Wieder einer, der überzeugte und nicht zu halten ist in Aalen: Joel Pohjanpalo (r.)
Wieder einer, der überzeugte und nicht zu halten ist in Aalen: Joel Pohjanpalo (r.)

Aalen überrascht erneut

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Aalen - Der VfR Aalen stand mit seinem neuen Coach Stefan Ruthenbeck vor der vielleicht schwierigsten Aufgabe aller Profivereine. Der Club von der Ostalb, der erst in der Vorsaison aus der Dritten Liga aufgestiegen war, musste seinen sowieso nicht üppigen Etat erneut radikal eindampfen, ein wichtiger Sponsor war kurzfristig weggebrochen. Doch auch widrigste Umstände warfen das Team nicht aus der Bahn. Der Lohn: Platz 11 - und jede Menge Respekt der Konkurrenz.

Ruthembeck aus dem NLZ auf die Trainerbank

Der personelle Umbruch fiel vor der Saison radikal aus. Mit Tim Kister (SV Sandhausen), Martin Dausch (Union Berlin), und Thorsten Schulz (Dynamo Dresden) verließen drei wichtige Spieler den VfR. Auch Ralph Hasenhüttl, der den Konsolidierungskurs verbal unterstützte, hatte zum Ende der Vorsaison seinen Abschied angekündigt.

Nachfolger wurde Ruthenbeck, der gebürtige Kölner, der bis dato das Nachwuchsleistungszentrum geleitet hatte. Dort hatte er in kurzer Zeit ein einheitliches Spielsystem für alle Nachwuchsmannschaften installiert. Ruthenbeck zeigte sich dann auch vorsichtig optimistisch, trotz der personellen Einschnitte erneut die Klasse halten zu können.

In der Fachpresse herrschte hingegen Skepsis. Der VfR, so der Tenor, zähle zu den Top-Abstiegskandidaten. Sportdirektor Markus Schupp, der wegen "unterschiedlicher Auffassungen über die strategische Ausrichtung des Vereins" kurz vor Weihnachten gesehen musste, hatte das schon vor der Saison eher belächelt: "Wir bleiben drin."

Viele Überraschungsdreier

Tatsächlich wurden die Experten eines Besseren belehrt. Mit 44 Punkten belegten die Schwarz-Weißen einen komfortablen 11. Rang in der Endabrechnung. Schon früh sorgte die Mannschaft dabei für positive Überraschungen: Am 5. Spieltag gelang ein 4:0-Sieg gegen Kaiserslautern, am achten ein 2:1 in Bochum, insgesamt sammelte man zwölf Punkte aus acht Spielen.

In der Hinrunde bejubelten die Fans Siege gegen Bochum, Bielefeld und Düsseldorf, während in der Rückrunde einige Überraschungen zu verzeichnen waren. Darunter die Heimsiege gegen den KSC (1:0) und Union Berlin (3:1) oder die Auswärts-Dreier in Kaiserslautern (2:1) und auf St. Pauli (3:0). Auffallend war dabei die Geschlossenheit und Stabilität der Mannschaft, die in der Vor- und in der Rückrunde die exakt gleiche Punktzahl (22) anhäufte (Tordifferenz 18:20/18:19).

Höhere Spielkultur

Und das, obwohl ein weiteres Saisonziel von Trainer Ruthenbeck ebenfalls umgesetzt werden konnte: "Mir schwebt schon vor, dass wir ein wenig früher attackieren", hatte der Coach angekündigt.

Die defensive Stabilität - nicht erst seit gestern das Markenzeichen des VfR - solle als Garant des Klassenerhaltes beibehalten werden, um Stück für Stück mehr Spielkultur zu wagen. Auch dieser Drahtseilakt gelang, wie Dauerbrenner Stefan Lechleiter betont: "Man hat in dieser Saison schon gesehen, dass wir auch Fußball spielen können."

Der nächste Umbruch folgt

Mittlerweile unterschätzt in der Branche die Aalener niemand mehr, auch wenn die Nackenschläge nicht weniger zu werden scheinen. Erneut müssen oder wollen Korsettstangen der Mannschaft wie Sascha Traut, Enrico Valentini, Benjamin Hübner, Daniel Buballa, Cidmar da Silva und Joel Pohjanpalo gehen.

Der VfR steht also auch im kommenden Sommer vor einem großen personellen Umbruch. "Wir werden an Qualität verlieren", weiß Ruthenbeck. "Die Aufgabe wird in der kommenden Saison schwieriger." Gut, dass sie in Aalen eine gewisse Erfahrung mit dem Überwinden von Widerständen haben.

Christoph Ruf