- © © gettyimages / Manuel Queimadelos Alonso
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Carlo Ancelotti kann es kaum erwarten zu starten

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München - Es gibt viele Dinge, die Italien und Spanien verbinden: Sonne, Strand, Meer, guter Wein, auch die häufig temperamentvollen Menschen gehören dazu. Pep Guardiola, der spanische Ex-Coach des FC Bayern München war so einer. Sein italienischer Nachfolger Carlo Ancelotti ist es auch, aber auf ganz andere Art und Weise. Beide verbindet die Liebe zum Fußball, ansonsten sind sie grundverschieden.

Ein argwöhnischer Blick, ein freundlicher Gruß

Größer hätte der Umbruch auf der Trainerposition beim Deutschen Meister eigentlich nicht sein können. Auf der einen Seite Guardiola. Der Unnahbare, der Asket, der Disziplinfanatiker. Auf der anderen Seite Ancelotti. Der Weltmann, der Genießer, der nette Onkel von nebenan. Doch so verschieden Guardiola und Ancelotti auch sind, auf dem Platz sind sie absolute Erfolgstrainer. Genau deshalb hat der FC Bayern im Italiener wohl den perfekten Nachfolger für den Spanier gefunden. Am Montag tritt er offiziell seinen Dienst an der Säbener Straße an.

Keine Angst vor Erwartungsdruck

Gelandet ist Carlo Ancelotti in München schon am Donnerstagabend. Gut eine Stunde vor Anpfiff des Halbfinals zwischen Deutschland und Frankreich verließ er den Terminal 1C des Münchener Flughafens. Graue Weste, schwarzer Pullover, vor sich ein Kofferkuli mit seinem Gepäck. Ancelotti wirkt etwas überrascht, als er das wartende Kamerateam eines deutschen Spartensenders erblickt, bleibt aber total cool. Erst ein argwöhnischer Blick, dann ein freundlicher Gruß. Sogar ein paar Worte auf Deutsch kommen über seine Lippen: "Mein Deutsch? Gut. Aber schwer." Wenig später steigt er in einen schwarzen Mini-Van und verschwindet. Es wirkt, als sei der 57-Jährige durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Man bekommt genau den Eindruck, den er auch in seiner Autobiografie vermittelt.

"Mein Arsch ist erdbebensicher", schreibt der Italiener dort. Ab Montag kann er beweisen, ob er auch die traditionell heftigen Erschütterungen beim Deutschen Rekordmeister aushält. Mit dem Trainingsauftakt startet eine neue Ära in München. Natürlich liegt der Fokus des FC Bayern auch weiterhin auf der Bundesliga. Ancelotti soll aber auch das verwirklichen, was seinem Vorgänger Pep Guardiola in den vergangenen drei Jahren nicht gelungen war: den Triumph in der Champions League.

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Vor dem hohen Erwartungsdruck hat der Erfolgstrainer "keine Angst". Das dürfte nicht verwundern, schließlich war dieser bei seinen ehemaligen Vereinen FC Chelsea, Real Madrid, Paris St. Germain oder AC Mailand kein bisschen geringer. Vor der deutschen Sprache habe er aber Respket, ließ er unlängst verlauten. Er lerne zwar eifrig, aber er könne "bestätigen, dass es nicht einfach ist". Dennoch wolle der Italiener gleich bei seinem ersten öffentlichen Auftritt in München versuchen, "etwas Deutsch zu sprechen. Ob mich einer versteht, ist eine andere Frage". Die Reporter am Münchener Flughafen können bestätigen: Er ist zu verstehen, auch wenn er nicht viel gesagt hat.

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Trainer-Spieler-Beziehung aufbauen

Hauptsache seine Stars verstehen ihn in den kommenden drei Jahren. Angesichts von vier Sprachen (Italienisch, Spanisch, Französisch, Englisch) die er schon jetzt fließend spricht, dürfte die Sprachbarriere aber wohl seine geringste Sorge sein. Im Vordergrund stehe von Beginn an, "eine gute Trainer-Spieler-Beziehung herzustellen und darüber die eigenen Ideen vermitteln zu können", betonte er. Er wolle seine Spieler überzeugen, "Sachen einfach durchzudrücken ist nie gut". Auch hier unterscheidet Ancelotti sich deutlich von seinem Vorgänger.

Guardiola wurde nachgesagt, nur zu wenigen seiner Spieler eine wirklich enge Beziehung aufgebaut zu haben. Er hatte den totalen Respekt der ganzen Mannschaft - keine Frage. Aber so richtig geliebt wurde der Spanier nur von wenigen Spielern. Musste er auch nicht. Der Erfolg gibt ihm recht. Was hingegen über Ancelotti gesagt wird, ist das vollkommene Gegenteil.

"Er ist der beste Trainer der Welt"

"Die Tür zu seinem Büro war immer auf, er hat sich immer Zeit genommen“, sagte Sami Khedira, der unter Ancelotti von 2013 bis 2015 bei Real Madrid spielte. "Er gibt einem das Gefühl, man werde Teil seiner Familie", beschreibt Superstar Cristiano Ronaldo Ancelottis Umgang mit seinen Schützlingen. Und auch Zlatan Ibrahimovic, der bekannt dafür ist, nicht gerade "pflegeleicht" für seine Coaches zu sein, sagte einmal: "Er ist der beste Trainer der Welt." Dem in Reggiolo geborenen Ancelotti eilt ein Ruf voraus.

Wo der Katalane Guardiola seine Philosophie stets über den Einzelnen stellte, steht bei Ancelotti der Spieler im Vordergrund. Seine Art sei "differenzierter", meinte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge diplomatisch. Dennoch will Ancelotti beim Rekordmeister "nicht zu viel verändern", sondern auf dem Wirken seines Vorgängers aufbauen. Immerhin habe "Pep in München tolle Arbeit geleistet".

"Ironisch und selbstironisch"

Aber Ancelotti, der als Trainer und Spieler mit Real Madrid und dem AC Mailand insgesamt fünfmal den wichtigsten europäischen Titel gewonnen hat, weiß, dass von ihm noch mehr erwartet wird. Es gehe "natürlich immer darum, es in der kommenden Saison noch besser zu machen. Ich habe jede Menge Arbeit vor mir. Ich muss schließlich versuchen, die tolle abgelaufene Saison noch zu toppen", sagte er.

Einzig Mats Hummels von Borussia Dortmund und den portugiesischen Jungstar Renato Sanches von Benfica Lissabon transferierte der FC Bayern in der Sommerpause, weitere Neuzugänge sollen nicht mehr geplant sein. Ihm stehe ein "fantastischer Kader" zur Verfügung, so Ancelotti, der eine ganz besondere Art besitzt, Dinge zu regeln. "Er besitzt die Ausgewogenheit und Ruhe, die typisch für Personen aus Familien sind, die das Land bearbeiten", sagte beispielsweise Arrigo Sacchi über den in der Emilia-Romagna geborenen Bauernsohn. Sacchi ist Lehrmeister und Mentor des neuen Bayern-Trainers, den er "ironisch und selbstironisch" nennt.

Zur Gemütlichkeit neigender Pragmatiker

Ancelotti gilt als gelassenster Vertreter der Riege internationaler Top-Trainer, als Spielerversteher. Die stets gehobene linke Augenbraue verleiht ihm wie Don Corleone aus seinem Lieblingsfilm "Der Pate" den nötigen Schuss Autorität. "Er ist wie ein großer Bär, ein genialer Typ", lobte Superstar Cristiano Ronaldo seinen Ex-Coach. Bei Ronaldos Real Madrid, bei Milan, Chelsea oder Paris hielt es der zur Gemütlichkeit neigende Pragmatiker immerhin mit Bossen wie Silvio Berlusconi, Roman Abramowitsch oder Florentino Pérez aus.

In München hat er es vorwiegend mit Karl-Heinz Rummenigge, der den Neuen als "Taktikfuchs" würdigte, zu tun. Es sei wichtig, "zu verstehen, wie so ein Fußball-Club funktioniert", betonte Ancelotti. Er freue sich auf jeden Fall "riesig" auf seine neue Aufgabe, ein neues Land, eine neue Liga, neue Leute: "Ich kann es kaum erwarten."

Dennis-Julian Gottschlich / SID