Raul Bobadilla (l.) und Julio Villalba stürmen für Borussia Mönchengladbach - © © DFL DEUTSCHE FUSSBALL LIGA
Raul Bobadilla (l.) und Julio Villalba stürmen für Borussia Mönchengladbach - © © DFL DEUTSCHE FUSSBALL LIGA

Gladbach: Bobadilla und Villalba im großen Doppel-Interview

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Mönchengladbach - Beide sind Paraguayer. Der eine ist mit 30 Jahren wohl im letzten Drittel seine Karriere angekommen, der andere steht mit 19 noch am Beginn. Der eine, das ist Raúl Bobadilla. Nach sechs Jahren und Stationen bei Aris Thessaloniki, Young Boys Bern, FC Basel und FC Augsburg ist er zurückgekehrt zu Borussia Mönchengladbach. Der andere, das ist Julio César Villalba. Der gilt als eines der großen Sturmtalente Südamerikas, muss jetzt aber erst einmal beweisen, dass ihm die Anpassung an die Bundesliga und an die neuen Lebensumstände gelingt.

Im exklusiven Doppelinterview mit bundesliga.de sprechen die beiden über ihre Beziehung und die Schwierigkeiten, in einen fremden Land Fuß zu fassen, über bekannte Spieler aus ihrem Heimatland Paraguay, die bereits Bundesliga-Geschichte geschrieben haben, und über ihre persönlichen wie auch die Ziele mit der Borussia.

bundesliga.de: Señor Villalba, was wussten Sie über Raúl Bobadilla, bevor feststand, dass er zur Borussia zurückkehren würde?

Villalba: Raúl ist ein Idol für die paraguayische Nationalmannschaft. Als ich erfahren habe, dass er bereits in der Vergangenheit für Borussia gespielt hat, war ich sehr beeindruckt. Und als dann die Nachricht kam, dass er zurückkehren würde, war ich regelrecht begeistert. Raúl ist eine sehr große Hilfe für mich in diesen ersten Wochen.

bundesliga.de: Señor Bobadilla, was wiederum wussten Sie bereits über Julio Cesar Villalba?

Bobadilla: Es war ja bereits im vergangenen Winter bekannt, dass Julia zur Borussia wechselnwürde. Damals war aber noch nicht abzusehen, dass ich zurückkehren würde nach Mönchengladbach. Ich bin stolz darauf, dass ich ihm ein Vorbild sein und bei der Eingewöhnung helfen kann. 

"Ich bin sehr stolz darauf, wieder bei dem Verein zu sein, bei dem ich meine ersten Schritte in der Bundesliga gemacht habe." Raúl Bobadilla

bundesliga.de: Sie beide sind Kollegen, aber auch Kontrahenten um einen Platz im Sturm...

Bobadilla: Das stimmt zwar, aber unsere Rivalität wird immer professionell und gesund sein. Vielleicht spielt mal der eine und mal der andere, vielleicht sogar einmal wir beide zusammen. Aber egal wer, ob nun Julio spielt oder ich – jeder wird sich für den anderen freuen.

Villalba: Genau. Wir verstehen uns vom ersten Augenblick an bestens. Allerdings ist es nicht richtig, dass wir uns erst bei Borussia kennengelernt haben. Bei der Copa América in Chile war ich mit anderen paraguayischen Jugendspielern als eine Art Sparringspartner für unsere Nationalmannschaft dabei. Damals haben Raul und ich ein paar Worte gewechselt, aber er konnte sich daran einfach nicht mehr erinnern. (beide lachen; d. Red.)

bundesliga.de: Raúl, Ihre Mutter soll vor Freude geweint haben, als Sie ihr von dem Wechsel berichtet haben…

Bobadilla: Das stimmt. Wenn man erlebt, wie die eigene Mutter weint, ist das eigentlich alles andere als schön – es sei denn, sie weint Freudentränen. Das zu erleben hat mich noch glücklicher gemacht. 

bundesliga.de: Beschreiben Sie bitte, was es für ein Gefühl ist, nach vier Jahren wieder Gladbacher Borusse zu sein?

Bobadilla: Ich bin sehr stolz darauf, wieder bei dem Verein zu sein, bei dem ich meine ersten Schritte in der Bundesliga gemacht habe. Und ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass Borussia meine zweite Heimat ist und ich nach Hause gekommen bin. Borussia ist eine Institution in der Bundesliga, und die aktuelle Mannschaft hat, davon bin ich überzeugt, das Niveau für die Champions League.

bundesliga.de: Sie sprechen von Heimat und Zuhause, obwohl Sie länger in Augsburg waren als in Gladbach. Was macht Borussia für Sie so einzigartig?

Bobadilla: Beim FCA war ich vier Jahre, und, um ehrlich zu sein, waren diese vier Jahre die bisher besten meiner Karriere. Und ich möchte mich bei allen Verantwortlichen des FCA noch einmal dafür bedanken, dass ich dort großartige Erfahrungen wie die Europa League-Teilnahme sammeln konnte. Bei meinem ersten Engagement in Gladbach war ich noch sehr jung, und mir fehlte noch die Erfahrung. Damals habe ich sicher nicht mein ganzes Potenzial abgerufen. Heute ist das anders, und ich bin überzeugt, dass ich es diesmal besser machen werde.

bundesliga.de: Vor Ihrem Wechsel zur Borussia haben Sie in Augsburg noch Sergio Córdova kennenlernen können. Welchen Eindruck haben Sie von dem jungen Venezolaner?

Bobadilla: Ich glaube, dass eine große Zukunft vor ihm liegt. Er ist ein sehr feiner Spieler, sehr interessant und, vor allem, auch sehr fleißig. Wenn er bereit ist noch zu lernen und seinen bisherigen Weg weitergeht, werden wir noch viel von ihm hören.

bundesliga.de: Einen Venezolaner, der in der Bundesliga bereits einen großen Namen hat, ist Juan Arango. Wie erinnern Sie sich an die gemeinsame Zeit bei Borussia?

Bobadilla: Juan ist ein herausragender Spieler. Er war für mich damals die Hilfe und der Ansprechpartner, der ich nun für Julio sein möchte. Juan hat sehr viel für Borussia geleistet, und ich erinnere mich an einige spektakuläre Tore, die er geschossen hat. Ein ganz außergewöhnlicher Spieler. Wir sind damals zur selben Zeit zur Borussia gekommen und hatten gleich einen Draht zueinander. Ich habe damals sogar bei Juan gewohnt, er war mein Mentor und seine Ratschläge waren sehr wichtig für mich.

"Wir verbringen wirklich sehr viel Zeit miteinander und tauschen uns ständig aus." Julio Villalba

bundesliga.de: Welche Fehler, die Sie damals möglicherweise dennoch gemacht haben, gilt es für Julio zu vermeiden?

Bobadilla: Wir sind nur alle Menschen, und Menschen machen nun mal auch Fehler. Das ist aber okay – solange man bereit ist, aus diesen Fehlern zu lernen. Und ich glaube, dass ich viel gelernt habe in Augsburg. Älter zu werden und eine Familie zu gründen, das ändert vieles. Ich bin heute nicht mehr hochmütig und habe auch mein Temperament viel besser unter Kontrolle, als das noch vor einigen Jahren der Fall war.

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bundesliga.de: Trotzdem, was raten Sie Julio?

Bobadilla: Die Sprache zu lernen! Das ist unabdingbar. Manche Spieler sagen „Warum soll ich die Sprache lernen. Ich bin hier, um Fußball zu spielen. Und Fußball ist international, dafür muss man nicht deutsch sprechen“. Das aber ist ein großer Irrtum, dem ich selbst damals auch aufgesessen bin. Die Landessprache zu verstehen und zu sprechen ist das A und O für eine gelungene Integration. Zudem zeugt es von Respekt vor der Kultur des Gastgeberlandes. All das mag zunächst nicht leicht sein. Aber diese ersten Schwierigkeiten werden aber allemal aufgewogen durch die Klasse der Bundesliga, wo beinahe jeder jeden schlagen kann. Was den Fußball selbst betrifft, braucht Julio kaum einen Ratschlag. Wenn er fleißig ist, wird er seinen Weg machen.

bundesliga.de: Julio, was möchten Sie von Raúl lernen?

Villalba: Für mich ist zunächst eine große Ehre, dass er sich meiner annimmt. Wir verbringen wirklich sehr viel Zeit miteinander und tauschen uns ständig aus. Und aus fußballerischer Sicht imponiert mir sehr, wie es ihm dank seiner Körperlichkeit meist gelingt, den Ball abzuschirmen und zu behaupten.

bundesliga.de: Sind Sie alleine nach Deutschland gekommen, oder begleitet Sie Ihre Familie?

Villalba: Mittlerweile wohne ich allein. Anfangs war mein Papa hier, der jetzt aber nach Paraguay zurückgekehrt ist. Ich muss nun lernen, mich alleine zu organisieren, auch das ist eine neue Erfahrung für mich. Auszugehen, das ist nicht so mein Ding. Eher schon spielen Raúl und ich Karten oder auf der Playstation. Dabei trinken wir dann gerne Tereré, den typisch paraguayischen Mate-Tee.

bundesliga.de: Sie sind gerade 19 geworden. Fällt es Ihnen noch schwer, in einem Land, dessen Sprache Sie noch nicht sprechen und dessen Kultur Sie noch nicht kennen, Fuß zu fassen?

Villalba: Deutsch ist eine so schwierige Sprache! (lacht). Aber ich habe bereits ein wenig gelernt. Aber auch die Intensität im Training ist für mich eine große Herausforderung. Das kenne ich so aus Paraguay nicht. Deshalb waren die ersten zwei Monate nicht leicht für mich. Allmählich aber gewöhne ich mich gut an alles Neue.

"Ich glaube, dass ich meiner Mannschaft auch mit 30 Jahren noch viel geben kann." Raúl Bobadilla

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bundesliga.de: Die Bundesliga gilt als eine der zwei, drei besten Ligen der Welt. Wie unterscheidet sie sich von der paraguayischen Primera Division?

Villalba: Das Spiel in der Bundesliga ist viel intensiver und damit auch fordernder. Das ist gar kein Vergleich zu Paraguay.

bundesliga.de: Dennoch haben Fußballer aus Paraguay hier einen guten Namen, etwa Nelson Valdez, der bei Werder Bremen erfolgreich war und gemeinsam mit Ihnen für Cerro Porteno gespielt hat, bzw. immer noch spielt...

Villalba: Nelson und ich haben uns bestens verstanden. Und mir hat sehr imponiert, dass er trotz seines fortgeschrittenen Alters immer sehr hart trainiert und zum Beispiel mehr läuft als viele der jüngeren Spieler. Von ihm habe ich gelernt, auch im Training immer Gas zu geben und immer weiter an sich zu arbeiten.

bundesliga.de: Taugt Valdez als ein gutes Beispiel für "garra guaraní", den Mut, der viele Ihrer Landsleute auszeichnet?

Villalba: Dieser Mut ist tatsächlich typisch paraguayisch, das Kämpfen, das "Niemals aufgeben" liegt uns im Blut. Spieler wie Nelson Valdez oder Roque Santa Cruz haben das immer wieder bewiesen. Und ich hoffe, dass mir das auch gelingt.

bundesliga.de: Gegen Roque Santa Cruz, der sich bei Bayern München durchsetzen konnte und heute für Olimpia Asunción antritt, haben Sie gespielt. Wie sehen Sie ihn?

Villalba: Die Gelassenheit, die er bei Ballbesitz hat, ist beeindruckend. Und wenn er den Ball hat, kann immer etwas ganz Besonderes dabei herauskommen.

"Robert Lewandowski besitzt die Fähigkeit, zur richtigen Zeit immer am richtigen Punkt zu sein. Diese Gabe hätte ich auch gerne." Julio Villalba

bundesliga.de: Umso mehr überrascht es, dass Ihr Vorbild kein südamerikanischer Spieler ist, sondern Robert Lewandoswki sein soll. Warum er und nicht ein Messi, Neymar oder Falcao?

Villalba: In Paraguay habe ich immer europäischen Fußball geschaut, und hier ganz besonders die Bundesliga. Robert Lewandowski ist für mich genau wie die Spieler, die Sie gerade genannt haben, ein absoluter Weltstar. Ein herausragender, kompletter Stürmer, der die Fähigkeit besitzt, zur richtigen Zeit immer am richtigen Punkt zu sein. Diese Gabe hätte ich auch gerne.

bundesliga.de: Raúl, Sie kennen neben der Bundesliga auch die argentinische, die schweizerische und die griechische Liga. Was macht die Bundesliga für einen so erfahrenen Spieler wie Sie immer noch so reizvoll, dass Sie unter anderem ein lukratives Angebot aus China abgelehnt haben sollen?

Bobadilla: Ich hatte tatsächlich die Chance nach China zu gehen, und ich gestehe, dass ich in Versuchung gekommen bin. Letztlich war mir dann aber doch wichtiger in einer Liga zu spielen, die höchstes Niveau hat. Zuletzt gab es auch die Möglichkeit nach Argentinien zu wechseln. Als aber das Interesse aus Gladbach an mich herangetragen wurde, war die Entscheidung sehr leicht. Ich glaube, dass ich meiner Mannschaft auch mit 30 Jahren noch viel geben kann. Und mein Traum ist es, mit Borussia in der Champions League zu spielen.

bundesliga.de: In Ihrer Jugend haben Sie für River Plate, einen der ganz großen argentinischen Vereine gespielt. Welchen Einfluss hatte das auf Sie?

Bobadilla: Das war eine sehr wichtige Zeit für mich. Eigentlich war der Stadt- und Erzrivale Boca Juniors mein Traumverein, dort aber hatte ich keine Chance. Und auch bei River Plate war es sehr schwierig für mich. Ich musste damals gegen Spieler wie Gonzalo Higuain oder Radamel Falcao, die heutzutage absolut Weltstars sind, um einen Platz im Kader kämpfen. Als ich dann vom vermeintlichen Interesse des FC Basel erfuhr, war ich gleich Feuer und Flamme – bis ich gemerkt habe, dass nicht der Top-Klub FC Basel gemeint war, sondern der der FC Concordia Basel, ein Verein, der in einer unteren Klasse spielte. (lacht) Wie auch immer – das war meine Chance nach Europa zu gehen. Und schon nach einer Saison konnte ich nach Zürich, zu den Grasshoppers, wechseln.

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bundesliga.de: Sie sind geborener Argentinier, spielen aber für Paraguay...

Bobadilla: Das ist richtig. Ich bin in Argentinien geboren und aufgewachsen, und meine Familie lebt nach wie vor in Buenos Aires. Durch meine Mama gab es aber die Möglichkeit, eine doppelte Staatsangehörigkeit zu beantragen. Und als der paraguayische Verband an mich herangetreten ist, wollte ich diese Chance unbedingt nutzen. Ich bin dem Verband sehr dankbar und habe die Entscheidung für Paraguay zu spielen, nie bereut. Zurzeit gibt es keinen Kontakt, wenn ich aber noch einmal eine Chance bekommen sollte, werde ich wieder mit großem Stolz und vollem Einsatz das Wappen von Paraguay tragen.

bundesliga.de: Julio, was würde Ihnen eine Berufung bedeuten?

Villlalba: Nicht jeder schafft es für seine Nationalmannschaft spielen zu dürfen. Umso mehr bedeutet es, wenn man dann doch den Anruf, auf den man vielleicht schon sehr lange gewartet hat, bekommen sollte. Bisher habe ich nur für die U20-Nationalmannschaft gespielt. Aber ich bin ja auch noch jung, und die A-Nationalmannschaft bleibt neben dem Wunsch, mit Borussia großen Erfolg zu haben, mein Ziel.

bundesliga.de: Was erhoffen Sie beide sich persönlich von dieser Saison?

Villalba: Ich möchte es irgendwann in die Startelf schaffen, dafür arbeite ich sehr hart. 

Bobadilla: Ich möchte zeigen, dass ich da bin, wenn ich gebraucht werde. Ich weiß, dass es sehr hart wird, in die Mannschaft zu kommen oder sich gar einen Platz in der Startelf zu erarbeiten, denn dieses Team hat größte Qualität. 

bundesliga.de: Was trauen Sie der Borussia in dieser Saison ob dieser Qualität zu?

Bobadilla: Mit Mannschaften wie Bayern München, Borussia Dortmund oder RB Leipzig schon um den Titel zu kämpfen, das dürfte sehr hart, wahrscheinlich noch zu hart werden. Aber ich bin davon überzeugt, dass wir eine gute Chance im Kampf um einen Champions League-Platz haben.

Villalba: Ich kann Raúl da nur zustimmen. Wir haben auf jeden Fall das Zeug dazu.

Das Gespräch führten Jaime Duque Cevallos und Andreas Kötter