Alles eine Frage der Geduld

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München - Hermann Gerland war der einzige Akteur, dem die Haupteigenschaft dieses Champions-League-Abends abhanden gekommen war. Der Co-Trainer des FC Bayern verlor die Geduld bei der Partie des deutschen Rekordmeisters gegen den AS Rom.

Wenige Momente vor der tatsächlichen Einwechslung der beiden Bayern-Stürmer Miro Klose und Mario Gomez in der 67. Minute konnte Gerland einfach nicht mehr still sitzen. Noch während das Spiel lief, riss der "Tiger" an der Seitenlinie die Auswechseltafel hoch, um seine Schützlinge aufs Feld zu bringen.

Geduld für ein "hartes stück Arbeit"

Der vierte Offizielle, also der eigentlich für diesen Job zuständige Mann, schaute einen Moment lang verdutzt, erkannte die Situation blitzschnell, nahm die Auswechseltafel an sich und beruhigte den sichtlich aus dem Konzept gebrachten Gerland. Kurz darauf ruhte der Ball, das Spiel war unterbrochen und Klose und Gomez betraten den Platz.

Außer Gerland wussten die Bayern jedoch alle, was sie gegen den mit zwei dichten Viererketten vor dem eigenen Strafraum operierenden Gast aus Rom zu tun hatten. Das Zauberwort des Abends lautete "Geduld". "Es war ein hartes Stück Arbeit. Die Römer sind mit einer sehr defensiven Einstellung hierher gekommen. Sie wollten nicht gewinnen, sondern nur einen Punkt mitnehmen. Daher war es mit sehr viel Geduld verbunden, dass wir den Sieg erringen", erklärte Thomas Müller, der mit einem Traumtor seine Mannschaft in der 79. Minute erlöste.

Ereignislose erste Halbzeit

Tatsächlich sahen die 66.000 Zuschauer in der ausverkauften Allianz Arena in den ersten 45 Minuten ein wenig attraktives Spiel. Es dauerte bis zur 24. Minute, bis der FC Bayern den ersten Eckstoß herausgeholt hatte. Die ersten beiden Schüsse, die zumindest im Ansatz in Richtung gegnerisches Tor flogen, folgten kurz darauf durch Philipp Lahm (26.) und Toni Kroos (27.). Ansonsten dominierten lange Ballstafetten der Münchener, ohne nennenswerten Ertrag. Im Spiel nach vorne fehlten das Tempo und der Mut, auch mal mit Risiko auf die einzige Spitze Olic zu passen.

"Wir hatten sehr viel Ballbesitz und haben ordentlich gespielt, nur die Chancen sind nicht dabei herausgesprungen. Es war uns aber klar, dass es ein Geduldsspiel wird und wir sie irgendwann in der zweiten Halbzeit kaputt gespielt haben ", sagte Holger Badstuber, der per Freistoß das entscheidende 2:0 durch Klose (83.) vorbereitete. Bastian Schweinsteiger schlug in die gleiche Kerbe: "Wir haben es mit Geduld gemacht. Wir haben es geschafft, den Ball laufen zu lassen und den Gegner müde zu spielen. So haben wir ihn bereit gemacht für die zweite Halbzeit."

Van Gaal fordert Geduld

Nach Wiederanpfiff erhöhte der Deutsche Meister stetig den Druck, die Italiener, deren Meisterschaft erst vor gut zwei Wochen gestartet ist, offenbarten konditionelle Mängel. "Man hat im zweiten Durchgang gemerkt, dass die Römer müde waren. Dadurch taten sich immer mehr Räume auf und wir sind zu immer mehr Chancen gekommen", beschrieb Toni Kroos, der von Beginn auf der zentralen offensiven Mittelfeldposition agieren durfte, das Geschehen,

FCB-Trainer Louis van Gaal hatte diesen Prozess in der Kabine bereits vorausgesehen. "Der Trainer wurde nicht laut in der Pause. Er hat uns gesagt, dass wir Geduld bewahren und an uns glauben sollen", berichtete Hamit Altintop gegenüber bundesliga.de von der Halbzeitbesprechung.

Am liebsten hätte van Gaal wohl auch das Wort an die Zuschauer gerichtet, die nach dem x-ten Querpass bereits kurz vor der Pause mit Pfiffen die Leistung ihrer Mannschaft quittierten. "Die Fans müssen auch verstehen, dass wir Zeit brauchen, eine Mannschaft kaputt zu spielen, wenn die mit zehn Mann hinterm Ball steht", bat der Niederländer zumindest nach Schlusspfiff um mehr Verständnis auf den Rängen.

Auftakt nach Maß und Selbstvertrauen für die Bundesliga

Schuss um Schuss flog in Durchgang zwei in Richtung von Roma-Torwart Julio Sergio. Besonders Kroos und Müller taten sich in dieser Drangphase der Bayern hervor. Mit der Umstellung auf eine Doppelspitze mit Klose und Gomez wurde der Druck schließlich zu groß, Müller fand die erlösende Lücke im römischen Bollwerk zur hoch verdienten Führung und Vorentscheidung.

Durch den 2:0-Heimsieg gegen den vermeintlich stärksten Gruppengegner haben die Bayern also einen Auftakt nach Maß in die "Königsklasse" hingelegt - 116 Tage nach dem verlorenen Finale von Madrid gegen Inter Mailand. Und auch für die Bundesliga, wo der Start mit vier Punkten aus drei Spielen etwas holprig ausfiel, "haben wir jetzt wieder Selbstvertrauen getankt", sagte Badstuber. Gegen den 1. FC Köln am Samstag erwartet den Rekordmeister vermutlich ein ähnliches Spiel gegen einen extrem defensiv eingestellten Gegner.

Bis dahin wird sicherlich auch "Tiger" Gerland seine Geduld wiedergefunden haben…

Aus der Allianz Arena berichtet Denis Huber