Fabio Capello trainiert seit Dezember 2007 die englische Nationalmannschaft
Fabio Capello trainiert seit Dezember 2007 die englische Nationalmannschaft

Capello will (noch) nicht "abhauen"

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Nach der schlimmsten Demütigung in der englischen WM-Geschichte war der Schuldige schnell gefunden. "Die Zeit ist abgelaufen, Fab", titelte das Boulevardblatt "The Sun" nach der historischen 1:4 (1:2)-Pleite gegen den Erzrvialen Deutschland und forderte den Rücktritt von Fabio Capello. Doch der Italiener weigert sich - noch.

"Zurücktreten? Nein, nein, ganz bestimmt nicht", sagte der 64-Jährige trotzig und schob die Verantwortung für seine Zukunft als Cheftrainer der englischen Nationalmannschaft seinem Arbeitgeber zu: "Ich möchte mit dem Vorsitzenden sprechen, um zu sehen, ob er Vertrauen in mich hat oder nicht." Schon am Montag sollte es im WM-Quartier in Rustenburg erste Gespräche mit dem für die "Three Lions" zuständigen "Club England Board" geben.

Trennung würde teuer werden

Mit einer schnellen Entscheidung ist aber nicht zu rechnen. "Wir haben Zeit", sagte Capello, "mir müssen warten, bis ich wieder in London bin. Ich muss über alles nachdenken." Auch der englische Verband FA will offenbar nichts überstürzen. Das Problem: Eine Trennung von Capello wird teuer.

Erst kurz vor der WM hatte der Verband eine Klausel aus dem bis 2012 laufenden Vertrag gestrichen, die es beiden Seiten erlaubt hätte, zwei Wochen nach der WM ohne finanzielle Entschädigung auszusteigen.

Gerrard: "Capello bleibt"

Damals befürchtete die FA, Capello könnte als Nachfolger von Jose Mourinho zum Champions-League-Sieger Inter Mailand gehen. Jetzt müsste der Verband dem Italiener eine hohe Abfindung zahlen. Capello verdient umgerechnet 7,3 Millionen Euro im Jahr. Verbandssprecher Adrian Bevington, gleichzeitig Manager im Club England Board, formulierte deshalb extrem vorsichtig: "Unsere Position ist hat sich durch das Spiel nicht geändert."

Kapitän Steven Gerrard meinte gar: "Ich bin sicher, dass Fabio bleibt. Ich persönlich möchte auch, dass er bleibt, denn ich glaube, dass er ein fantastischer Trainer ist."

Falsche Taktik gegen Deutschland

Eine Zukunft dürfte Capello bei den "Three Lions" aber dennoch nicht haben. Zu vernichtend war das öffentliche Echo auf die Demütigung in Bloemfontein. Schon während der höchsten Niederlage der englischen WM-Geschichte verhöhnten Fans den Italiener, als sie seinen ungeliebten Vorvorgänger Sven-Göran Eriksson mit Gesängen feierten.

Für die Presse daheim war Capello trotz des "umgekehrten Wembley-Tores" der Sündenbock. "Hau ab - und nimm deine Spieler mit", forderte die "Sun" und listete die zehn größten Fehler vor und während der WM auf. Die Hauptvorwürfe: Mit seinem sturen Festhalten an der 4-4-2-Taktik spielte er der deutschen Mannschaft in die Karten; Kapitän Steven Gerrard war auf der linken Seite völlig deplatziert und hätte hinter Wayne Rooney als einziger Spitze spielen müssen; die viel zu offensiven Frank Lampard und Gareth Barry entblößten in der Zentrale die Abwehr und ließen Mesut Özil alle Freiheiten.

Heskey statt Bent

Zudem werden Capello personelle Fehlentscheidungen vorgeworfen: Statt den zweitbesten Torschützen der abgelaufenen Premier-League-Saison, Darren Bent vom FC Sunderland, mitzunehmen, setzte er auf Emile Heskey, der in 56 Spielen für Aston Villa und die Nationalmannschaft 2009/10 lediglich sechs Tore erzielte - das letzte am 21. Februar. Den immer wieder geforderten Mittelfeldstar Joe Cole vom FC Chelsea ließ er in Südafrika auf der Ersatzbank schmoren.

"England hat in drei von vier Spielen elend gespielt, keine Tore geschossen und verteidigt wie Idioten - das alles ist seine Verantwortung", urteilte "The Times". Und der "Daily Star" schrieb: "Englands WM endete in einer Katastrophe, mit der beschämendsten Niederlage, die diese stolze Nation jemals erlebt hat. Und Capello muss die Schuld auf sich nehmen."

Durchaus positive Gesamtbilanz

Doch genau das wollte der Italiener, der als Clubtrainer sieben Meistertitel und den Champions-League-Sieg 1994 mit dem AC Mailand verbuchte, nicht. "Wir haben in der gesamten Qualitikation mit diesem System gespielt", sagte er, "damals hat mich keiner danach gefragt." England hatte sich nach neun Siegen in neun Spielen als zweites europäisches Team vorzeitig für die WM in Südafrika qualifiziert. Auch die Gesamtbilanz von Capello kann sich durchaus sehen lassen: 19 Siege, vier Unentschieden und nur fünf Niederlagen stehen seit seinem Amtsantritt im Januar 2008 zu Buche.

Bei der WM jedoch lief für den erfolgsverwöhnten Italiener von Beginn an alles schief. Zunächst zog er im ersten Spiel "Flutschfinger" Robert Green der etatmäßigen Nummer eins David James vor. Dann probten Abwehrchef John Terry und andere Führungsspieler den Aufstand. Und am Ende musste er die schlimmste Pleite der WM-Geschichte verantworten.