Der Blick von Marc Schnatterer geht immer nach oben. Mit Heidenheim hat er noch viel vor - © © DFL DEUTSCHE FUSSBALL LIGA / Thomas Niedermueller
Der Blick von Marc Schnatterer geht immer nach oben. Mit Heidenheim hat er noch viel vor - © © DFL DEUTSCHE FUSSBALL LIGA / Thomas Niedermueller

Heidenheims Marc Schnatterer: "Es ist eine Ehre, in der 2. Bundesliga zu spielen"

xwhatsappmailcopy-link

Köln - Er ist das Gesicht eines ganzen Clubs. Seit zehn Jahren prägt Marc Schnatterer den 1. FC Heidenheim 1846 wie kein anderer Spieler. Seit dem Aufstieg des FCH in die 2. Bundesliga im Sommer 2014 hat "Mr. Heidenheim" nur zwei Pflichtspiele wegen Verletzungen verpasst - Ende der vergangenen Saison nach zuvor 134 Spielen am Stück. Nach einer enttäuschenden Saison 2017/18 will er nun mit Heidenheim wieder angreifen. Im Interview mit bundesliga.de spricht der Kapitän über die Perspektiven des FCH in dieser Spielzeit, Angebote aus der Bundesliga und seine berufliche Zukunft.

Video: Tolle Tore von Marc Schnatterer

bundesliga.de: Herr Schnatterer, ist für Sie ein Spiel in der 2. Bundesliga wie zum Saisonstart am kommenden Wochenende gegen Arminia Bielefeld noch immer ein Abenteuer oder doch mehr Routine?

Marc Schnatterer: Ein Auftaktspiel ist immer etwas Besonderes für die Zuschauer und die Spieler, man ist neugierig und gespannt und weiß noch nicht so genau, wo man steht. Natürlich hilft die Erfahrung, aber ein erster Spieltag in der 2. Bundesliga ist immer etwas Besonderes.

Hier geht es zum Matchcenter #FCHDSC

bundesliga.de: Die vergangene Saison verlief für den 1. FC Heidenheim 1846 nicht wunschgemäß, es ging bis zuletzt um den Klassenerhalt. Was ist in dieser Saison die Herausforderung für Ihren Club, nachdem es in den Jahren zuvor stetig bergauf ging?

Schnatterer: Das letzte Jahr war wirklich durchwachsen, deshalb ist die Aufgabe in dieser Saison, als Mannschaft und Verein wieder besser zu funktionieren. Es muss sich gedanklich etwas verändern. Wir müssen einen deutlich besseren Start hinlegen als letztes Jahr, vergangene Saison sind wir von Anfang an hinterher gehinkt – und dann kommt irgendwann der Moment, wo man gewinnen muss. Und das ist dann nicht so einfach.

Schnatterer, Männel & Co.: die heimlichen Helden der 2. Bundesliga

bundesliga.de: Sie sagen, es muss sich gedanklich etwas verändern. Hat in Heidenheim in den letzten Jahren das Professionelle das Familiäre etwas in den Hintergrund gedrängt?

Schnatterer: Wer schon länger dabei ist wie ich, der spürt das familiäre Flair schon noch. Aber mit den Aufstiegen nimmt die Professionalität auch zu. Man kann die Situation nicht mehr ganz mit der vor fünf, sechs Jahren vergleichen. Und dennoch sind wir nach wie vor noch ein kleiner Verein, in dem ein ganz besonderer Umgang miteinander gepflegt wird.

"Das familiäre Flair in Heidenheim ist noch zu spüren. Aber mit den Aufstiegen nimmt die Professionalität auch zu."

Zu seinem zehn-jährigen Clubjubiläum stehen die Mitspieler allesamt mit Schnatterer-Maske Spalier - © imago / Eibner

bundesliga.de: Merken Sie diese Veränderung auch an der gestiegenen Erwartungshaltung der Fans, die nicht mehr jede Grätsche wie einen Sieg bejubeln?

Schnatterer: Wir haben die Fans in den letzten Jahren auch verwöhnt und daran werden wir gemessen. Aber auch da muss man wieder ein bisschen zur Realität zurückfinden, wir konkurrieren mit Vereinen mit ganz anderen Möglichkeiten. Aber vielleicht zeigt so eine Saison wie die letzte ja auch, dass die kommende, fünfte Saison in Serie in der zweiten Liga für den 1. FC Heidenheim 1846 keine Selbstverständlichkeit sein darf, sondern dass das eine Ehre ist, dabei zu sein. In Baden-Württemberg sagt man, "nicht gebruddelt ist genug gelobt". Wir sollten bei den Erwartungen etwas entspannter sein und die Dinge richtig einordnen.

bundesliga.de: Merken Sie mit nun 32 Jahren mittlerweile auch die vielen Spiele in Ihren Knochen?

Schnatterer: Ich fühle mich ganz gut, jetzt muss man mal sehen, wie die Runde läuft. Das wird die Zeit zeigen. Wenn ich merken sollte, dass ich nicht jedes Spiel 90 Minuten gehen kann, dann muss ich halt auch einmal draußen bleiben. Aber so gehe ich nicht an die Sache ran, dafür bin ich nach wie vor zu ehrgeizig. So lange ich das Gefühl habe, ich kann aus dem Vollen schöpfen, werde ich das auch tun. Ich fühle mich gut.

Mit 36 Zweitligatreffern ist Marc Schnatterer Rekordtorschütze des FCH. Insgesamt hat er 106 Pflichtspiel-Tore für den Club erzielt - © imago / foto2press

bundesliga.de: Ihre Fitness ist ja ein Phänomen, sie haben in fünf Zweitliga-Spielzeiten nur zwei Spiele verletzungsbedingt verpasst, in zehn Jahren 1. FC Heidenheim nur 16 Pflichtspiele. Gibt es für Ihre Fitness ein Geheimnis?

Schnatterer: Ich mache mir nicht so viele Gedanken darüber, man muss entspannt an die Dinge herangehen. Ich bin bisher gut durchgekommen, ohne große Verletzung. Wenn ich sagen würde, es gibt ein Geheimrezept, dann würde ich lügen. Ich esse gesund, aber ich sündige auch ab und zu, es geht immer darum, sich gut zu fühlen.

Die Top-Favoriten auf den Aufstieg in der 2. Bundesliga

bundesliga.de: Sie stiegen mit Heidenheim von der Regional- in die 3. Liga und dann in die 2. Bundesliga auf und gehörten in jeder Liga zu den Besten. Wie haben Sie das geschafft?

Schnatterer: Es liegt auch daran, dass ich mich beweisen und behaupten will. Ich will auch beweisen, dass ich keine Eintagsfliege bin und mich nicht mit einem guten Jahr zufrieden gebe. Vielleicht war auch ein Grund, dass ich kaum ein Spiel verpasst habe und so schnell Erfahrung sammeln und Konstanz zeigen konnte.

Marc Schnatterer zeigt immer vollen Einsatz - © imago / Eibner

"Ich habe zu Coach Frank Schmidt natürlich ein professionelles Verhältnis, aber auch ein freundschaftliches. Wir haben uns gemeinsam den Traum von der 2. Bundesliga erfüllt, und dafür bin ich ihm unheimlich dankbar."

bundesliga.de: Sie sagen, sie wollten immer beweisen, keine Eintagsfliege zu sein. Rührt diese Einstellung von ihren negativen Erfahrungen in der Jugend beim VfB Stuttgart und später beim Karlsruher SC, wo sie den Sprung in den Profi-Bereich nicht geschafft haben?

Schnatterer: Ich habe immer große Begeisterung für den Fußball gehabt. Natürlich war es eine große Enttäuschung, als ich den VfB verlassen musste. Man setzte auf größere und stabilere Jungs, was auch legitim ist.

bundesliga.de: Blieb Ihr Ziel trotzdem immer Profifußballer, Sie spielten ja dann zu Beginn Ihrer aktiven Zeit in der Oberliga beim SGV Freiberg?

Schnatterer: Der Traum wurde erst in der Oberliga wieder greifbarer. Ich hatte das Gefühl, dass ich mit guten Leistungen wieder da anklopfen kann.

bundesliga.de: War der ehemalige Bundesliga-Trainer Willi Entenmann in Freiberg der Treiber Ihrer Entwicklung?

Schnatterer: Leider war er nur vier Monate mein Trainer, aber er hat mich von der Jugend hochgezogen und mir eine Chance gegeben. Er war sicher ein Förderer von mir, der mir immer Tipps gegeben hat. Er war wichtig für mich, ich bin sehr dankbar, dass er mir zugetraut hat, im Profifußball zu spielen.

bundesliga.de: Sind Sie eigentlich irgendwann plötzlich sehr viel besser geworden?

Schnatterer: Ich habe, als ich die Chance bekam, versucht, diese mit allen Mitteln zu ergreifen. Im Gegensatz zu den meisten Spielern habe ich den Großteil meiner Jugend eben nicht in einem Nachwuchsleistungszentrum verbracht, nachdem ich den VfB Stuttgart in der C-Jugend verlassen musste. Stattdessen habe ich mir in meinen ersten Jahren als Aktiver, zunächst in Freiberg und später in Heidenheim, viel bei erfahrenen Spielern abgeschaut und mir Tipps geholt. Das hat mich rückblickend in dieser Zeit auf jeden Fall in meiner Entwicklung enorm weitergebracht.

Die fünf Top-Talente der 2. Bundesliga

bundesliga.de: Wie groß ist der Anteil des Heidenheimer Trainers Frank Schmidt, der ja noch ein Jahr länger beim Club ist als Sie, an Ihrer Entwicklung?

Schnatterer: Er hat mir von Anfang an meine Stärken gezeigt, nachdem ich vom KSC gekommen bin, wo ich auf einer anderen Position gespielt habe. Er hat mir den Spaß am Fußball wiedergegeben und mir als jungem Spieler den Weg aufgezeigt, den wir nun schon so lange gemeinsam gehen. Man kann schon sagen, dass wir ein besonderes Verhältnis haben. Er hat gemerkt, dass ich lernen will. Wir haben Vertrauen zueinander aufgebaut und er hat mich dann auch irgendwann zum Kapitän gemacht. Wir haben natürlich ein professionelles Verhältnis, aber auch ein freundschaftliches. Wir haben uns gemeinsam den Traum von der zweiten Liga erfüllt, und dafür bin ich ihm unheimlich dankbar.

"Eine Führungspersönlichkeit in Heidenheim sein zu können, gibt mir sehr viel."

bundesliga.de: Hatten Sie eigentlich nie ein Angebot eines Bundesligisten?

Schnatterer: Nein, es gab zwar immer mal wieder lose Anfragen, wie man so sagt, aber es gab kein konkretes Angebot. Woran es lag, weiß ich nicht. Vielleicht haben die Vereine gedacht, der geht eh nie weg aus Heidenheim (lacht).

bundesliga.de: Sie hätten sich einen Wechsel aber schon überlegt?

Schnatterer: Da muss man ja nicht um den heißen Brei herumreden: Wenn man ein Angebot bekommt, dann versucht man höchstwahrscheinlich auch, ob man auf dieser Ebene mithalten kann. Ich war ja aber auch ein Spätstarter und bin nicht mit 20, 21 mit großem Talent durchgestartet.

bundesliga.de: Lebt noch der Traum von der Bundesliga mit Heidenheim in Marc Schnatterer?

Schnatterer: Man hat in der letzten Saison gesehen, wie schnell es in die andere Richtung geht. Man kann uns nicht auf eine Stufe mit Vereinen wie dem 1. FC Köln oder dem Hamburger SV stellen. Der Klassenerhalt ist wieder erstes Ziel. Aber: Man darf ja trotzdem träumen und geht in jede Saison, um das Bestmögliche zu erreichen. Und das heißt: Jedes Spiel zu gewinnen. Diese Chance ist natürlich gering. Wir wollen besser starten, besser spielen und besser abschließen als in der letzten Saison und das mit den Leuten zusammen. Wenn wir es schaffen, aus den Fehlern der letzten Runde zu lernen, dann können wir auch von einer erfolgreichen Saison sprechen.

bundeslige.de: Was war Ihr schönstes Erlebnis in den zehn Jahren beim 1. FC Heidenheim?

Schnatterer: Das schönste Erlebnis war vielleicht der 2:1-Sieg beim VfB Stuttgart vor über 50.000 Zuschauern in der Saison 2016/2017 in der 2. Bundesliga. Die Kulisse war überwältigend, das war ein magischer Abend – unterstützt von rund 5.000 mitgereisten Heidenheimern. Aber auch als Drittligist im Pokal gegen Bremen zu gewinnen, als ich das entscheidende Tor erzielt habe, war ebenso großartig wie der Aufstieg in die 2. Bundesliga 2014, der für die ganze Stadt ganz besonders war.

bundesliga.de: Gibt es einen Gegenspieler, vor dem Sie Respekt haben?

Schnatterer: Also ich muss sagen, mein eigener Mitspieler Arne Feick ist ein besonders unangenehmer Gegenspieler. Er spielte vorher in Aalen und ich bin froh, dass er zwei Mal gesperrt war, als wir gegen sie gespielt haben, sonst hätte es vielleicht zu verbalen Auseinandersetzungen kommen können. Aber mittlerweile spielen wir in einer Mannschaft und verstehen uns gut. Er hat sich die richtigen Spiele rausgesucht, um gesperrt zu sein.

bundesliga.de: Ihr Vertrag läuft noch zwei Jahre, ist dann Schluss?

Schnatterer: Ich denke schon, dass ich meine Karriere in Heidenheim beenden werde. Wann weiß ich jedoch nicht. Ich habe richtig Lust auf Fußball und will dem Sport auch nach meiner Laufbahn erhalten bleiben. Deswegen will ich nach dem Sportfachwirt auch noch ein Fernstudium der Sportökonomie beenden.

bundesliga.de: Sie machen nicht den Eindruck, als denken Sie nach zehn Jahren in Heidenheim, Sie hätten etwas verpasst.

Schnatterer: Ich bin immer optimistisch und positiv eingestellt. Natürlich würde ich am liebsten jeden Samstag um 15.30 Uhr spielen. Aber das geht vielen so. Aber ich weiß auch, dass es viele gibt, die gerne in Heidenheim spielen und mit mir tauschen würden. Mit dem, was ich in Heidenheim erlebt habe und vielleicht noch erleben darf, bin ich unheimlich glücklich. Ich sehe die positiven Aspekte, wenn man einen Verein so prägen kann und zwei Aufstiege feiern darf, dann ist das sehr viel. Ich denke nicht jeden Tag darüber nach, was woanders vielleicht gewesen wäre. Eine Führungspersönlichkeit in Heidenheim sein zu können, gibt mir sehr viel.

Das Gespräch führte Tobias Schächter