Rainer Bonhof (l.) drückt seinem langjährigen Wegbegleiter Jupp Heynckes am Samstag in Wembley die Daumen (Copyright: Imago)
Rainer Bonhof (l.) drückt seinem langjährigen Wegbegleiter Jupp Heynckes am Samstag in Wembley die Daumen (Copyright: Imago)

Bonhof: "Gönne es Jupp von Herzen"

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Mönchengladbach - Weltmeister, Europameister, Sieger im UEFA-Cup und im Pokal der Pokalsieger, Deutscher Meister, DFB-Pokalsieger. Rainer Bonhof hat praktisch alles gewonnen, was es im Fußball zu gewinnen gibt. Fast alles. Denn ein Titel blieb dem heutigen Vize-Präsidenten von Borussia Mönchengladbach in seiner großen Karriere verwehrt: Der Erfolg im Europapokal der Landesmeister, dem Vorgängerwettbewerb der Champions League.

Dabei war er einst so nah dran. Im Gespräch mit bundesliga.de erinnert sich der 61-Jährige an das Endspiel von 1977 gegen den FC Liverpool. Er blickt auf das große deutsche Finale zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern München am Samstag in London (ab 20:15 Uhr im Live-Ticker) voraus und spricht außerdem über Jupp Heynckes' emotionalen Abschied in Gladbach.

bundesliga.de: Herr Bonhof, sie standen vor 36 Jahren mit Borussia Mönchengladbach in Rom im Finale des Europapokals der Landesmeister gegen den FC Liverpool. Welche Erinnerungen haben Sie an das 1:3 am 25. Mai 1977?

Rainer Bonhof: Mit Liverpool hatten wir uns in den Jahren zuvor bereits harte Duelle geliefert. Zuhause haben wir immer ordentlich gespielt und in Anfield sind wir dann immer ausgeschieden. Am Finaltag in Rom waren es 34 Grad und wir dachten, dass die Engländer vielleicht mit der Hitze nicht klarkommen würden. Es war auch lange ein offener Schlagabtausch. Nachdem ich mit einem Pfostenschuss die Führung verpasst hatte, ging Liverpool nach einem typischen langen Ball in Führung. Allan Simonsen hat nach der Pause noch mit einem Traumtor den Ausgleich gemacht, doch danach haben sie uns mit ihrer Power überrannt.

bundesliga.de: Warum hat es an diesem Tag nicht gereicht?

Bonhof: Vier Tage zuvor mussten wir in München ein Unentschieden holen, um uns die Meisterschaft vor Schalke zu sichern. Wir haben 120 Prozent gegeben und ein 2:2 erreicht. An dem Tag waren es sogar um die 40 Grad. Das soll keine Entschuldigung sein, aber wir konnten in Rom einfach nicht mehr gegenhalten.

bundesliga.de: Wie sehr haben Sie der verpassten Chance nachgetrauert?

Bonhof: Wir sind nach dem Finale direkt nach Gladbach zurückgekommen, weil die Meisterfeier anstand. Da hätten wir natürlich gerne den Pott dabei gehabt. Dass wir es nicht geschafft haben, hat uns schon gestört.

bundesliga.de: Wie war es in den Jahren danach?

Bonhof: Erst nachdem ich aufgehört habe, ist mir bewusst geworden "Mensch du warst im Endspiel, aber der Titel fehlt dir noch in deiner Agenda. Da steht nur Vize." Es fühlte sich ein wenig unvollendet an.

bundesliga.de: Damals standen Sie gemeinsam mit Jupp Heynckes im Endspiel. Gönnen Sie Ihrem alten Weggefährten nun den großen Coup mit dem FC Bayern?

Bonhof: Absolut, aus vollem Herzen! Durch die besondere persönliche Verbindung, die ich zu Jupp habe, gönne ich es ihm sehr und wünsche ihm viel Glück.

bundesliga.de: Wie haben Sie seinen sehr emotionalen Abschied aus der Bundesliga am vergangenen Samstag im Borussia-Park erlebt?

Bonhof: An dem Tag kam einiges zusammen. Zunächst muss man dem Saisonplaner ein Kompliment machen, dass er ausgerechnet das letzte Saisonspiel der Bayern in den Borussia-Park gelegt hat. Am Tag davor hatten wir von Borussia die Pokalsieger von 1973 eingeladen. Ich hätte gar nicht damit gerechnet, dass Jupp Zeit hat, aber er hat zugesagt. Er hat an diesem Abend Mitspieler getroffen, die er 40 Jahre lang nicht gesehen hatte. Es war eine richtig schöne Feier. Dann kam das spektakuläre Spiel dazu, das er . Da hat sich vieles hochgeschaukelt, so dass er seinen Emotionen freien Lauf gelassen hat.

bundesliga.de: Glauben Sie, dass er als Trainer doch noch weitermacht, oder vielleicht eine andere Funktion übernehmen wird? Vielleicht sogar in Gladbach?

Bonhof: Er wird in den nächsten Wochen und Monaten darüber nachdenken, wo sein Weg hingehen soll. Ich persönlich fände es sehr schade, wenn sein unglaubliches Fußball-Know-How künftig brach liegen würde. Er muss es letztlich mit seiner Familie entscheiden. Wir werden abwarten, welchen Entschluss er fassen wird.

bundesliga.de: Am Samstag steigt der deutsche Champions-League-Showdown in Wembley. Was erwarten Sie für eine Partie?

Bonhof: Ich erwarte ein Spiel ohne das typische Abtasten, denn es treffen zwei Mannschaften aufeinander, die in den letzten Monaten häufiger gegeneinander gespielt haben und sich gut kennen. Ich glaube, es wird ein offenes Spiel, in dem vielleicht am Ende die Erfahrung der Bayern den Ausschlag gibt.

bundesliga.de: Welche Bedeutung hat das Finale für das internationale Ansehen des deutschen Fußballs?

Bonhof: Das Spiel ist ein echtes Aushängeschild für den deutschen Fußball. Es zeigt, wie sich der deutsche Fußball in den letzten Jahren entwickelt hat und wie dominant die Bundesliga momentan international auftritt. Das fantastische an diesem Finale ist, dass sich zwei deutsche Mannschaften gegen Teams wie Barcelona und Madrid, die in den letzten Jahren in Europa dominiert haben, durchgesetzt haben. Dass Bayern gegen Barcelona sieben Tore schießt und Dortmund gegen Real in beiden Spielen überlegen ist, damit konnte man nicht unbedingt rechnen.

bundesliga.de: Das große Finale steigt ausgerechnet in Wembley. Ein würdiger Rahmen?

Bonhof: Der ehrwürdige Charme des alten Stadions ist zwar nicht mehr da, aber die neue hochmoderne Arena ist auch der Hammer. Das neue Stadion hat eine etwas andere Atmosphäre, es lebt aber immer noch vom Mythos der Vergangenheit.

bundesliga.de: London wird fest in deutscher Hand sein. Was erwarten Sie für eine Atmosphäre?

Bonhof: Es wird eine Riesen-Stimmung im und um das Stadion herrschen. Ich schätze, dass was die Fans der beiden Mannschaften dort abreißen werden, hat Wembley noch nicht erlebt.

bundesliga.de: Wie sehr freuen Sie sich persönlich auf das Finale?

Bonhof: Die Vorfreude ist schon sehr groß. Ich werde aber nicht vor Ort sein. Ich werde es mir in einem kleinen, gemütlichen Rahmen ansehen. Wenn das Wetter mitspielt, wird der Grill angeschmissen und dann geht´s los.

Das Gespräch führte Markus Hoffmann