Für Werder-Trainer Robin Dutt und seine Elf wird die Luft langsam dünn
Für Werder-Trainer Robin Dutt und seine Elf wird die Luft langsam dünn

Abstiegsangst an der Weser

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Berlin - Der dichte Nebel im Berliner Olympiastadion am Freitagabend hätte eigentlich ein Vorteil für die Bremer sein sollen - im heimischen Weserstadion ziehen die Schwaden häufiger durch die Arena. Doch am Ende fuhren die Grün-Weißen mit leeren Händen nach Hause - und jeder Menge Ratlosigkeit.

Dabei hatte es aus Werder-Sicht ganz gut begonnen: 1:0 in Führung gegangen, später immerhin den 1:2-Rückstand egalisiert und das Unentschieden verdient in die Kabine mitgenommen. Doch schon in der ersten Halbzeit hatte sich die Werder-Abwehr weich wie Wackelpudding präsentiert. Die Quittung folgte nach dem Seitenwechsel in Form des 2:3 (Spielbericht).

Handfeste Krise

So standen die Werderaner mit leeren Händen da und die Ursachenforschung für die handfeste Krise der Grün-Weißen begann. Anders kann man es kaum bezeichnen, was die Mannschaft von Robin Dutt in den vergangenen Wochen abgeliefert hat: Nur ein Sieg aus den letzten zehn Spielen und die letzten fünf Partien ganz ohne Dreier. Schon 37 Gegentore, davon allein 20 in den letzten fünf Spielen - das ist eins mehr als Hertha in der gesamten Saison kassierte. Und nur 16 Punkte aus den ersten 16 Spielen, so wenige holte Werder zuletzt vor 39 Jahren.

So konnte sich Aaron Hunt, der den angeschlagenen Clemens Fritz als Kapitän vertrat, verständlicherweise auch nicht über sein 42. Tor im 200. Bundesliga-Spiel freuen. "Wir lernen einfach nicht aus unseren Fehlern, die wir Woche für Woche machen", sagte der Mittelfeldspieler und wurde noch deutlicher: "Wir kriegen viel zu einfach Gegentore, das ist jede Woche die gleiche Scheiße." Die Konsequenz daraus sprach der 27-Jährige offen aus: "Wir haben wieder nicht gewonnen und sind jetzt mitten drin im Abstiegskampf."

Dutt: "Ich kann die Tabelle lesen"

 Abstiegskampf? Das Wort stand bei Werder bislang auf dem Index. Und Robin Dutt wollte es auch in Berlin nicht in den Mund nehmen: "Wir haben eine schlimme Phase, das ist überhaupt kein Thema", räumte der Werder-Coach zwar ein, "dabei bringt es uns aber nichts, über die Tabelle zu sprechen. Damit ist uns nicht geholfen. Wir müssen über unsere Schwächen sprechen“, forderte der 48-Jährige. Indirekt verdeutlichte aber auch Dutt, dass er weiß, was die Stunde geschlagen hat: "Ich kann die Tabelle lesen, da sind nicht mehr viele Mannschaften hinter uns."

"Ein Riesenproblem ist, dass praktisch jeder Ball, der in unseren Strafraum kommt, eine Riesenchance für den Gegner ist", sah der Coach das Problem ähnlich wie Hunt vor allem auf der individuellen Ebene. Auf genau dieser wirkte Dutt zugleich aber erstaunlich ratlos: "Es ist immer schwer einen Trainingsinhalt zu finden, der zum Schwerpunkt hat: Hoppla, da kommt noch ein Stürmer, der ein Tor schießen könnte."

Es fehlt ein Abwehrchef

 Letzten Endes liegt Dutt aber wohl richtig mit seiner Weigerung, selber das Thema Abstiegskampf offensiv zu diskutieren. Denn das Problem der Grün-Weißen ist ja nicht die Moral. Das zeigt schon die Tatsache, dass sowohl in Hoffenheim (zwei Mal) als auch in Berlin ein Rückstände wettgemacht wurden. Dutts Rechnung sieht so aus: Es gebe im Fußball "vier wesentliche Faktoren" – Athletik, Mentalität, Offensive und Defensive. Bei den ersten drei sehe es "gut bis sehr gut" aus, nur beim Abwehrverhalten hake es.

Neben den individuellen Aussetzern - und damit zusammenhängend - scheint das Hauptproblem der Werder-Viererkette das Fehlen eines echten Abwehrchefs zu sein, der die Defensive organisiert. Vielleicht könnte sich das ändern, wenn Sebastian Prödl demnächst zurückkehrt. Der österreichische Nationalspieler laboriert seit über sechs Wochen an einem Muskelfaserriss. In den neun Ligaspielen mit dem Innenverteidiger kassierte Werder zwölf Gegentore, in den übrigen sieben Partien 25. Anfang der Woche ist Prödl wieder ins Training eingestiegen, ob es allerdings noch vor dem Ende der Hinrunde was wird, ist fraglich. 

Aaron Hunt fordert nun: "Wir müssen die Situation annehmen." Werder habe jetzt noch ein Spiel "gegen einen schweren Gegner" vor der Winterpause - der starke Tabellenzweite aus Leverkusen gastiert am kommenden Samstag im Weserstadion. "Da sollten wir möglichst einen Dreier holen."

Aus Berlin berichtet André Anchuelo