Hertha BSC ist nach einem Jahr zurück in der Bundesliga. Aber kaum ist der Aufstieg geschafft, geht die Angst vor dem neuerlichen Abstieg um
Hertha BSC ist nach einem Jahr zurück in der Bundesliga. Aber kaum ist der Aufstieg geschafft, geht die Angst vor dem neuerlichen Abstieg um

Hertha BSC: Nach dem Aufstieg ist vor dem Abstiegskampf

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Berlin - Ausgelassen war die Stimmung, aber nicht euphorisch: Nachdem Hertha BSC mit dem am Sonntag den sechsten Aufstieg ins Oberhaus perfekt gemacht hatte, feierten Spieler, Trainer, Verantwortliche und Fans in der Hauptstadt den Erfolg mit Begeisterung. Aber es war ein wenig anders als noch vor zwei Jahren.

Der "Königstransfer” war der Trainer

Zwar zeigten die Herthaner in dieser Saison sportlich vielleicht sogar noch bessere Leistungen als 2010/11. Doch während man sich damals noch weitgehend einig schien, dass der vorangegangene Abstieg lediglich ein "Betriebsunfall" gewesen war, hatte der jüngste Gang in die 2. Bundesliga viel mehr Porzellan zerschlagen. Der unrühmliche Abgang mit den Vorfällen um die Relegationsspiele gegen Fortuna Düsseldorf inklusive juristischem Nachspiel stellte da nur die Spitze des Eisbergs dar.



So kam es diesmal nur zu einem klitzekleinen Autokorso am berühmten Ku'damm. Immerhin musste sich Sportdirektor Michael Preetz, der zuvor noch geschickt allen Bierduschen ausgewichen war, einige Zeit nach Spielende doch noch tüchtig nassmachen lassen: Mit sanftem Druck verfrachteten Kapitän Peter Niemeyer und Innenverteidiger Roman Hubnik den einstigen Nationalspieler kopfüber ins Entmüdungsbecken im Bauch des Olympiastadions.

Schließlich war es Preetz gewesen, der nach der verkorksten Vorsaison als Sportdirektor noch selber auf der Kippe gestanden hatte, dann aber mit dem "Königstransfer” für diese Spielzeit den Grundstein zum Erfolg gelegt hatte: Die Verpflichtung von Trainer Jos Luhukay, darüber sind sich in der Hauptstadt alle einig, war der entscheidende Schritt bei der sofortigen Rückkehr ins Oberhaus. Der Niederländer, der bereits Borussia Mönchengladbach und den FC Augsburg in die Bundesliga geführt hatte, war mit seiner ruhigen und akribischen Art genau der richtige Mann in der unruhigen Medienstadt Berlin.

Luhukay bringt Ronny und Ramos auf Kurs



Doch auch intern fand Luhukay immer die richtigen Mittel. Unter ihm wurde der Brasilianer Ronny vom schlampigen Genie zum Spieler der Saison. Der Spielmacher dankte es seinem Trainer und Verein nicht nur mit bis dato 16 Toren und elf Assists, sondern auch mit einer Verlängerung seines auslaufenden Vertrages bis 2017. Luhukay brachte auch Stürmer Adrian Ramos, in der Abstiegssaison nur noch ein Schatten seiner selbst, den Spaß am Fußball zurück.

Vielleicht noch wichtiger: Der Coach schaffte es, einen für die 2. Bundesliga qualitativ und quantitativ stark besetzten Kader so auszutarieren, dass jeder sein Ego hintenanstellte. So mussten sich erfahrene Spieler wie Sandro Wagner, Sami Allagui, Maik Franz, Änis Ben-Hatira oder Roman Hubnik oftmals mit der Bank begnügen, ohne hörbar zu murren. "Am wichtigsten war, eine Mannschaft zu formen, die als Kollektiv auftritt, dem sich alle unterordnen", beschrieb Luhukay selbst seine Aufgabe in der Rückschau.

Nach Fehlstart ein halbes Jahr ungeschlagen



Dabei war der Saisonstart alles andere als gelungen: Nach nur einem Punkt aus den ersten zwei Spielen war der Aufstiegskandidat Drittletzter. Es folgte das blamable Pokalaus beim Viertligisten Wormatia Worms und eine ungewöhnliche Wutrede von Luhukay. Der Knackpunkt war dann womöglich das 2:1 beim Lokalrivalen 1. FC Union Berlin am 4. Spieltag. Hertha kletterte damit auf Rang 6 und von da an ging es nur noch bergauf. Luhukay bewies damals sogar hellseherische Fähigkeiten: "Unser Ziel ist es, dass wir ab Oktober in der 2. Bundesliga unschlagbar sind." Tatsächlich blieben seine Mannen dann immerhin über ein halbes Jahr ohne Niederlage.

Doch nicht nur im Umgang mit seinen Stars bewies der 49-Jährige sein Können. Im Laufe der Saison baute der Fußballlehrer auf mehrere Nachwuchsspieler, die vorher wohl niemand auf dem Zettel hatte. Der 20-jährige John-Anthony Brooks avancierte in der Innenverteidgung zum Stammspieler, gleiches gilt für Nico Schulz (ebenfalls 20) auf der offensiven Außenbahn. Auch die 22-jährigen Defensiv-Allrounder Fabian Holland und Alfredo Morales konnten sich trotz namhafter Konkurrenz in den Fokus spielen.

Vorfreude und Sorge



Nun ist man an der Spree voller Vorfreude auf die Bundesliga. Berlins Innensenator Frank Henkel sprach aus, was viele dachten: "Das ist ein wunderbarer Tag für Berlin." Doch nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre ist gleichzeitig der Realismus merklich größer geworden. Zu groß ist die Sorge, dass der Hauptstadtclub weiter im Fahrstuhl zwischen den Ligen stecken bleibt. "Jetzt kommt es für Hertha darauf an, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, langfristig im Oberhaus zu bleiben", brachte es Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit in einem Gastkommentar für die "Berliner Morgenpost" auf den Punkt.

Kurzfristig kann es deshalb in der neuen Saison nur um den Klassenerhalt gehen. Teure Neuzugänge sind im Sommer nicht zu erwarten, zumal man den Kader "schon im letzten Sommer mit Blick auf die Bundesliga zusammengestellt" habe, wie Luhukay erklärte. Jetzt gelte es vor allem, die mannschaftliche Geschlossenheit auch in der Bundesliga beizubehalten, so der Coach. Die Euphorie bei den Fans wird dann wohl früher oder später von alleine zurückkehren.

Aus Berlin berichtet Andre Anchuelo