Wie ein Kanonenschuss: Michel Bastos' Spezialität sind extrem harte und präzise Freistöße
Wie ein Kanonenschuss: Michel Bastos' Spezialität sind extrem harte und präzise Freistöße

"Blankoscheck" Bastos: Mit 148 Kilometern pro Stunde

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München - Roberto Carlos. Ganz unwillkürlich denkt man an den vielleicht berühmtesten Gewaltfreistoßschützen aller Zeiten, wenn man sich Videos von Schalkes Neuzugang im Internet ansieht. Sein erstes und einziges Tor für Brasilien erzielte Michel Fernandes Bastos bei einem Freundschaftsspiel in Simbabwe. Vom rechten Strafraumeck zimmert Bastos die Kugel in den linken Winkel - mit 148 Kilometern pro Stunde.

Toter Bruder ist immer dabei - Vater erkennt das Talent

Ganz so rasend ging Bastos' Stern nicht auf, erst im zweiten Versuch schaffte er in Europa den Durchbruch. Nach einem durchwachsenen Engagement in den Niederlanden bei Feyenoord Rotterdam brauchte er noch drei Jahre Spielpraxis in Brasilien, bis er wirklich bereit war für die großen Ligen. In Frankreich wurde er nach einer starken Saison bei OSC Lille direkt zum Star, traf in 98 Spielen 25 Mal. Dauer-Meister Olympique Lyon schnappte sich nach Lilles Trainer Claude Puel auch den Linksaußen. Und in Lyon hielt Bastos seine Quote: In weiteren 98 Einsätzen ließ er es 26 Mal krachen.



Endlich schien auch Bastos' Traum und "einziges Ziel", bei der Heim-WM in Brasilien dabei zu sein, in greifbarer Nähe, er debütierte für sein Land. Nach ebenjenem Vorbereitungsspiel zur WM 2010, bei dem er in Simbabwes Hauptstadt Harare fast das Netz zerschossen hatte, etablierte er sich in der Selecao, in Südafrika spielte er fünf Mal über die volle Distanz. Seitdem wartet der 29-Jährige jedoch vergeblich auf weitere Nominierungen. Brasilien 2014 - diesen Traum hat Bastos nicht nur für sich, sondern auch für seinen Bruder, der immer dabei ist. "Daniel", der Name seines Zwillings, ist auf Bastos' Unterarm tätowiert. Einen Tag vor dem vierten Geburtstag der beiden wurde Daniel von einem Auto überfahren und starb.

"Er ist mein Schutzengel", sagt Bastos, der von einer "offenen Wunde im Herz der ganzen Familie" spricht. Dennoch verlebte er eine glückliche Kindheit und schon bald "infizierte mich mein Vater mit dem Fußballvirus", wie er erzählt. Der ehemalige Profi Argeu Madruga Bastos sah schnell, dass sein Junge Talent hatte, und die begeisterten Trainingszuschauer nannten den jungen Michel, den der Vater nach Michel Platini benannt hatte, schon als 13-Jährigen "Blankoscheck". Schnell war klar: Der Junge wird mal richtig Geld kosten. "18 Millionen" trugen jedenfalls Lyons Verantwortliche 13 Jahre später darin ein.

Kellers Puzzle: Drei aus fünf



Doch Lyons große Zeiten sind vorbei. In dieser Saison spielt "OL" nur in der Europa Leauge. Bastos, der damit auch für die Champions League spielberechtigt ist, sucht nach dreieinhalb Jahren ohne Titel eine neue Herausforderung. Und das Wichtigste: Er kann Schalke, das nach dem sofortigen Abgang von Lewis Holtby und der langen Verletzungspause von Ibrahim Afellay dringend offensive Verstärkung suchte, direkt weiterhelfen.

"Er ist fit, hat zuletzt alle Partien für Lyon durchgespielt. Er kann sofort auflaufen", sagte Manager Horst Heldt, der sich auch über die genaue Spielweise von Schalkes neuen Nummer neun bestens informiert hat: "Seine Lieblingsposition ist links vorne, er hat für Brasilien aber auch schon links hinten gespielt. Wir haben mit Michel viel mehr Variationsmöglichkeiten!"

Hinten links ist Christian Fuchs gesetzt - drei aus fünf heißt daher die Aufgabe, die Trainer Jens Keller nun zu lösen hat, nachdem auch Ciprian Marica länger fehlt. Bastos, Raffael, Julian Draxler, Jefferson Farfan und Tranquillo Barnetta balgen sich um die drei Plätze hinter Klaas-Jan Huntelaar. Und a propos Niederländer: Ganz im Stile von Arjen Robben kann Bastos auch auf rechts wirbeln. Dann zieht er mit Vorliebe nach innen und packt seinen Hammer aus - Marke Roberto Carlos, natürlich.

Christoph Gschoßmann