Mit dem Projekt "50 Eintrachtler" will Eintracht Frankfurt in seinem Museum auf das Schicksal von jüdischen Sportlern zur NS-Zeit aufmerksam machen
Mit dem Projekt "50 Eintrachtler" will Eintracht Frankfurt in seinem Museum auf das Schicksal von jüdischen Sportlern zur NS-Zeit aufmerksam machen

Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus

xwhatsappmailcopy-link

Frankfurt – In vielen heutigen Clubs der Bundesliga haben jüdische Fans, Spieler und Funktionäre vor dem Zweiten Weltkrieg eine wichtige Rolle gespielt.

Späte Auseinandersetzung mit der Vergangenheit

Die Aufbereitung der Erinnerung an die Menschen, die durch den Nazi-Terror vertrieben und ermordet wurden, ist in jedem gesellschaftlichen Bereich ein schwieriger Prozess. Die Fanszenen der Bundesligisten und die Clubs haben in den letzten Jahren viel dafür getan. Eine starke Wirkung hat zum Beispiel die Aufbereitung bei Eintracht Frankfurt.

Was wäre Eintracht Frankfurt ohne seine jüdischen Wurzeln? Vielleicht gar nicht gegründet worden. Es war unter anderem der Lehrer Walther Bensemann, der die Kickers Frankfurt, einen Vorläuferverein der Eintracht, ins Leben rief. Bensemann war einer der großen Fußballpioniere in Deutschland und gründete auch das Magazin „kicker“ und die Fußballabteilung des MTV München, die der Vorläufer des FC Bayern München war. Die Erinnerung an ihn und viele weitere Juden, die sich um den deutschen Fußball verdient gemacht haben, wurde lange nicht gepflegt.

Denn die Fußballvereine haben sich wie viele andere Institutionen in Deutschland lange nicht mit ihrer Vergangenheit im Dritten Reich auseinandergesetzt. "Bei Eintracht Frankfurt dauerte es bis 1997", erklärt Matthias Thoma, Leiter des Museums von Eintracht Frankfurt, "da erschien das Buch ,Schlappekicker und Himmelsstürmer' von Ulrich Matheja, in dem er auch über die Geschichte der Eintracht während der NS-Zeit schreibt." Der Spitzname Schlappekicker der Frankfurter Spieler kam von der Anstellung eines Teils der Mannschaft in der Schuhfabrik "J. & C. A. Schneider". Die jüdischen Inhaber der Schuhfabrik mussten vor der NS-Diktatur in die USA fliehen.

Das Interesse an dem Thema ist größer geworden

In den vergangenen gut 20 Jahren ist dann eine Menge passiert. "Inzwischen herrscht insgesamt ein anderes Klima, auch in der Bundesliga", sagt Axel Hellmann, Finanzvorstand der Eintracht Frankfurt AG, "es passiert eindeutig mehr als früher. Es war aber auch kein einfacher Prozess, denn die Auseinandersetzung mit dieser Zeit ist schmerzhaft. Nun wird klar und ehrlich damit umgegangen."

Genauso sieht es Museumsleiter Thoma: "Das Interesse an diesem Thema wird immer größer. Die Beschäftigung mit der NS-Zeit hat stark zugenommen. Die Vereine machen das freiwillig und haben die Bedeutung erkannt." Thoma hat sich schon in seiner Diplomarbeit mit dem Thema beschäftigt. Sie trägt den Titel "Wir waren die Judenbubbe" und zeigt auf, welche Bedeutung die Unterstützung von Juden für Eintracht Frankfurt hatte.

Erinnerungskultur aus der Fanszene

Weitere Beispiele für die stärker werdende Erinnerungskultur der letzten Jahre sind die beteiligten Fanszenen, die oft die Initiatoren sind. So wie die "Schickeria" in München bezüglich des Gedenkens an Kurt Landauer, die dafür den diesjährigen Julius-Hirsch-Preis des DFB erhalten hat. In Frankfurt wurde vom Fanprojekt auf dem Stadiongelände ein Denkmal finanziert, das an die Fans erinnert, die wegen der Machtübernahme der Nazis nicht mehr ins Stadion durften oder deportiert und ermordet wurden. Damit soll deutlich gemacht werden, dass Werte wie Offenheit und Toleranz nicht selbstverständlich sind, sondern erarbeitet werden müssen.

Finanziert wurde das Denkmal von der Initiative "Im Gedächtnis bleiben", für die das Frankfurter Fanprojekt 2012 den Julius-Hirsch-Preis erhielt. Außerdem wird von Eintracht Frankfurt jedes Jahr die Patenschaft für einen "Stolperstein" übernommen. Diese Steine werden vor den Häusern von Opfern des Nazi-Regimes verlegt und bilden somit eine bleibende Erinnerung. Diese Aktionen stehen für das Ziel von Matthias Thoma: "Wir wollen eine lebendige Erinnerungskultur und uns dauerhaft mit dieser Zeit beschäftigen. Es soll nicht einmal zum Thema gemacht werden und dann in den Archiven verschwinden."

Lebendige Erinnerung durch Personalisierung

"Bei Eintracht Frankfurt sind wir stolz auf diese Erinnerungskultur von unten", sagt Axel Hellmann, "hier wird nichts von oben initiiert, sondern es kommt direkt aus der Fanszene." Dabei unterstützt der Club die große Vielfalt an Projekten der Fans und Mitglieder der Eintracht sowohl finanziell als auch mit personellen Ressourcen, wie etwa die der Museumsmitarbeiter.

Aktuell arbeitet Thoma an dem Projekt "50 Eintrachtler", bei dem Lebensläufe von jüdischen Spielern und Funktionären von Eintracht Frankfurt veröffentlicht werden. "Gerade die Personalisierung macht die Erinnerung so lebendig", erklärt Thoma. Die Broschüren mit den Lebensläufen werden an Schulen gegeben, denn die Beispiele zeigen, wie Ausgrenzung von Menschen praktiziert wird. Damals und heute. Über die Personalisierung werden im Museum von Eintracht Frankfurt auch Schulklassen an die Schicksale der verfolgten Menschen im Dritten Reich herangeführt. "Wir machen Workshops bei denen die Schüler einen Koffer mit Utensilien von einem Menschen erhalten, anhand dener sie einen Lebenslauf recherchieren und erzählen können. Auf diese Weise wird Geschichte lebendig."

Starke Außenwirkung des Fußballs

Die Bedeutung des Fußballs in diesem Prozess bekräftigt Axel Hellmann: "Fußball hat die größte Strahlkraft in Deutschland und ist damit der beste Träger für eine aktive Erinnerungskultur in unserem Land. Was da in der Fanszene passiert, wird in der Öffentlichkeit sehr stark zur Kenntnis genommen und kann eine aktivierende Wirkung in anderen Bereichen der Gesellschaft haben."

Alexander Dionisius