Aufsteiger Hertha BSC belegt am Ende der Saison 2013/14 Platz 11. Das von Coach Jos Luhukay (2.v.r.) ausgegebene Ziel Klassenerhalt wurde souverän erreicht (© Imago)
Aufsteiger Hertha BSC belegt am Ende der Saison 2013/14 Platz 11. Das von Coach Jos Luhukay (2.v.r.) ausgegebene Ziel Klassenerhalt wurde souverän erreicht (© Imago)

Ziel erreicht, Enttäuschung groß

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Berlin - Es war eine ganz seltsame Saison für Aufsteiger Hertha BSC. Souverän als Zweitliga-Meister aufgestiegen, schienen die Berliner im Oberhaus weiter durchzustarten. Doch es folgte eine völlig verpatzte Rückrunde.

Europapokal-Träume in der Hinrunde

Furios fertigte das Team von Trainer Jos Luhukay zum Auftakt Europapokal-Teilnehmer Eintracht Frankfurt ab. 6:1 gewonnen, Tabellenführer!  Natürlich war da allen Berlinern bewusst, dass dies nur eine Momentaufnahme war. Doch je länger es in der Hinrunde gut lief, desto größer wurden im Umfeld und bei den Fans die Erwartungen an das Team.

Nach dem 1:0-Sieg gegen Borussia Mönchengladbach am neunten Spieltag sprang die "Alte Dame" wieder hoch auf Platz 4 - da war immerhin schon mehr als ein Viertel der Saison gespielt. Gut, die Hoffnung auf einen Champions-League-Platz wäre für einen Aufsteiger vielleicht etwas vermessen, aber warum nicht Europa League? Solche Gedanken machten sich naturgemäß breit.

Luhukay wollte davon freilich nichts wissen und betonte während der gesamten Spielzeit, es gehe für die Hertha als Aufsteiger nur um den Klassenerhalt und nichts anderes. Als die Berliner mit 28 Punkten die Hinrunde sensationell als Sechster abschlossen, wurde dieses Ziel mitunter schon belächelt. Immerhin hatten Luhukay und Sportdirektor Michael Preetz mit ihren Neuverpflichtungen praktisch zu hundert Prozent richtig gelegen. Hajime Hosogai, Alexander Baumjohann, Sebastian Langkamp, Johannes van den Bergh, Tolga Cigerci und Per Ciljan Skjelbred kamen allesamt für kleines Geld und erwiesen sich sofort als Verstärkungen.

In der Rückrunden-Tabelle: Abstiegsplatz

Doch wie sich zeigen sollte, hatte Luhukay absolut recht mit seinem Understatement. In der Rückrunde kamen lediglich noch 13 Zähler hinzu, im Ranking der zweiten Saisonhälfte bedeutet das den vorletzten Platz. Symptomatisch: Nachdem die Luhukay-Elf mit dem 6:1 im ersten Spiel auch gleich den höchsten Saisonsieg einfuhr, kassierte sie am letzten Spieltag mit dem 0:4 gegen Vize-Meister Dortmund die höchste Niederlage der Spielzeit.

Natürlich gibt es Gründe für die Misere: Zuallerst stehen die Verletzungen mehrerer wichtiger Spieler. Kapitän Fabian Lustenberger war als Innenverteidiger absoluter Leistungsträger und fiel praktisch die gesamte Rückrunde mit Muskelverletzungen aus. Spielmacher Alexander Baumjohann  hatte sich bereits in der Hinrunde einen Kreuzbandriss zugezogen und konnte im Saisonverlauf immer schlechter ersetzt werden. Auch andere Akteure wie Adrian Ramos, Tolga Cigerci oder Änis Ben-Hatira fielen zeitweise aus.

Hertha von Ramos abhängig

Ein anderes großes Thema war das Angriffsspiel, und hier vor allem die Chancenverwertung. Die Verwertung von Großchancen sank von 58 auf 44 Prozent. Und: Herthas Abhängigkeit von Goalgetter Ramos erwies sich als fatal. Der Kolumbianer schoss 16 Tore und kämpfte bis zum Schluss um die Torjägerkanone. Traf er nicht, was in der Rückrunde häufig vorkam, punktete auch Hertha meist nicht.

Außer Sami Allagui, der immerhin noch neun Tore erzielte, traf kein Herthaner öfter als vier Mal. Und überhaupt: Kein anderes Bundesliga-Team hatte so wenige unterschiedliche Torschützen wie die Berliner mit neun. Unter dem Strich ergab das mit 40 Toren den drittschlechtesten Angriff der Liga - nur unterboten von den beiden direkten Absteigern Nürnberg (37) und Braunschweig (29).

Enttäuschung trotz Klassenerhalts

Doch all das kann den Abwärtstrend nur zum Teil erklären. Sicher kann man davon ausgehen, dass viele Spieler in der Hinrunde über ihren eigentlichen Möglichkeiten glänzten und in der Rückserie unter ihrem Leistungsvermögen blieben. Das mag auch psychologische Gründe haben - trotz aller Mahnungen Luhukays wähnte sich das Team vermutlich schon besser als es war.

Am Ende hatte Hertha 41 Punkte auf dem Konto und damit ein beruhigendes Polster von 14 Zählern auf die Abstiegszone. Das Saisonziel Klassenerhalt wurde mit Platz 11 immer noch weit übertroffen, namhafte Clubs wie Werder Bremen, VfB Stuttgart oder den Hamburger SV ließ man hinter sich (Tabelle). Dennoch überwog aufgrund der Dramaturgie, nach einer sensationellen Hinrunde die zweite Saisonhälfte komplett zu vergeigen, die Unzufriedenheit. Kurzum: Ziel erreicht, Enttäuschung groß.

Andererseits: Bei einer umgekehrten Dramaturgie - erst schlechte Hinrunde, dann Aufholjagd - hätte es schnell richtig ungemütlich werden könne. Dass die Fans beim letzten Spiel gegen Dortmund "Nie mehr 2. Liga" skandierten, zeigt, dass alle begriffen haben, worum es auch in der Spielzeit 2014/15 gehen wird: den Klassenerhalt.

Andre Anchuelo