Christian Wörns bestritt 66 Länderspiele für Deutschland und war Profi in Leverkusen und Dortmund
Christian Wörns bestritt 66 Länderspiele für Deutschland und war Profi in Leverkusen und Dortmund

Wörns: "Dortmund hat keine richtigen Schwächen"

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Köln - Mit Leverkusen wurde er 1993 Pokalsieger, mit Dortmund gewann er 2002 die Meisterschaft. Christian Wörns hat noch heute Sympathien für seine beiden Ex-Vereine, für die er über 450 Bundesliga-Spiele bestritt. Im Interview mit bundesliga.de analysiert der frühere Innenverteidiger, der aktuell die zweite Mannschaft des FC Augsburg coacht, die Stärken und Schwächen von Bayer Leverkusen und Borussia Dortmund, die am Sonntag im Topspiel aufeinander treffen.

"Leverkusen wird so pressen wie gegen die Bayern"

bundesliga.de: Herr Wörns, das Topspiel des 22. Spieltags bestreiten am Sonntag Ihre beiden Ex-Vereine Bayer 04 Leverkusen und Borussia Dortmund. Der Dritte empfängt den Zweiten. Allerdings liegen 13 Punkte zwischen den beiden Clubs. Wie erklären Sie sich diesen Abstand?

Christian Wörns: 13 Punkte sind schon einmal eine Hausnummer. Das liegt daran, dass Borussia Dortmund in dieser Saison sehr konstant spielt. Leverkusen hat eine tolle Mannschaft, die an einem guten Tag jeden Gegner in der Bundesliga schlagen kann. Aber sie sind in ihren Leistungen nicht so konstant wie der BVB.

bundesliga.de: Sind Sie ein bisschen überrascht, wie gut Dortmund das schwächere letzte Jahr abgeschüttelt hat und durchgestartet ist?

Wörns: Nein, das hat sich bereits in der Rückrunde der letzten Saison angedeutet. Schon da spielte der BVB einen guten Fußball und erzielte auch gute Ergebnisse. Zudem haben sie mit Thomas Tuchel einen Toptrainer verpflichtet, der neue Impulse gesetzt hat. Unter den Einzelspielern der Borussia sind außerdem einige schwere Kaliber dabei.

bundesliga.de: Wenn Sie als ehemaliger Topverteidiger der Bundesliga die geballte Dortmunder Offensivpower mit Pierre Emerick Aubameyang, Marco Reus und Henrikh Mkhitaryan betrachten: Wie kam man diese Offensive stoppen?

Wörns: Das ist eine Philosophiefrage. Entweder man versucht Borussia Dortmund bereits konsequent am Spielaufbau zu stören, damit die Stürmer gar nicht erst ins letzte Drittel hineinkommen. Oder man stellt sich komplett hinten rein und verteidigt auf Teufel komm raus. Das wird Leverkusen vermutlich nicht machen. Roger Schmidt hat seine Mannschaft ja eher offensiv ausgerichtet. Bayer 04 wird sicher so pressen, wie sie es gegen Bayern München vor zwei Wochen auch gemacht haben.

bundesliga.de: Wo haben die Dortmunder ihre Schwächen?

Wörns: Sie haben keine richtigen Schwächen. Sie spielen gut gegen den Ball, sie sind stark im Spielaufbau. Wenn sie Gegentore bekommen, sind meistens gravierende individuelle Fehler vorangegangen. Man muss schon einen guten Tag erwischen, um Dortmund zu knacken. Unter Jürgen Klopp hatte der BVB sehr viel Erfolg über gelungene Umschaltaktionen bei Ballgewinn. Tuchel lässt ähnlich spielen, geht aber mehr über den Ballbesitz.

"Die Meisterschaft wird für den BVB schwierig"

bundesliga.de: Trauen Sie dem BVB zu, an den Bayern dranzubleiben und ihnen vielleicht sogar noch gefährlich zu werden? Die Bayern haben noch schwere Auswärtsspiele in Wolfsburg oder Dortmund vor sich und im Moment auch diverse Verletzungsprobleme.

Wörns: Es liegt an den Bayern. Im Moment sind sie in der Bundesliga sehr souverän und gefestigt. Wenn sie keine Federn mehr lassen, wird es bei den acht Punkten Vorsprung schwierig. Dortmund dürfte sich nichts mehr erlauben und müsste alles gewinnen. Aus meiner Sicht wird das schwierig.

bundesliga.de: Bayer 04 Leverkusen hat jetzt Platz 3 übernommen. Ist die Werkself sozusagen "The Best of the Rest"?

Wörns: Nach den beiden Topmannschaften aus München und Dortmund ist das Feld viel enger beisammen. Leverkusen hat nur drei Punkte Vorsprung auf den Siebten Mönchengladbach. Bayer 04 hat sich den 3. Platz über eine kleine Serie gesichert. Aber die Mannschaft muss konstanter werden. Jetzt fehlt ihnen Chicharito. Der ist ein ganz wichtiger Spieler für Leverkusen, auch wenn sie Spieler wie Julian Brandt in der Hinterhand haben. Für zwei, drei Spiele können sie den Ausfall kompensieren. Wenn Leverkusen wieder in die Champions League einziehen will, müssen sie weiter siegen.

"Chicharito ist eine Bereicherung für die Bundesliga"

bundesliga.de: Wie bewerten Sie Chicharito?

Wörns: Ich sehe ihn unheimlich gerne Fußball spielen. Er passt gut zu Stefan Kießling und ist eine richtige Bereicherung für die Bundesliga. Er ist ein quirliger Spieler, der auch Tore vorbereiten kann. Er ist nahezu komplett.

bundesliga.de: Kann Leverkusen Platz 3 bis zum Saisonende verteidigen?

Wörns: Ich traue es der Werkself zu, weil sie gute Einzelspieler hat. Aber sie müssen auf der Hut sein. Schalke, Gladbach oder Wolfsburg werden nicht locker lassen. Der Kampf um die Champions-League-Plätze wird noch sehr spannend.

bundesliga.de: Wie lautet Ihr Tipp für Sonntag?

Wörns: Ich tippe als Ex-Spieler beider Vereine ganz diplomatisch auf Unentschieden.

Das Gespräch führte Tobias Gonscherowski