Schlägt er dem BVB mit 1860 ein Schnippchen? Strafstoß-Experte und Kult-Keeper Gabor Kiraly traf bundesliga.de zum Interview (© Simon Köppl)
Schlägt er dem BVB mit 1860 ein Schnippchen? Strafstoß-Experte und Kult-Keeper Gabor Kiraly traf bundesliga.de zum Interview (© Simon Köppl)

Elfer-Killer Kiraly: "Chancen stehen 50:50"

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München - Er kann sich auf einen arbeitsreichen Pokalabend einstellen: Gabor Kiraly empfängt mit 1860 München Bundesliga-Tabellenführer und Champions-League-Finalist Borussia Dortmund. "Wenn sich zwei Traditionsclubs treffen, bebt es", sagt der Ungar. Vor dem Zweitrunden-Match traf sich der Schlabberhosen-Kult-Keeper mit bundesliga.de. Er blickt auf den ausverkauften Pokalfight voraus und spricht über seine Strafstoß-Psychoanalyse, Elfer gegen Rooney und Lampard, Prozente für graue Hosen im Fanshop, Ausflüge zur gegnerischen Eckfahne, die WM 2014 - und die WM 2018. Bei der wäre er übrigens blutjunge 42...

bundesliga.de: Herr Kiraly, der Ansturm auf das BVB-Spiel (ab 18:45 im Live-Ticker) war schon gleich zu Beginn riesig. Innerhalb weniger Stunden waren alle Tickets weg - Sie haben sogar selbst Fotos von den Schlangen am Ticketschalter geschossen. Hätten Sie so einen Hype erwartet?

Gabor Kiraly: Dortmund ist ein Spitzenteam. Jeder will das Spiel sehen. Für den Verein und auch für uns Spieler ist es sehr gut, wenn das Stadion bei so einem Pokalspiel voll ist. Wir freuen uns riesig, und die Fans auch.

bundesliga.de: Ihr Geschäftsführer Robert Schäfer sagte nach der Auslosung: "Wir spielen gegen die beste Mannschaft Deutschlands." Wie sehen Sie das?

Kiraly: Wir spielen gegen eine Top-Mannschaft. Aber: Jedes Spiel ist ein anderes. Wir werden ganz genau hinschauen, wo Dortmund Schwachstellen hat. Die Stärken sind ohnehin bekannt. Mal schauen, wie wir es dem BVB so schwer wie möglich machen können.

bundesliga.de: Was muss passieren, damit eine Überraschung gelingt?

Kiraly: Für Dortmund oder für uns?

bundesliga.de: Gehen wir mal davon aus, dass ein 1860-Sieg die Überraschung wäre.

Kiraly: Achso (lacht)! Im Ernst, im Pokal sehe ich das ganz anders. Der Pokal ist nicht mit der Meisterschaft vergleichbar, wo man Patzer in der nächsten Woche wieder ausbügeln kann. Für die größere Mannschaft wird es oft unbequem, weil sie gewinnen muss. Das kleinere Team hat weniger Druck - ein klarer psychologischer Vorteil. Und Sechzig gegen Dortmund! Wir sprechen von einem Duell zweier Traditionsclubs. Wenn sich Tradition trifft, kann es richtig beben.

bundesliga.de: Wie schätzen Sie also die Chancen ein?

Kiraly: Fünfzig zu fünfzig. Das hatte ich auch vor unserem Heidenheim-Spiel gesagt. So ist nun mal der Pokal!

bundesliga.de: In Heidenheim tat sich der TSV ja sehr schwer - erst ihre Elfmeterkünste (Kiraly hielt zwei Strafstöße, d. Red.) brachten den Sieg. Wussten Sie, dass Sie eine überragende Quote haben, wenn es ins Shootout geht? 40 Prozent aller Strafstöße bei Elfmeterschießen seit Ihren Anfängen bei Hertha landeten nicht im Tor.

Kiraly: Das wusste ich nicht!

bundesliga.de: 25 Elfmeter, zehnmal hieß der Sieger Kiraly. Vier der fünf Elferschießen mit Ihnen im Tor gewann Ihr Team. Freuen Sie sich jedes Mal, wenn der Schiedsrichter nach 120 Minuten zum Elferschießen pfeift?

Kiraly: Nehmen wir wieder das Beispiel Heidenheim. Der Schlüssel war die Qualität unserer Schützen, nicht meine Paraden. Alle fünf haben getroffen! Da kannst du nicht verlieren. Heidenheim hat die ersten drei gegen mich verwandelt. Aber ich habe es bei jedem unserer Schützen gesehen: Sie waren hochkonzentriert. Das gibt einem Torwart eine Menge Selbstvertrauen. Ich konnte mich immer besser fokussieren. Die Spannung, das Adrenalin stieg an.

bundesliga.de: Und dieses Gefühl haben Sie dann für zwei Paraden genutzt. Sie wenden dabei eine etwas ungewöhnliche Technik an: Sie halten beide Arme hinter dem Rücken verschränkt und warten bis zum letzten Moment regungslos auf den Schützen.

Kiraly: Das habe ich als kleines Kind gelernt. Da gilt es, jede Bewegung zu vermeiden, um es dem Schützen möglichst schwer zu machen. Ich möchte mich nicht auf dem falschen Fuß erwischen lassen. Es gibt Spieler, die immer darauf warten, was der Torwart macht, und sich erst im letzten Moment für eine Seite entscheiden. Ich biete ihnen aber keine Möglichkeit. Und dann müssen sie im letzten Moment spontan auf gut Glück schießen.

bundesliga.de: Haben Sie schon Elfmeter von Marco Reus oder Robert Lewandowski gesehen?

Kiraly: Ja. Aber ich sehe nicht nur die Namen und ihre Karriere vor mir, wenn sie antreten, sondern das ganze Spiel. Wenn zum Beispiel der rechte Verteidiger kommt, denke ich: War er unsicher? War er nervös? Dann wird er zu hundert Prozent auf Nummer sicher gehen und vorher eine Ecke wählen.

bundesliga.de: Sie beobachten die Gegner also das ganze Spiel schon ganz genau für ein mögliches Elfmeterschießen?

Kiraly: Das geht noch weiter. Welcher Spielertyp ist der Schütze? Ist er ein Arbeitertyp oder ein Feingeist? Der eine Spieler ist unsicher, hat aber eine gute Technik. Der andere ist 30 Jahre alt, also schlau. Bei jedem hat man ein bestimmtes Bild und kann spekulieren, wie er es höchstwahrscheinlich versuchen wird.

bundesliga.de: Eine kleine Psychoanalyse vor jedem Schuss also.

Kiraly: Genau.

bundesliga.de: Und das entscheidet dann darüber, welche Ecke Sie im letzten Moment wählen?

Kiraly: So ist es. Ich kann mich an einen Elfer gegen Wayne Rooney erinnern, den ich pariert habe. Er dachte, er schießt ganz locker und wie immer. Für ihn war ich nur irgendein Torwart, er kannte mich nicht. Aber ich wusste, wohin er schießt. Bei Frank Lampard war es ähnlich.