Sebastian Kehl (M.) war beim Anpfiff der älteste Spieler auf dem Feld. Dennoch war er mit 12,9 km der lauffreudigste Spieler auf dem Platz. Hier herzt er den Matchwinner Robert Lewandowski
Sebastian Kehl (M.) war beim Anpfiff der älteste Spieler auf dem Feld. Dennoch war er mit 12,9 km der lauffreudigste Spieler auf dem Platz. Hier herzt er den Matchwinner Robert Lewandowski

Alle Erwartungen erfüllt

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Köln - Das Problem mit hohen Erwartungen ist häufig, dass sie relativ leicht zu enttäuschen, dafür aber umso schwerer zu erfüllen sind. So gibt es an Weihnachten in vielen Wohnzimmern lange Gesichter, wenn doch nicht das heiß gewünschte Pony unter dem Baum steht.

Kapitän Kehl marschiert

Beim Spitzenspiel in Dortmund gab es im übertragenden Sinne statt einem gleich mehrere Ponys. Und das neue Ipad gleich dazu. Borussia Dortmund und der FC Bayern München lieferten im Signal Iduna Park ein ab und übertrafen in puncto Spannung und Dramatik selbst die kühnsten Erwartungen. Großchancen auf beiden Seiten, ein verschossener Elfmeter, mehrere Aluminiumtreffer. Fußballherz, was willst du mehr?



Die Trackingdaten der Partie spiegeln die unterschiedlichen Spielweisen der beiden besten deutschen Mannschaften akkurat wider. Der FC Bayern ließ auch in Dortmund - vor allem in der zweiten Halbzeit - gekonnt den Ball laufen, hatte mehr Ballbesitz (56 Prozent) und eine bessere Passquote (84 Prozent) als die Borussia. Dortmund spielte insgesamt weniger Pässe und brachte auch weniger davon zum Mitspieler (80 Prozent), dafür waren die Mannen von Jürgen Klopp mehr unterwegs und legten starke 121, 3 km zurück - Platz 3 der Spieltagswertung. Ausgerechnet der bis zur Einwechslung von Ivica Olic älteste Feldspieler tat sich läuferisch besonders hervor: Sebastian Kehl war mit 12,9 zurückgelegten Kilometern der fleißigste Akteur auf dem Platz.

Arbeit ist Trumpf beim BVB. So erzielte Matchwinner Robert Lewandowski nicht nur das Goldene Tor, sondern schmiss sich auch mit großem Eifer in die Zweikämpfe. 38 direkte Duelle bestritt der polnische Nationalstürmer - die meisten auf dem Feld. Starke 21 davon entschied er für sich. Bei den Bayern zog Toni Kroos im Mittelfeld die Fäden. Fast jeder Angriff lief über den Nationalspieler, der die meisten Ballkontakte hatte (100).

Elfmeterheld Weidenfeller



Endgültig zum Drama wurde das Spiel, als Roman Weidenfeller erst einen Elfmeter verursachte, nur um seinen eigenen Fehler sofort wieder auszubügeln. In seiner bisherigen Bundesliga-Karriere hatte der Dortmunder Schlussmann lediglich drei von 21 Strafstößen parieren können, während Arjen Robben alle seine sieben Elfmeter sicher verwandelte. Doch beim achten scheiterte der Holländer. Weidenfeller wurde zum Helden und gab nach dem Spiel ehrlich zu Protokoll, dass er eigentlich ja kein Elfmetertöter sei, aber die wichtigen halte.

Eine Spitzenleistung zeigte auch der Unparteiische Knut Kircher, der die Partie jederzeit im Griff hatte und komplett ohne gelbe Karte auskam. Erst zum sechsten Mal in den letzten 50 Bundesliga-Spielen zwischen Dortmund und München gab es keine Verwarnung. Fast genau vor elf Jahren kam es an gleicher Stelle zu einer regelrechten Kartenflut: In der Spielzeit 2000/01 empfing der Tabellenzweite Borussia Dortmund den Tabellenführer aus München. Das Spiel endete 1:1, aber in Erinnerung blieben vor allem die zehn gelben, zwei roten und eine gelb-rote Karte. Bis heute Bundesliga-Rekord. Gestern blieb, auch dank der Klasseleistung von Knut Kircher, alles fair.

Kämpfende Bremer gegen sprintende Gladbacher



Doch nicht nur in Dortmund gab es in dieser englischen Woche dramatischen Fußball zu sehen. In Bremen erkämpfte sich Werder ein gegen Mönchengladbach, obwohl die Mannschaft von Thomas Schaaf über eine Stunde in Unterzahl spielen musste. Der SVW glich die numerische Unterlegenheit durch großen Kampf- und Einsatzwillen aus. Zehn Hanseaten liefen beachtliche 115,3 km - mehr als die Spieler der Borussia. Zlatko Junuzuvic marschierte läuferisch vorne weg und war mit 13,1 km der Kilometerfresser des Spieltages. Gladbach lief etwas weniger, dafür aber häufiger im höchsten Tempo. Die 208 Sprints der Mannschaft von Lucien Favre sind der beste Wert des Spieltages. Allein Marco Reus zog 35 Sprints an. Da konnte lediglich Leverkusens Andre Schürrle mithalten, der ebenfalls 35 Sprints absolvierte.

Im falschen Film gewähnt dürften sich die Akteure des Hamburger SV, die in Hoffenheim 60 Prozent Ballbesitz hatten und genauso oft aufs Tor schossen wie 1899, am Ende beim aber chancenlos waren. Am kommenden Wochenende kommt es zum nächsten Schlagerspiel, wenn der FC Schalke 04 zum Revierderby Borussia Dortmund empfängt. Die Erwartungen werden wieder hoch sein, aber Ponys kann man eigentlich nie genug haben.

Florian Reinecke