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Bruno Labbadia kennt den Druck, der auf Trainern im Abstiegskampf lastet... (© Imago)
Bruno Labbadia kennt den Druck, der auf Trainern im Abstiegskampf lastet... (© Imago)

Labbadia: "Alles andere ist Kindergeburtstag"

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München - Der Abstiegskampf findet in dieser Saison ohne Bruno Labbadia statt - und der ehemalige Stuttgarter Coach, der den VfB 2011 vor dem Abstieg rettete, weiß, unter welchem enormen Druck die Trainer im Tabellenkeller stehen. "Das ist eine Kopfanstrengung, eine körperliche Anstrengung, die man sich schlecht vorstellen kann, wenn man nicht selbst drinsteckt", sagt er.

Im Tabellenrechner den Abstiegskampf tippen!

Als Zuschauer verfolgt Labbadia "jeden Spieltag ganz genau. Das wird hochspannend", sagt der zweimalige Deutsche Meister und verweist auf den Spielplan: Im März steigt ein "Abstiegsendspiel" nach dem anderen. Schon am Wochenende treffen in den Spielen Hamburg gegen Frankfurt, Stuttgart gegen Braunschweig und Nürnberg gegen Bremen (Samstag, ab 15 bzw. 18 Uhr im Live-Ticker) fast alle direkten Konkurrenten aufeinander. 

bundesliga.de: Herr Labbadia, von den letzten Sieben in der Tabelle spielen sechs direkt gegeneinander. Im März folgt für die Kandidaten ein "Endspiel" auf das nächste. Vor Kurzem steckten Sie als VfB-Coach selbst noch mittendrin, wie erleben Sie den Abstiegskampf im Moment?

Bruno Labbadia: Ich verfolge jeden Spieltag ganz genau. Jeder kann da unten jeden schlagen, das wird hochspannend. Als ich mir vor kurzem den März-Spielplan angeschaut hatte, habe ich schon gesehen, dass jetzt alle gegeneinander ranmüssen. Ich traue die Rettung aber allen Mannschaften zu, selbst Braunschweig.

bundesliga.de: Wie sehr zehrt der Abstiegskampf an einem Trainer?

Labbadia: Ach, Quatsch, das ist total locker! Nein, im Ernst: Das möchte man als Trainer nicht so gerne erleben. Gerade bei Traditionsvereinen hängt so viel dran. Ich habe es bei Stuttgart selbst erlebt. Du darfst so gut wie keine Fehler machen. Du musst sehr sorgsam mit der Mannschaft umgehen. Auch wenn es nicht optimal läuft, kannst du nicht permanent reinhauen. Das Selbstvertrauen ist sowieso unten, du musst es aufrecht halten, aber trotzdem die Dinge ansprechen, die schlecht laufen. Es ist aber immer eine unterschiedliche Situation, wenn man von außen kommt, oder die Misere von Beginn an mitgemacht hat. Für mich war es auch intensiv, aber dadurch, dass ich von außen kam, hatte ich etwas Abstand. Das wichtigste ist, dass du gut vorbereitet bist. Der Druck ist immens im Abstiegskampf. Das ist anders als positiver Druck. Europa League, Champions League, Deutsche Meisterschaft - das ist Kindergeburtstag dagegen, von der Anspannung her. Vor allen Beteiligten im Abstiegskampf habe ich eine Riesen-Hochachtung. Vor allem vor denen, die über Jahre nur Abstiegskampf machen - Chapeau! Das ist eine Kopfanstrengung, eine körperliche Anstrengung, die man sich schlecht vorstellen kann, wenn man nicht selbst drinsteckt.

bundesliga.de: Die Situation, als Sie beim VfB eingestiegen sind, ist vergleichbar mit der von Mirko Slomka jetzt beim HSV. Er trifft jetzt auf Frankfurt und Armin Veh, der seinen Abschied angekündigt hat. Wie schätzen Sie die Dynamik in dieser Partie ein?

Labbadia: Ganz schwer. Ich war beim Spiel HSV gegen Dortmund im Stadion, da hätte man ein 3:0 nie im Leben erwartet. Und eine Woche darauf verlieren sie das Derby. Slomka ist es in Hamburg so angegangen, dass er versucht hat, sehr viel positiv darzustellen. Das hat er gut gemacht. Trotzdem sind es am Ende die Ergebnisse, die den Ausschlag geben. Aber auch nach dem Sieg gegen Dortmund war mir klar, dass diese Mannschaft bis zum Schluss gegen den Abstieg spielt.

bundesliga.de: Was muss für Teams wie den HSV die wichtigste Tugend im Abstiegskampf sein?

Labbadia: Das Entscheidende ist, dass man nie aufgibt. Das klingt jetzt wie eine Floskel, aber es gibt immer Mannschaften, die zu früh aufgeben. Das macht zum Beispiel Braunschweig gut. Obwohl das Team nicht viele Spiele gewonnen hat, hört man immer wieder heraus, dass die Spieler und Verantwortliche sagen: "Wir können es noch schaffen!" Das ist auch definitiv drin. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass diejenigen, die sich zu früh aufgeben, sich später ärgern. "Hätten wir doch das Spiel nicht abgeschenkt!" Die Chance kommt nie wieder.

bundesliga.de: Wie bewerten Sie die Vertragsverlängerung von Torsten Lieberknecht beim Schlusslicht?

Labbadia: Das ist ein sehr positives Signal, auch für die Trainergilde. Das ist ein Verein, der sich gut einschätzen kann und der weiß, welchen Wert der Trainer hat. Da bricht keine Panik aus. In Braunschweig wussten alle, wie schwer es wird. Die Verlängerung spricht für den Club und die tolle Arbeit von Torsten Lieberknecht.

bundesliga.de: Der VfB, der jetzt acht Niederlagen am Stück kassiert hat, hält an Thomas Schneider fest. Wie sehen Sie die Situation bei Ihrem Ex-Club?

Labbadia: Das finde ich gut. Ich halte es immer für positiv, wenn ein Verein am Trainer festhält, da machen es sich viele Clubs oft zu schnell zu einfach. Auch als wartender Trainer! Aber es ist eine schwierige Situation. Es gab und gibt dort eine große Fehleinschätzung zwischen der aktuellen Situation und dem, was man zu Saisonbeginn erreichen wollte. Auch, was unsere Arbeit dort auf die Dauer betraf. Ich hoffe einfach, dass der VfB in der Liga bleibt.

bundesliga.de: Auch Nürnberg und Bremen treffen aufeinander, beide haben sich etwas befreit. Wie sehen Sie die Situation bei den beiden?

Labbadia: In Nürnberg wurde klasse Arbeit geleistet. Wenn du in der Vorrunde kein einziges Spiel gewinnst, und dann so in die Rückrunde startest, das spricht für den Verein. Werder hingegen ist ein Parallelbeispiel zu Stuttgart. Ich habe mich damals auch mit Thomas Schaaf unterhalten, er und ich in Stuttgart hatten eine ähnliche Situation. Zwei Traditionsvereine, beide mussten extrem abspecken. Das geht auf die Dauer an die Substanz. Es wirkt aber, als würde man in Bremen ruhig bleiben. Werder hat einen großen Sieg gelandet im Derby. Ich glaube nicht, dass sie schon raus sind, aber die Ausgangslage bei Bremen, Frankfurt und Nürnberg ist gut. Bei allen geht es aber bis zum letzten Spieltag.

bundesliga.de: Was trauen Sie den Freiburgern zu, dem einzigen Verein, der an diesem Spieltag auf keinen direkten Konkurrenten trifft?

Labbadia: Den Freiburgern traue ich immer etwas zu. Ich habe Christian Streich im Vorjahr schon viel Spaß gewünscht - damals hatten wir die Doppelbelastung, in der Hinrunde hatte sie der SC. Jetzt sieht man sie auch bei der Eintracht. Und Freiburg hatte einen extremen Aderlass. Wenn sie es schaffen, drinzubleiben, ist das eine Riesenleistung, weil sie wirklich leergegrast wurden letztes Jahr. Sie wissen, wo ihre Tugenden sind.

bundesliga.de: Wer schafft es am Ende, wer bleibt drin?

Labbadia: Ich würde es Ihnen gerne sagen, aber das kann ich nicht. Wenn ein paar Sachen schief laufen, kannst du in dieser Liga ruck-zuck nach hinten abrutschen. Da spielen so viele Kleinigkeiten eine Rolle, Formschwankungen, Verletzungen, Druck, Zuschauer. Welcher Trainer es schafft, den Druck von der Mannschaft und sich selbst fernzuhalten. Man spürt den Druck immer, aber man darf das gegenüber der Mannschaft nicht aufkommen lassen. Ich bin sehr gespannt.

Das Gespräch führte Christoph Gschoßmann