Ich komme aus Heidelberg und habe das Wunder von Hoffenheim von Beginn an mitbekommen. Es ist schon überraschend, dass sie nach der Arbeit von Ralf Rangnick ein bisschen von ihrem Weg abgerückt sind und einen anderen Weg eingeschlagen haben. Ich verstehe nicht, dass es trotz ihrer tollen Jugendarbeit, so wenige Talente nach oben schaffen.

Das Gespräch führte Johannes Fischer