Ungewohntes Bild: Ronny (v.) und seine Teamkollegen gehen mit einer Niederlage vom Feld
Ungewohntes Bild: Ronny (v.) und seine Teamkollegen gehen mit einer Niederlage vom Feld

Blaues Auge und gerissene Serie

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Dresden - Mit der ist für Hertha BSC nicht nur eine phänomenale Serie beendet, sondern es drängen sich beim bisher so souveränen Tabellenführer ein paar unangenehme Fragen auf.

Verdiente Niederlage in Dresden

Es war schon komisch: 21 Spiele in Folge hatte der Hauptstadtclub nicht mehr verloren. Seit dem 1:3 beim FSV Frankfurt und dem 1:2-Pokalaus bei Wormatia Worms Mitte August gab es immer mindestens ein Unentschieden. Am 23. Spieltag dann setzte sich Hertha mit dem 1:0 gegen Aufstiegskonkurrent Kaiserslautern erstmals in dieser Saison an die Tabellenspitze.



Da sollte das Gastspiel bei Abstiegskandidat Dynamo Dresden doch eine klare Angelegenheit sein. Zumal die Hertha mit dem siebten Auswärtssieg in Folge einen neuen Ligarekord hätte aufstellen können. Doch klarer Fall von "Denkste" - nicht nur, dass die Elf von Jos Luhukay alle drei Punkte an der Elbe ließ. Die Niederlage war zudem absolut verdient.

"Gott sei Dank, die Serie ist futsch", rutschte es Peer Kluge nach dem Spiel heraus. Natürlich hatte sein Team nicht absichtlich verloren. Doch die Diskussionen über die Serie scheinen die Mannschaft tatsächlich belastet zu haben. "Wir wurden doch ständig nur noch gefragt, ob wir überhaupt noch wissen, wie verlieren ist", erläuterte der 32-Jährige.

Spannungsabfall und Systemumstellung



Diesmal kamen gleich mehrere Faktoren zusammen: Ein gewisser Spannungsabfall nachdem Hertha zuvor endlich die lang ersehnte Tabellenführung erobert hatte. Die kurzfristigen personellen und damit einhergehenden taktischen Änderungen, als kurz vor Anpfiff klar wurde, dass es bei Marcel Ndjeng (Muskelfaserriss) und Ronny (muskuläre Probleme) nicht für die Startelf reicht. Und ein Gegner, der heiß wie Frittenfett war und wusste, dass er Hertha nur über höchsten kämpferischen Einsatz knacken kann.

Vor allem die erzwungenen Umstellungen kurz vor Beginn waren Gift für das Spiel der Hauptstädter. Mit Sandro Wagner, Pierre-Michel Lasogga und Adrian Ramos musste Jos Luhukay drei sehr ähnliche Spielertypen bringen. Der Kolumbianer sollte dabei über den rechten Flügel kommen, Lasogga und Wagner die Doppelspitze im 4-4-2-System bilden. Doch die beiden bekamen wenig verwertbare Zuspiele. Im Zentrum, wo sonst Ronny wirbelt, klaffte meist ein großes Loch. Auf dem linken Flügel bot Youngster Nico Schulz eine seiner schwächsten Saisonleistungen. Etwas besser wurde es erst mit den Einwechslungen von Änis Ben-Hatira und Ronny, dem allerdings die fehlende Fitness anzumerken war. Doch auch in der Defensive zeigten Leistungsträger wie Peter Niemeyer, Fabian Lustenberger oder Thomas Kraft nicht gerade ihre Bestform.

Luhukay reagiert entspannt



Immerhin: "Durch das Unentschieden von Kaiserslautern sind wir mit einem blauen Auge davon gekommen", wusste Kluge. Denn so hat Hertha nur einen Punkt seines komfortablen Vorsprungs auf Platz 3 verloren. Zwölf Zähler bei zehn noch ausstehenden Partien sind es jetzt noch. Insofern war offenbar auch Übungsleiter Jos Luhukay milde gestimmt: "Ich bin nicht enttäuscht, dass wir verloren haben", sagte der Niederländer. Statt die Fehler seines Teams zu kritisieren, lobte der Trainer lieber ausgiebig den Gegner und resümierte: "Ich kann mit der Niederlage gut leben."

Auch wenn der Fußballlehrer seinen Spielern intern sicherlich schonungslos die eigenen Unzulänglichkeiten aufzeigen wird, kam die entspannte Reaktion doch einigermaßen überraschend. War Luhukay doch bisher immer darauf bedacht, seinem Starensemble jeden Hang zum Schlendrian und zu einer "Wir steigen sowieso auf"-Haltung auszutreiben. Doch diesmal reichte die Qualität der Herthaner nicht aus, auch spielerisch verbesserte Dresdner in die Knie zu zwingen. Obwohl die Berliner gerade in den letzten 20 Minuten der Partie durchaus auch kämpferisch nochmal alles versuchten.

Nur ein Ausrutscher?



Die große Frage ist jetzt, ob die Pleite an der Elbe bloß ein Ausrutscher war oder doch tiefer gehende Probleme dahinter stecken. Skeptiker bemängeln beispielsweise schon länger die Abhängigkeit des Teams von Ronny und dessen Qualitäten, insbesondere bei Standardsituationen.

Mittelfeldmotor Kluge jedenfalls hofft, dass man sich nach dem Ende der Serie "wieder voll auf die nächste Aufgabe konzentrieren" könne. Die wartet am kommenden Sonntag im heimischen Olympiastadion in Form des nächsten Gegners aus dem Tabellenkeller und heißt MSV Duisburg. Die "Zebras" sind immerhin seit vier Auswärtspartien ungeschlagen und dürften zumindest kämpferisch ähnlich wie Dresden alles in die Waagschale werfen.

Aus Dresden berichtet Andre Anchuelo