Er steht wie kaum ein anderer für Bayers starke Saison: Der achtfache Torschütze Arturo Vidal (l.)
Er steht wie kaum ein anderer für Bayers starke Saison: Der achtfache Torschütze Arturo Vidal (l.)

Bayer jagt den BVB

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Leverkusen - Bayer 04 Leverkusen hat wieder einmal sehr viel richtig gemacht. Die Hinrunde der Saison 2010/11 schloss die "Werkself" punktegleich aber hinter den Shootingstars des 1. FSV Mainz 05 auf dem 3. Platz ab. In der Europa League setzte sich Bayer in einer Gruppe mit Titelverteidiger Atletico Madrid ungeschlagen als Erster durch. Nur der Pokal-K.o. beim Schlusslicht Mönchengladbach trübt die starke Bilanz.

Im Sommer wussten die Verantwortlichen von Bayer Leverkusen noch nicht so richtig, was sie von dieser Saison erwarten sollten. Eine Menge Fragen warteten auf eine Antwort. Wie würde die Bayer-Elf die vergangene Saison verarbeiten können? 24 Spieltage lang ungeschlagen, ein halbes Jahr Tabellenführer und am Ende "nur" Platz 4.

Spektakulärer Sommertransfer

Wie fit sind die Schlüsselspieler von Trainer Jupp Heynckes? René Adler, Simon Rolfes und vor allem Bayers spektakulärer Sommertransfer Michael Ballack hatten die WM durch Verletzungen verpasst und schienen nicht nur physisch sondern auch mental angeschlagen zu sein. Vor allem Ballack hatte an der zusätzlichen, überflüssigen Diskussion über seine Zukunft als Kapitän der Nationalmannschaft zu knabbern.

Wie würde Stefan Kießling sein Rerservistendasein in Südafrika verarbeiten, wo er nur in zwei Spielen einige wenige Minuten mitspielen durfte? Das alles waren nicht zu unterschätzende Faktoren. Denn Bayer ist in dieser Hinsicht ein gebranntes Kind. Nach der WM 2002 und drei Vizetiteln zuvor stürzte Leverkusen in der darauf folgenden Bundesliga-Saison ab und rettete erst am letzten Spieltag mühsam die Klasse.

Leistungsträger zu Saisonbeginn verletzt

Diesmal lief alles besser, viel besser. Gleich am 1. Spieltag entzauberten die Rheinländer Borussia Dortmund im Signal Iduna Park locker mit 2:0. Selbst der 3:6-Rückschlag gegen Borussia Mönchengladbach brachte Bayer nicht aus der Spur. Ebenso wenig die folgenden Nackenschlägen in Form der schweren Verletzungen von Michael Ballack am 3. Spieltag und von Stefan Kießling eine Woche später. Beide Nationalspieler fielen monatelang aus.

Weitgehend unspektakulär zog Leverkusen in den folgenden Wochen seine Kreise, fuhr solide die Punkte ein und etablierte sich im oberen Tabellen-Drittel. Vor allem auswärts überzeugte die "Werkself". Am 9. Spieltag kassierte Bayer die zweite und bislang letzte Saisonniederlage, 0:1 gegen Mainz, wieder in der BayArena, in der Leverkusen nur drei der neun Heimpartien gewann.

Sportchef Völler mit dem Abschneiden zufrieden

Nach 17 Spieltagen notieren wir bei Bayer Leverkusen 33 Punkte, neun Siege, sechs Remis und nur zwei Niederlagen. 35 Tore hat Leverkusen erzielt und damit den zweitbesten Wert der Liga vorzuweisen. "Wir können mit der Vorrunde im Großen und Ganzen sehr gut leben", freut sich Bayers Sportchef Rudi Völler.

"Wir sind in unserer Gruppe in der Europa League Erster geworden. In der Meisterschaft sind wir nahe dran an den Champions League-Plätzen. Das wollen wir am Ende der Saison erreichen. Und dafür sind wir auf einem guten Weg", lautet Völlers positives Halbzeitfazit.

Volltreffer Sidney Sam

Es hat sich bewährt, dass Bayer vor der Saison neben dem Coup mit Michael Ballack auch den Kader in der Breite verstärkt hat. Spieler wie Hanno Balitsch oder Nicolai Jörgensen fügten sich nahtlos ein, als Volltreffer entpuppte sich die Verpflichtung des dribbelstarken Sidney Sam, der das Offensivspiel spürbar belebte und in 14 Spielen sechs Tore erzielte.

Dank dieser Alternativen konnte Jupp Heynckes auch munter rotieren lassen, ohne dass die Mannschaft spürbar an Qualität einbüßte. Ein lange verletzter Simon Rolfes wurde langsam an die erste Elf herangeführt und zuvor vom talentierten Lars Bender gut vertreten.

Heynckes lobt Vidal in den höchsten Tönen

Zum echten Leader aber stieg Arturo Vidal (mit acht Treffern Bayers torgefährlichster Spieler) auf, dem Heynckes seine Mätzchen austrieb. "Arturo reißt das Spiel immer mehr an sich", freut sich der erfahrene Coach, um noch ein fast überschwengliches Lob hinterher zu schieben:

"Er ist nicht nur für das Grobe zuständig, für die Balleroberung. Sondern er leitet auch das Spiel und führt die Mannschaft. Das ist eine sehr positive Entwicklung. Er hat auch die Kapazität, vorne reinzugehen und Torgefahr auszustrahlen. Er hat viele Facetten, die ein Topspieler braucht. Bei ihm ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht."

Dortmunds Konkurrent Nummer eins?

Das gilt für die ganze Mannschaft, die in dieser Saison auch mehrere Systeme beherrscht und dadurch schwieriger auszurechnen ist. Heynckes variiert zwischen Systemen mit einem und zwei Stürmern, worunter zuletzt allerdings Patrick Helmes etwas litt, der sich über zu wenig Einsatzzeiten monierte. Im Sturm ist die Konkurrenz groß.

Für viele Experten ist Bayer Leverkusen der ernsthafteste Konkurrent von Borussia Dortmund. Wäre da nicht das Image des ewigen "Vizekusens". Gegen den Titelgewinn spricht auch, dass Bayer wie schon in der letzten Saison, als die "Werkself" kein einziges Spiel gegen einen direkten Titelanwärter gewinnen konnte, sich auch in den Spitzenspielen dieser Saison abgesehen vom Auftaktsieg in Dortmund schwer tut. Weder gegen Mainz (0:1), noch gegen Hannover (2:2), Bayern München (1:1) und auch nicht gegen Freiburg (2:2) siegte Bayer 04.

Schon am ersten Rückrundenspieltag kann Leverkusen aber gegen Borussia Dortmund im Duell der letzten beiden Herbstmeister den Gegenbeweis antreten. Für mehr Spannung in der Bundesliga wäre es nicht das Schlechteste.

Tobias Gonscherowski