Im Revierderby wird es auch auf Dortmunds Julian Weigl und Schalkes Max Meyer ankommen. - © © DFL DEUTSCHE FUSSBALL LIGA
Im Revierderby wird es auch auf Dortmunds Julian Weigl und Schalkes Max Meyer ankommen. - © © DFL DEUTSCHE FUSSBALL LIGA

Dortmund gegen Schalke: Revierderby als Kampf der Systeme

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Köln - Wenn am Samstag im Revier die Mutter aller Derbys steigt, dann treffen mit Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04 nicht nur zwei Klubs aufeinander, die zurzeit Krise auf der einen und breite Brust auf der anderen Seite kaum besser verkörpern könnten. Es ist auch das Duell der taktischen Systeme, die Peter Bosz und Domenico Tedesco ihren Mannschaften vorgeben. Offensive und Risiko gegen Sicherheit und Kompaktheit, gnadenloses Pressing gegen kontrollierte Defensive.

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Bei Borussia Dortmund bleibt Peter Bosz seiner holländischen Seele treu und schickt seine Mannschaft in einer typischen 4-3-3-Formation auf den Platz. Vor der Viererabwehrkette agiert ein Sechser; diesen Part hat nach Nuri Sahin in den letzten Wochen immer Julian Weigl übernommen. Die zwei Achter werden in vorderer Reihe von zwei Flügelspielern ergänzt. Als zentraler Stürmer ist Pierre-Emerick Aubameyang gesetzt.

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Domenico Tedesco hingegen stellt seine Schalker am liebsten in einem 3-5-2-System oder einer flachen 3-4-3-Formation auf. Als zentraler Abwehrspieler und Mittelpunkt der Dreierkette fungiert Naldo als einer der zweikampfstärksten Verteidiger der Liga. Seine Zweikampfquote von 74 Prozent ist ein Top-Wert. Die Offensive soll vor allem über die Flügelspieler angekurbelt werden.

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Grundlegend unterschiedlich ist die Ausrichtung beider Teams. Während der BVB offensiv und entsprechend riskant agiert, legt Schalke vor allem Wert auf ein kompaktes und damit defensivstarkes Auftreten. Peter Bosz erwartet von seiner Mannschaft ein dominantes Ballbesitzspiel gepaart mit aggressivem Gegenpressing. Bei Tedesco hingegen hat die Absicherung Priorität, um dann vor allem über schnelle Konter den Weg nach vorne zu suchen.

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Bei den Dortmunder soll der Ball in der Abwehrreihe zirkulieren, bis sich eine Anspielstation auf den Flügeln ergibt. Außenverteidiger, Flügelstürmer und ein Mittelfeldspieler bilden dort ein Dreieck, das sich nach vorne kombiniert. Das Aufbauspiel ist relativ breit angelegt und zieht den Gegner auseinander. Bei Ballverlust hingegen soll sich die Mannschaft extrem verdichten und kompakt stehen. Während die vorderen Reihen sich auf den ballführenden Gegner stürzen, rückt die Abwehr sehr hoch auf, um das Spielfeld klein zu halten und die gegnerischen Stürmer ins Abseits zu stellen. Das gelang in dieser Saison bereits 59 Mal – Bestwert in der Liga.

Bosz' Offensive vs Tedescos' Defensive

Hauptmerkmal der aggressiven Verteidigung gegen den Ball ist also die extrem hoch stehende Abwehr, die sich im Schnitt 39,2 Meter vor der Grundlinie positioniert. Das beschert Dortmund viele Ballbesitzphasen. Im Schnitt 63 Prozent werden in Sachen Spielanteilen nur von den Bayern getoppt. Greift das Bosz-System, schlägt sich die offensive Spielanlage auch in vielen Treffern nieder wie in den ersten Partien der Saison. 29 Ligatore sind auch hier hinter den Bayern der zweitbeste Wert. Allerdings hakte es zuletzt in der Vorwärtsbewegung gewaltig. Werden die Außen- und Mittelfeldspieler in Manndeckung genommen, lahmt das schwarz-gelbe Offensivspiel. Die Abwehrspieler finden zu wenig Anspielstationen und wählen zu oft die langen, unkontrollierten Bälle nach vorne.

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Gefährlich wird der Bosz-Fußball in diesen Momenten dann weniger für den Gegner, als vielmehr für das eigene Team. Fehlt es an der Balance, wird die riskante Defensivstrategie zu oft und zu schnell ausgehebelt. Nicht zuletzt ständige Wechsel in der Viererkette aufgrund von Ausfällen wie dem von Rechtsverteidiger Lukasz Piszczek und ein unkontrolliertes Offensivspiel ohne konsequente Absicherung haben die Borussia anfällig für Konter und direkte Pässe hinter die eigene, letzte Reihe werden lassen. Und genau das könnte im Derby am Samstag dem Spielsystem der Schalker unter Domenico Tedesco in die Karten spielen.

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Die bisherigen Partien haben gezeigt, dass der FC Schalke 04 den Gegner gerne kommen lässt, um dann mit schnellem Umschaltspiel zu kontern. Mit 22 Versuchen gab kein Team der Liga mehr Kontertorschüsse ab als die Knappen. Aber selbst im Umschaltspiel zeigt sich die Tedesco-Handschrift. Vorsicht und Sicherheit bleiben Trumpf. Bei eigenem Ballbesitz hat Schalke im Schnitt ligaweit die wenigsten Spieler vor dem Ball. Halbverteidiger und Sechser suchen oft den schnellen, vertikalen Ball in die Spitze. In dieser eher defensiven Grundausrichtung verzichtet die Mannschaft auf dominante Ballbesitzphasen. 48 Prozent entsprechen im Ligavergleich einem Platz im Mittelfeld und stehen konträr zu den 63 Prozent des BVB.

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Bei gegnerischem Ballbesitz bringt die Mannschaft im Schnitt sogar 8,5 Spieler hinter den Ball – kein Trainer in der Liga setzt mit seinem Team mehr auf Absicherung als Domenico Tedesco. Im Vergleich dazu stellt die Borussia im Schnitt nur 7,5 Spieler hinter den Ball. Kernstück der Tedesco-Defensive ist die Dreierkette um Naldo, die sich bei gegnerischem Ballbesitz zu einer Fünferkette erweitert. Sie agiert durchschnittlich 34,2 Meter vor der Grundlinie und damit satte fünf Meter tiefer als die der Dortmunder.

Im Ergebnis macht sich die kompakte, auf Sicherheit bedachte Defensivarbeit der Schalker bezahlt. An den bisherigen zwölf Spieltagen kassierte die Mannschaft lediglich zehn Gegentore, was nur vom FC Bayern (acht Gegentreffer) getoppt wird. In den letzten fünf Bundesligaspielen stand die Null sogar vier Mal auf der richtigen Seite.

Die Kehrseite der Medaille: Ein Offensivfeuerwerk zünden die auf Absicherung bedachten Knappen selten. Während der BVB bislang die zweitmeisten Torschüsse aller Teams abgab, rangiert der FC Schalke mit seinen 145 Versuchen im letzten Drittel der Liga. Ebenso sind 16 Saisontreffer im Vergleich eher bescheiden. Und auch die Schalker sind mit ihrem Angriffsspiel ähnlich wie der BVB bereits an ihre Grenzen gestoßen. Agiert der Gegner zum Beispiel ebenfalls mit Fünferkette und mannorientierter Deckungsarbeit wie zu Saisonbeginn Hannover, fehlt es an kreativen Lösungsideen. Ein Dreier-Mittelfeld kann zudem Überzahl gegen Schalkes Doppelsechs schaffen und über Vertikalpässe den freien Mann suchen – eine wenngleich risikobehaftete Option auch für den BVB.

Bislang aber gibt der Erfolg unter dem Strich eindeutig Tedesco und seiner Spielphilosophie recht. Die Königsblauen spielen zwar wenig spektakulär, dafür aber ausgesprochen erfolgreich. Der Lohn ist Platz zwei in der Tabelle – und die Favoritenrolle im Revierderby am Samstag.

Dietmar Nolte