Gemischte Gefühle bei der "Alten Dame": Hertha BSC dreht einen Zwei-Tore-Rückstand gegen Union, verpasst aber den Sprung an die Tabellenspitze
Gemischte Gefühle bei der "Alten Dame": Hertha BSC dreht einen Zwei-Tore-Rückstand gegen Union, verpasst aber den Sprung an die Tabellenspitze

Wochen der Wahrheit nach denkwürdigem Derby

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Berlin - Was für ein verrücktes Derby! Am Montagabend ging Hertha BSC gegen den Lokalrivalen 1. FC Union Berlin als Favorit in die Partie und durfte sich am Ende als moralischer Sieger fühlen, obwohl mit dem nur ein Punkt heraussprang.

Freude über den Ausgleich, Ärger über den verpassten Sieg

Es war eines dieser Spiele, die man so oder so sehen kann: Durch den verpassten Sieg ließen die Hausherren die Chance aus, erstmals in dieser Saison an die Tabellenspitze zu springen. Zugleich schrumpfte der Vorsprung auf Platz 3 von zehn auf acht Punkte, weil der 1. FC Kaiserslautern am Freitag gewonnen hatte. Auch spielerisch vermochte Hertha gegen exzellent eingestellte Unioner nur selten zu überzeugen. Das ist die eine Seite.

Die andere Seite sieht so aus: Trotz einer insgesamt nur durchwachsenen Leistung verloren die Herthaner nie den Glauben und holten deshalb nach 0:2-Rückstand zumindest noch den einen Punkt. Damit ist der Aufstiegsaspirant inzwischen seit 19 Spielen ungeschlagen. Mit den Einwechslungen von Levan Kobiashvili, Änis Ben-Hatira und Sandro Wagner demonstrierte Hertha-Coach Jos Luhukay einmal mehr, wieviel Qualität er selbst auf der Reservebank noch zur Verfügung hat. Entscheidend war am Ende die individuelle Klasse der Torschützen Adrian Ramos und vor allem Ronny.



Ungefähr so ambivalent war nach der Partie auch die Gefühlslage von Spielern und Trainern. "Für solche Spiele hat es sich gelohnt, weiter Fußball zu spielen", bekannte ein überglücklicher Levan Kobiashvili. Der Linksfuß war nach der Abstiegsrelegation gegen Fortuna Düsseldorf die gesamte Hinrunde gesperrt gewesen und kam nun per Einwechslung zur zweiten Halbzeit erstmals wieder zum Einsatz. Artig bedankte sich der Georgier bei Trainer Luhukay, musste aber auch einräumen: "Für mich persönlich war das gut, aber insgesamt wäre es besser gewesen, wenn wir am Ende noch gewonnen hätten."

Dass es überhaupt nach langem Rückstand noch zu einem Punkt reichte, lag zu einem Großteil an Ronny. Der Mittelfeldstar legte zunächst in der 73. Minute per Eckball zum 1:2 durch Ramos auf, ehe er selber das 2:2 besorgte. "Glücklicherweise habe ich mit dem Freistoß noch den Ausgleich erzielt", freute sich der Brasilianer, grämte sich aber ebenfalls. "Es ist schade, dass wir keine drei Punkte geholt haben."

"Die Moral in der Mannschaft stimmt"



Dennoch: "Es ist nicht selbstverständlich, dass man nach einem 0:2 noch zurückkommt", brachte der eingewechselte Sandro Wagner die blau-weiße Gefühlslage auf den Punkt. "Das zeigt, dass die Moral in der Mannschaft stimmt." Selbst wenn es nicht gut laufe, hob auch Jos Luhukay hervor, "schafft es keine Mannschaft, uns zu besiegen". Trotzdem sei man "selbstkritisch" und werde "das Spiel in den nächsten Tagen aufarbeiten". Er könne seiner Mannschaft jedenfalls "absolut keinen Vorwurf machen".

Viel Zeit, dieses denkwürdige Derby zu analysieren, hat man bei Hertha ohnehin nicht. "Es geht gleich weiter", weiß Ronny. "Wir werden unter der Woche wieder hart arbeiten und denken jetzt an die nächste Partie." Damit dürfte der Charlottenburger Club gut beraten sein, geht es doch am Samstag zur Überraschungmannschaft VfR Aalen. Der Aufsteiger trotzte zuletzt dem Tabellenführer Eintracht Braunschweig ein 1:1 ab und ist als Siebter mittendrin im Verfolgerfeld hinter Platz 3.

Danach kommt es noch härter: Im nächsten Heimspiel, erneut am Montagabend, empfängt die Hertha den FCK. Die "Roten Teufel" haben an den nächsten Spieltagen also die vielleicht letzte Chance, noch mal Rang 2 und damit einen direkten Aufstiegsplatz anzugreifen. Die "Alte Dame" steht also vor den Wochen der Wahrheit. Luhukay bleibt dennoch gewohnt gelassen: "Wir müssen weiter unseren Weg gehen, dann werden wir auch unser Ziel erreichen." Und das lautet weiterhin: In der nächsten Saison kein Berliner Derby in der 2. Bundesliga.

Aus Berlin berichtet Andre Anchuelo