Calmund und Schneider nach dem verlorenen Champions- League-Finale im Mai 2002
Calmund und Schneider nach dem verlorenen Champions- League-Finale im Mai 2002

"Da wird man wehmütig"

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1999 lotste Reiner Calmund als Manager von Bayer 04 Leverkusen Bernd Schneider von Eintracht Frankfurt an den Rhein.

In Leverkusen wurde Schneider Nationalspieler. Nur wenige Menschen kennen Schneider so gut wie Calmund. Im exklusiven Interview mit bundesliga.de äußert sich die Managerlegende zum Karriereende des 81-maligen Nationalspielers.

bundesliga.de: Herr Calmund, Bernd Schneider hat bekannt gegeben, dass er seine aktive Spielerkarriere beenden muss. Wie haben Sie die Nachricht aufgenommen?

Reiner Calmund: Das ist natürlich ein Tag, an dem man wehmütig wird. Der Bernd Schneider war immer ein einfacher, bodenständiger Typ, einer der auch nach 80 Länderspielen immer für die Fans da war, ein Spieler zum Anfassen. Er ist immer auf dem Boden geblieben. Jetzt kam leider die Verletzung, auch die biologische Uhr tickte weiter. Seine Entscheidung muss man akzeptieren. Aber man wird wehmütig, wenn ein so großartiger Fußballer und wunderbarer Mensch die Fußballbühne verlässt. Von seiner Sorte gibt es nur ganz wenige.

bundesliga.de: Was hat ihn als Fußballer ausgezeichnet?

Calmund: Bernd Schneider war immer ein Instinktfußballer, den man im defensiven Mittelfeld bringen konnte, im offensiven, zentral oder auf der rechten Seite. Er konnte Haken schlagen wie kaum ein anderer, hatte eine sensationelle Technik. Er hatte den Blick für den Mitspieler und konnte sie immer wieder mit einem feinen Pass freispielen. Er konnte aber auch unter Druck den Ball halten. Er war ein ganz feiner Spieler und netter Kerl.

bundesliga.de: Wenn Sie an ihn denken, welche Spiele bleiben Ihnen vor allem in Erinnerung?

Calmund: Sein sportlicher Höhepunkt war die WM 2002, als er sogar von den Brasilianern in den höchsten Tönen gelobt wurde. Gut, im Finale hat Ronaldo zwei Tore gegen Deutschland geschossen. Aber ansonsten war Bernd Schneider der beste Mann auf dem Platz und bekam zurecht seinen Spitznamen "weißer Brasilianer". Das ist ihm nie zu Kopf gestiegen. Ich hätte mir nur noch gewünscht, dass er beim Pokalfinale gegen Werder Bremen noch einmal bei einer Bayer-Führung zum Einsatz gekommen wäre und am Ende den Pokal in den Händen gehalten hätte.

bundesliga.de: Sie waren viele Jahre lang als Manager von Bayer Leverkusen sein Chef und mussten mit ihm Verträge aushandeln. Was für eine Beziehung haben Sie zu ihm gehabt?

Calmund: Ich habe ihn 1999 nach Leverkusen geholt. Ich habe noch immer eine enge Beziehung zu ihm, hatte ihn im vergangenen Jahr zur EM eingeladen. Ich habe mich mit ihm auch schon mal gestritten. Wir hatten gute und schlechte Momente, aber unter dem Strich haben wir uns sehr geschätzt. Er ist ein echter Sympathikus.

bundesliga.de: Es hat in Leverkusen eine Weile gedauert, bis er unumstrittener Stammspieler im Verein wurde.

Calmund: Kurz nachdem er zu uns kam, wurde er auch kurzzeitig Nationalspieler. Ich erinnere mich an den Abschluss der Saison 2000/01, als wir nach Saisonende mit Bayer Leverkusen eine Reise in die USA unternommen haben und gegen den US-Meister Washington ein Freundschaftsspiel absolvierten. Da fehlten unsere Nationalspieler wie Ballack und Nowotny, die noch WM-Qualifikationsspiele bestreiten mussten. Bernd Schneider hat die Reise nach Amerika mitgemacht und sich um unsere vielen jungen Spieler gekümmert, die wir mitgenommen haben, um den Kader aufzufüllen. Er hat sie auf dem Platz und auch außerhalb vorbildlich geführt. Da habe ich ihm gesagt: "Bernd, eigentlich musst Du auch bei der Nationalmannschaft sein. Da gehörst Du hin. Versuch , die gute Stimmung in die neue Saison rüberzunehmen."

bundesliga.de: Das ist ihm dann ja auch gelungen. Unter dem neuen Trainer Klaus Toppmöller ist er dann richtig aufgeblüht und hat auch seinen internationalen Durchbruch geschafft.

Calmund: Richtig. Der Klaus Toppmöller hat ihm entscheidend geholfen. Da hat der Bernd gemerkt, dass der Trainer auf ihn setzt. Die Spieler brauchen das Vertrauen des Trainers. Und Bernd blühte auf und wurde von allen anerkannt, auch von unseren brasilianischen Nationalspielern. Die Saison wurde dann ein Selbstläufer für ihn und endete schließlich im WM-Finale.

bundesliga.de: Was wünschen Sie ihm für die Zukunft, was wird er jetzt machen?

Calmund: Jetzt wird er wohl ein bisschen in die Scouting-Abteilung von Bayer reinschnuppern. Aber ich bin mir sicher, dass er in ein oder zwei Jahren seine Zelte in Leverkusen abbrechen und wieder in seine Heimat nach Jena zurückgehen wird. Er hat da für die Familie etwas gebaut und war schon immer sehr heimatverbunden.

Das Gespräch führte Tobias Gonscherowski