Thomas Müller schirmt den Ball vor Stuttgarts Arthur Boka ab
Thomas Müller schirmt den Ball vor Stuttgarts Arthur Boka ab

Zu 99 Prozent Herbstmeister

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Stuttgart - Am Ende brachte es Philipp Lahm in seiner Analyse auf den Punkt: "Wir stehen im Winter nun ganz oben, und wenn wir dann auch noch im Pokal weiterkommen, haben wir schöne Weihnachten", sagte der Bayern-Kapitän in den Katakomben der Stuttgarter Mercedes-Benz Arena nach dem mehr als verdienten 2:1-Erfolg.

In der Tat hat der deutsche Rekordmeister die Herbstmeisterschaft mit dem Sieg im Schwabenland so gut wie perfekt gemacht. Drei Punkte Vorsprung, dazu die mit Abstand beste Tordifferenz - da ist für die Verfolger im letzten Spiel der Hinrunde am kommenden Wochenende nicht mehr viel zu holen.

Kritische Untertöne trotz großer Dominanz

So hatten die Bayern am Sonntagabend die Gewissheit, rein von den nackten Zahlen alles richtig gemacht zu haben. Allein es mischten sich in die Reaktionen der Isar-Kicker doch auch einige kritische Untertöne. Ab der 29. Spielminute spielten die Münchner nach einer Gelb-Roten Karte für den Stuttgarter Cristian Molinaro in Überzahl, eine numerische Überlegenheit, die sie allerdings nicht immer konstruktiv nutzen konnten.

Wie gewohnt zirkulierte der Ball zwar gekonnt und technisch beschlagen in den Reihen der Mannschaft von Trainer Jupp Heynckes, Torgelegenheiten blieben aber dennoch Mangelware - und am Ende wurde es bei einer Großchance von VfB-Angreifer Cacau sogar noch einmal richtig eng.

Klartext von Lahm

"Normalerweise müssen wir dieses Spiel souveräner nach Hause spielen. Aber jeder tut einen Schritt weniger und denkt es geht von alleine. Letztendlich müssen wir aber zufrieden sein, drei Punkte hier mitgenommen zu haben", hatte dann auch Lahm kein Interesse, die letzten zwanzig Minuten der Partie zu beschönigen. Trainer Heynckes schob die nachlassende Leistung seiner Mannschaft auf den Kräfteverlust.

"Vielleicht lag es daran, dass fünf Spieler unter der Woche erkrankt waren", so Heynckes, dem die fehlende Stringenz im Bayern-Spiel in den nächsten Tagen aber sicherlich beschäftigen dürfte. Letztendlich muss man aber sagen, dass auf Seiten der Bayern die positiven Erkenntnisse überwiegen dürften. Nach den zuletzt eher schwachen Auftritten in der Fremde gingen die Münchner mit großem Willen in die Partie und setzten die Stuttgarter von Beginn an unter Druck, eine Präsenz, die sie zuletzt nicht immer gezeigt haben.

Auf den Außenbahnen machten Franck Ribéry und vor allem Arjen Robben jede Menge Druck und in der Mitte setzten Doppel-Torschütze Mario Gomez und der flinke Thomas Müller immer wieder gefährliche Nadelstiche.

Dirigent Kroos

Stärkster Bayern-Akteur allerdings war wieder einmal Toni Kroos. Der "Zwischenspieler", wie ihn Bundestrainer Joachim Löw gerne nennt, hat sich in Abwesenheit von Bastian Schweinsteiger zu einer absoluten Führungspersönlichkeit entwickelt.

Auch in Stuttgart war er der große Organisator, Regisseur und Lenker des Spiels. Kroos hat im Münchner Starensemble wohl den größten Leistungssprung gemacht und ist mittlerweile aus der Stammformation nicht mehr wegzudenken. Aber noch ein anderer wusste in Stuttgart zu überzeugen: Rafinha. Der Brasilianer spielte auf der rechten Abwehrseite eine klasse Partie und verstand sich blind mit Robben. Zusammen hatten die beiden sogar mehr Ballkontakte als Lahm und Ribery auf der anderen Seite - eine Bilanz, die Bände spricht.

Und noch etwas wird die Bayern am späten Sonntagabend glücklich gemacht haben: Zum ersten Mal in dieser Spielzeit haben sie einen Rückstand noch in einen Sieg verwandeln können. Das wiederum hat im Grunde nichts mit nackten Zahlen zu tun - sondern vielmehr mit einer intakten Moral. Und auf die wird es ankommen, wenn es im nächsten Jahr um die Titel geht.

Aus Stuttgart berichtet Jens Fischer