Carsten Jancker stand von 1996 bis 2002 beim FC Bayern unter Vertrag
Carsten Jancker stand von 1996 bis 2002 beim FC Bayern unter Vertrag

"Chancen stehen fifty-fifty"

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München - Wenn am Dienstag der FC Bayern im Hinspiel des Champions-League-Halbfinales Real Madrid zu Gast hat (ab 20:30 Uhr im Live-Ticker), werden bei Carsten Jancker Erinnerungen wach. Zwei Mal stand der bullige Ex-Stürmer für die Münchner auf dem Platz, als es zu Beginn des Jahrtausends gegen die "Königlichen" ging - und beide Male ging es um den Einzug ins Champions-League-Finale.

Im Mai 2000 traf Jancker zwar im Halbfinal-Rückspiel beim 2:1-Sieg der Bayern, doch nach dem 2:0-Sieg der Madrilenen eine Woche zuvor zogen die Spanier ins Finale ein. In der darauffolgenden Saison wurde Jancker beim 1:0-Hinspiel-Sieg in Madrid eingewechselt, stand aber beim 2:1-Erfolg im Olympiastadion nicht auf dem Platz. Beim Finalsieg gegen Valencia nach Elfmeterschießen kam der Angreifer nach dem Seitenwechsel zum Einsatz und durfte den süßen Triumph auf dem Platz auskosten.

Im bundesliga.de-Interview blickt der heute 37-Jährige, der aktuell als Nachwuchstrainer bei Rapid Wien tätig ist, auf die Duelle gegen Real zurück, vergleicht die damalige Mannschaft mit dem jetzigen FCB-Team und wagt eine Prognose für das anstehende Halbfinale.

bundesliga.de: Herr Jancker, am Dienstag trifft der FC Bayern im Halbfinale auf Real Madrid. Wissen Sie schon, wo Sie das Spiel verfolgen werden?

Carsten Jancker: Vor dem Fernseher. Ins Stadion schaffe ich es leider nicht.

bundesliga.de: Sind Sie noch emotional bei der Sache, wenn Sie Ihr altes Team sehen?

Jancker: Keine Frage. ich habe sechs Jahre lang in München gespielt, da ist es klar, dass ich mit Bayern mitfiebere.

bundesliga.de: Sie selbst standen mit den Bayern zwei Mal gegen Real im Halbfinale. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Spiele?

Jancker: Die Duelle waren immer sehr spannend und emotional, aber auch sehr hart. Mir hat es immer riesigen Spaß gemacht - vor allem auch in Madrid. Einmal mit schlechtem Ausgang, einmal mit gutem Ausgang.

bundesliga.de: Sie selbst haben beim ersten Duell in der Saison 1999/2000 den Führungstreffer im Rückspiel erzielt...

Jancker: Ja, ich kann mich noch erinnern. In der Anfangsphase habe ich getroffen - und bis dahin war alles noch in Ordnung. Wir mussten damals einen 2:0-Rückstand aufholen, haben es aber nicht geschafft, weil Anelka noch in der ersten Halbzeit den Ausgleich erzielte. Am Ende haben wir 2:1 gewonnen, es hat aber nicht gereicht. Das war umso bitterer, nachdem wir im Jahr zuvor so unglücklich gegen Manchester United das Finale verloren haben.

bundesliga.de: Ein Jahr später hat es dann geklappt...

Jancker: Ja, zum Glück. Wir haben beide Spiele gegen Real gewonnen und im Finale Valencia besiegt.

bundesliga.de: Was macht den besonderen Reiz solcher Spiele aus?

Jancker: Real ist immer eine Spitzenmannschaft, egal in welchem Jahr man auf sie trifft. Sie sind ein Mythos, mit großen Spielern. Und wenn es gegen den FC Bayern geht, dann treffen sich eben zwei große Vereine auf Augenhöhe. Das macht den Reiz aus, sich mit den Besten zu messen.

bundesliga.de: 2001 standen beim FCB noch Leute wie Oliver Kahn oder Stefan Effenberg auf dem Rasen. Fehlt solch ein Leadertyp dem heutigen Bayern-Team vielleicht?

Jancker: Sie haben ja einen - aber der war lange verletzt. Für mich ist Bastian Schweinsteiger ein Führungsspieler, der durch die Ausfallzeit natürlich noch nicht bei einhundert Prozent ist. Klar ist aber auch, dass ein Stefan Effenberg oder ein Mark van Bommel den Bayern auch in der heutigen Zeit gut tun würden.

bundesliga.de: Die spanischen Medien bauen im Vorfeld oftmals ein Feindbild auf, schreiben vom FC Bayern als "Bestia negra", also der "Schwarzen Bestie". Merkt man diese feindselige Stimmung auch auf dem Rasen?

Jancker: Die Medien brauchen gar keine Zusatzmotivation zu liefern. Wenn man beim Spiel zwischen Real und Bayern nicht selbst einhundert Prozent motiviert ist, ist man fehl am Platz.

bundesliga.de: Wenn Sie die Bayern-Mannschaft von 2001 mit der heutigen vergleicht - welche schätzen Sie stärker ein?

Jancker: Das ist immer schwierig, ich finde das kann man nicht vergleichen. Wir hatten damals eine sehr gute Mannschaft, genau wie das jetzige Team. Sicher ist: Beide Mannschaften haben große Qualitäten.

bundesliga.de: Wenn Sie tippen müssten - wer wäre dann Ihr Favorit im Kampf ums Finale?

Jancker: Wenn ich die Bayern-Brille ablege, dann würde ich die Chancen als fifty-fifty bezeichnen. Es kommt ganz darauf an, wie die Bayern die Niederlage gegen Dortmund verdauen. Wenn sie die Enttäuschung und Wut über den in positive Energie ummünzen, dann stehen die Chancen gut, dass sie ins Finale einziehen.

bundesliga.de: War es vielleicht ganz gut, dass noch das Mainz-Spiel dazwischen lag?

Jancker: Das ist eine hypothetische Frage. Zum Frust-Abbauen kann es ganz hilfreich gewesen sein. Allerdings war .

bundesliga.de: Werden Sie beim Endspiel im Stadion sein, falls der FC Bayern ins Finale kommt?

Jancker: Ich werde auf jeden Fall in der Allianz Arena sein - und hoffe natürlich, dass die Bayern es schaffen werden.

Das Gespräch führte Johannes Fischer