Für Paderborn erzielte David Hoilett in der vergangenen Saison in 13 Spielen ein Tor, für St. Pauli traf er in 20 Spielen der laufenden Spielzeit bereits sechs Mal
Für Paderborn erzielte David Hoilett in der vergangenen Saison in 13 Spielen ein Tor, für St. Pauli traf er in 20 Spielen der laufenden Spielzeit bereits sechs Mal

Der "Heuler" vom Millerntor

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Fußball-Diven passen nicht ans Millerntor. Müsste man sich auch erst mal krampfhaft vorstellen: Ein Spieler in Diensten des FC St. Pauli tut im Training gerade mal so viel, dass er sich die anschließende Dusche und das Nachgelen der Haarpracht ersparen kann, bewegt sich mit Seidenschal, Gucci-Brille und italienischen Edel-Tretern wie ein modischer Fremdkörper über den Kiez und sieht die wochenendlichen Spiele als Bühne für extrovertierte Auftritte zwischen Genie und Wahnsinn.

Fans des FC St. Pauli bekommen allein beim aussichtslosen Versuch, dieses Bild vor das geistige Auge zu zaubern, Kopfweh wie nach einer Aufstiegsparty mit Astra-Druckbetankung.

Hoilett passt ans Millerntor

Auf St. Pauli wird schließlich "ehrlicher" Fußball gespielt, bei Bedarf auch "gearbeitet". Dazu braucht man Charakterspieler. David Hoilett, Kanadier mit jamaikanischen Wurzeln, passt hervorragend in dieses Anforderungsprofil.

Der Offensivmann der Hanseaten verbindet schließlich feine Technik und einen unheimlichen Antritt mit mannschaftsdienlichem Engagement. "Arte et labore" heißt das Vereinscredo der Blackburn Rovers, von denen der 18-Jährige zunächst an den SC Paderborn und dann weiter nach St. Pauli ausgeliehen wurde. Und tatsächlich vergisst Hoilett bei aller Kunst auch das Arbeiten nicht.

Unverzichtbar

Über die gesamte Saison konnte er 43 Prozent seiner Chancen verwerten. Das ist der Höchstwert in der 2. Bundesliga. 45 Prozent seiner Zweikämpfe gewann Hoilett - ein respektabler Wert für einen Spieler, dessen Qualitäten eigentlich erst in der gegnerischen Hälfte so richtig zum Tragen kommen.

Eine Mischung, die ihm beim 3:1-Auswärtssieg am Aachener Tivoli sogar den Applaus der gegnerischen Fans beschert hatte. In den vergangenen drei Partien erzielte der torgefährliche Kanadier fünf Tore und bereitete eines vor. "Für uns ist er mit seinen Ideen auf dem Platz eine Bereicherung", erklärt Mitspieler Florian Bruns. "Er strotzt derzeit nur so vor Selbstvertrauen. Fußballerisch können wir ihm ohnehin nicht mehr viel beibringen."

Das sieht Holger Stanislawski aus strategischen Gründen etwas differenzierter. St. Paulis Trainer befürchtet nämlich, dass die Rovers den Senkrechtstarter nach seiner Leistungsexplosion mit Ablauf der Leihfrist wieder zurück in die Premier League lotsen werden.

Noch nicht ausgereift

"Die Engländer sehen schon, was wir aus jungen Spielern machen können, und wie er sich hier zum Mann entwickelt." Kiez, meint Stanislawski, nicht Kindergarten und verpasst seinem "Jahrhunderttalent" dennoch einen doppeldeutigen Spitznamen.

Die "Arte" hat "Heuler" demnach schon in die Wiege gelegt bekommen. Das "Labore", das weitere Erlernen der fußballkulinarischen Kunst des "Gras Fressens" wirft Stanislawski den Verantwortlichen von Blackburn nun als Köder zu: "Wenn man ihm noch zwei, drei Jahre gibt, ihn nicht verpflanzt, werden wir aus ihm einen Ausnahmespieler machen. Seine Leistungssteigerung ist wirklich fantastisch, ich würde ihn ja am liebsten adoptieren!"

Stanislawski stehen also wichtige Verhandlungstermine ins Haus: mit den Verantwortlichen des Blackburn Rovers und nun wohl auch noch mit Hoiletts Eltern.

Michael Wollny