Rainer Zobel trainiert aktuell die Moroka Swallows der südafrikanischen Premier Soccer League
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"Bayern sollten vermeiden, in einen Rausch zu geraten"

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Als der FC Bayern München von 1974-76 drei Jahre in Folge die Champions League - damals noch Europapokal der Landesmeister - gewonnen hat, gehörte Rainer Zobel zum festen Stamm der Mannschaft. Auch drei Meisterschaften, den DFB-Pokal und den Weltpokal gewann er in seinen sechs Jahren an der Isar.

Der gebürtige Niedersachse, der seine Bundesliga-Laufbahn bei Hannover 96 begann, spricht mit bundesliga.de: über die Bayern-Elf, die sich in der laufenden Saison anschickt, sogar drei Titel einzufahren.

Zobel analysiert, warum der Rekordmeister seiner Meinung nach beste Chancen hat, die "Königsklasse" zu gewinnen. Er erinnert sich an ein Meisterschaftsfinale gegen Schalke, zieht seinen Hut vor Felix Magath, drückt die Daumen für alle Clubs seiner Heimatregion und freut sich mit und für seinen Freund und Ex-Spieler Stefan Kuntz.

bundesliga.de: Sie selbst haben mit den Bayern drei Mal die Champions League gewonnen. Hat die Mannschaft das Zeug dazu, Inter oder Barcelona zu schlagen?

Rainer Zobel: Ich war unglaublich beeindruckt vom Spiel der Bayern in Lyon. Die Bayern haben das Zeug dazu, die Champions League zu gewinnen. Nicht, weil sie die besseren Spieler haben, aber weil sie die geschlossenste Mannschaft haben. Sie haben keinen Messi, keinen Cristiano Ronaldo, keinen Xavi oder wie sie alle heißen. Sie haben auch keinen Wayne Rooney, den sie ja schon rausgekickt haben. Sicherlich haben sie auch Stars. Momentan ist es vor allem Arjen Robben, der überzeugt. Dazu kommt meist noch ein Franck Ribéry, auch wenn der im Finale fehlen wird. Aber ansonsten haben die Bayern nicht die technisch besten und am aufregendsten spielenden Fußballer, die einem immer ein "A" und "O" entlocken. Aber wenn ich an Ivica Olic denke, wie der gegen Lyon gespielt hat. Der ist gerannt wie eine Nähmaschine. Dazu der Wandel von Bastian Schweinsteiger. Der gibt der Mannschaft unglaublich viel im Moment. Die ganze Mannschaft ist so unglaublich geschlossen aufgetreten. Sie ist unglaublich geordnet und diszipliniert - was natürlich auch dem Trainer zu verdanken ist.

bundesliga.de: Sie gewannen 1974 Meisterschaft und Champions League mit den Bayern. Im Pokal kam das Aus wegen eines Elfmetertors in der 90. Minute im Halbfinale gegen Frankfurt (2:3). Wenn man in all diesen Wettbewerben so lange mitspielt, ist man da wie im Rausch oder steht man enorm unter Druck?

Zobel: Unter Druck habe ich mich nie gefühlt. Unter Druck stehst du vielleicht, wenn du etwas verlieren kannst. Aber in diesem Fall kannst du ja nur gewinnen. Diese Mannschaft kann doch alles noch gewinnen. Das macht doch viel Spaß. Man darf aber auch nicht zu sehr in einen Rausch verfallen. Dann verliert man genau das, was die Bayern momentan so auszeichnet: diese Ordnung, diese Disziplin und diese unglaubliche Kompaktheit. In einen Rausch zu geraten, sollten die Bayern besser vermeiden.

bundesliga.de: In der Bundesliga wartet nun der VfL Bochum, für den es ums nackte Überleben geht. Was erwarten Sie von dieser Partie?

Zobel: Ich kann mich auch an ein Spiel gegen Bochum erinnern. Da mussten wir einfach nur gewinnen, dann wären wir Deutscher Meister geworden. Stattdessen haben wir 0:1 zuhause verloren. Wir haben die Meisterschaft glücklicherweise im nächsten Spiel nachgeholt. Aber da besteht immer eine gewisse Gefahr. Man ist im Finale der Champions League. Und jetzt kommt eigentlich "nur" Bochum. Ich hoffe, dass der Trainer sie so auf dieses Spiel einschwören wird, als sei es das schwierigste Spiel der ganzen Saison.

bundesliga.de: Schalke hingegen bekommt es daheim mit Bremen zu tun. Können die "Knappen" bestehen und das Meisterschaftsrennen weiter spannend gestalten?

Zobel: Schalke hat es von der Motivation her nicht so schwer wie die Bayern. Die spielen ja gegen die bessere Mannschaft. Aber ich glaube vom Willen und von der Einstellung her ist das Spiel gegen Werder Bremen leichter, als das der Bayern zuhause gegen Bochum. Ich denke, dass Schalke da zumindest einen Punkt holt, wenn nicht sogar gewinnt.

bundesliga.de: Wer wird das Rennen machen?

Zobel: Wenn die Bayern beide Spiele gewinnen, kann ihnen Schalke ja nicht mehr das Wasser reichen. Aber um das zu tippen, bin ich eigentlich viel zu lange im Fußball dabei. Was da alles noch passieren kann. Dazu kann man sich eigentlich nicht zu äußern.

bundesliga.de: Sie selbst haben es ja 1972 im Titelkampf gegen Schalke miterlebt?

Zobel: So spannend war das nicht. Schalke war am letzten Spieltag einen Punkt hinter uns und das Olympiastadion wurde extra für dieses Spiel geöffnet. Wenn sie gewonnen hätten, wären sie Meister gewesen. Aber wir haben sie deutlich mit 5:1 geschlagen. Da war der Meisterschaftskampf vor neun Jahren eine ganz unglückliche Sache für die Schalker. Das Finale, was ich mitgemacht habe, war eine ganz eindeutige Geschichte.

bundesliga.de: Hätten Sie denn mit solch einer starken Schalker Saison gerechnet?

Zobel: Hut ab vor Felix Magath. Das ist eine Sensation, dass der mit Schalke überhaupt zwei Tage vor Saisonende noch eine Chance auf die Meisterschaft hat. Mit einer neuen Mannschaft. Es ist nicht einfach, eine neue Mannschaft zu übernehmen und dann gleich dort oben zu stehen. In Wolfsburg hatte er ein bisschen mehr Zeit dafür gebraucht.

bundesliga.de: Sie begannen Ihre Bundesliga-Karriere in Hannover. Sicher hängt da noch immer etwas Herzblut dran. Wird 96 denn dieses Jahr die Klasse halten können?

Zobel: Ich bin Niedersachse. Und ich bitte darum, dass Hannover das schafft. Genauso wie ich hoffe, dass Braunschweig in die 2. Bundesliga aufsteigt und Wolfsburg wieder zur alten Stärke findet. Ich drücke allen die Daumen. Auch Osnabrück. Ich wohne auch in Braunschweig, die liegen mir natürlich besonders am Herzen. Ich weiß auch, dass zwischen Braunschweig und Hannover eine riesige Rivalität besteht. Dennoch drücke ich allen niedersächsischen Clubs all die Daumen, die sie brauchen, um das zu erreichen, was sie erreichen wollen.

bundesliga.de: Wesentlich erfreulicher ist doch da die Tatsache, dass der 1. FC Kaiserslautern wieder erstklassig ist. Was sagen Sie zur Arbeit in der Pfalz, wo man vor nicht einmal zwei Jahren beinahe in die 3. Liga abgestiegen wäre?

Zobel: Da kann ich einfach nur sagen, dass sie eine ganz wichtige Entscheidung getroffen haben. Mein Freund und mein ehemaliger Spieler Stefan Kuntz ist der richtige Mann dafür gewesen, die Lauterer wieder auf die richtige Bahn zu bekommen. Er hat sicherlich die ganze Pfalz hinter sich. Auch vom wirtschaftlichen Aspekt her wird das wieder seriöser werden als in der Vergangenheit. Ich denke, dass es einfach der richtige Schachzug war, Kuntz dort hinzuholen und dann auch wieder die Begeisterung zu entfachen in der Pfalz. Da kann ich nur sagen: "Herzlichen Glückwunsch, Kaiserslautern".

Das Gespräch führte Sebastian Stolz