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Rainer Bonhof ist seit Februar 2009 Vize-Präsident bei Borussia Mönchengladbach
Rainer Bonhof ist seit Februar 2009 Vize-Präsident bei Borussia Mönchengladbach

"Wir werden das Niveau halten"

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Mönchengladbach - Was vor einem knappen halben Jahr noch getrost als Aprilscherz durchgegangen wäre, ist in der laufenden Saison zur Wirklichkeit geworden. Borussia Mönchengladbach hat sich in der aktuellen Spielzeit zu einer Mannschaft entwickelt, die sich in den oberen Tabellenregionen pudelwohl fühlt.

Doch wo liegen die Ursachen für die Gladbacher "Metamorphose"? Und können die "Fohlen" den Trend über die gesamte Saison bestätigen? Im exklusiven Interview mit bundesliga.de gibt Borussias Vize-Präsident Rainer Bonhof Auskunft über den derzeitigen Lauf seines Teams.

bundesliga.de Mal ehrlich, Herr Bonhof, wie oft führen Sie sich derzeit die Tabelle zu Gemüte?

Rainer Bonhof: Gar nicht!

bundesliga.de: Ist das wirklich wahr? Nicht einmal direkt nach dem Spieltag?

Bonhof: Doch, da schon. Man muss ja wissen, ob wir ein bisschen Luft nach unten haben...

bundesliga.de: Warum so nüchtern, Herr Bonhof? Viele beschreiben die Entwicklung seit dem Antritt von Trainer Lucien Favre schon als "Wunder vom Niederrhein". Auch wenn natürlich harte Arbeit dahinter steckt: Müssen Sie sich nicht auch die Augen reiben, wenn Sie die vergangenen Monate Revue passieren lassen?

Bonhof: Ich habe eine ganz andere Begründung als die Mehrheit der Leute. Sicherlich haben wir uns gefreut, dass wir die Liga halten konnten. Aber wir haben gleichzeitig schon gehofft, dass es die Mannschaft zusammenschweißt, wenn sie durch diese Mühle geht. Dass die Mannschaft ein dreiviertel Jahr unter ihrem Niveau gespielt hat, dafür gab es sicherlich auch Gründe. Wir hatten einige schwerwiegende Ausfälle. Erst am Ende der Saison standen einige Spieler wieder zur Verfügung.

bundesliga.de: Wie erleben Sie Lucien Favre persönlich? Wie hat er es geschafft, den Hebel so umzulegen, dass die gleichen Spieler, die in der Vorsaison gegen Abstieg spielten, auf einmal zum Höhenflug ansetzen?

Bonhof: Ich glaube, dass wir zwei unterschiedliche Maßstäbe ansetzen müssen. Der erste Schritt war die kurzfristige Umsetzung von kleinen Hebelchen und den Glauben an die eigene Stärke zu implantieren. Das war der Ausschlag gebende Punkt, dass wir die Liga gehalten haben. Auf der anderen Seite, den Glauben, den wir uns erarbeitet haben, so weiter auszubauen, dass man jetzt auch Ergebnisse erzielen kann, mit denen man nicht unbedingt rechnen konnte. Wie zum Beispiel beim Sieg in München.

bundesliga.de: Welcher Spieler hat Sie in den vergangenen Monaten am meisten überrascht?

Bonhof: Ich würde da wirklich alle in ein Boot nehmen, denn lange Zeit haben fast alle unter Niveau gespielt. Spätestens als die Relegation in Sichtweite war, hat die Mannschaft ihr wahres Ich gezeigt und jeder hat sowohl nach vorne als auch nach hinten geackert. Das gilt wirklich ausnahmslos für jeden Einzelnen, deswegen will ich gar keinen rausnehmen. Dass Marco Reus, wie er derzeit in der Offensive agiert, herausragend ist, wussten wir vorher schon.

bundesliga.de: Ist der Lauf der Gladbacher auch mit der Tatsache zu erklären, dass in dieser Saison kaum Verletzungssorgen bestehen?

Bonhof: Ich denke vor allem, dass Max Eberl die Dinge so geregelt hat, dass wir die Mannschaft zusammenhalten konnten. Es war ja im Vorfeld der Saison einiges zu lesen, wir hätten uns nicht verstärkt. Wir haben uns schon verstärkt - nämlich dadurch, dass wir die Leistungsträger halten konnten.

bundesliga.de: Wie erleben Sie die Stimmung in der Stadt? Ist die Euphorie greifbar? Sprechen Sie jetzt mehr Menschen an und klopfen Ihnen auf die Schulter?

Bonhof:(lacht) Im letzten Jahr gab es die gleiche Anzahl von Menschen, die einen angesprochen haben - allerdings auf einer anderen Ebene. Wir standen ja nicht nur hinten in der Tabelle, sondern mussten uns parallel dazu auch mit viel öffentlicher und zum Teil unsachlicher Kritik auseinandersetzen. Nun ist die Konstellation natürlich völlig anders und wenn man in die Stadt geht, sind die Menschen offen, aber auch realistisch. Man hört Sätze wie 'das ist toll, wie es läuft', oder 'mal gucken, wie lang das noch geht' und sie drücken die Daumen, dass es bis zum Ende der Saison so gut läuft. Die Menschen sind also froh, dass man Woche für Woche wieder eine Mannschaft auf dem Platz sieht, die in der Lage ist, mit guten Ergebnissen und schönen Spielzügen zu begeistern. Das nimmt die Bevölkerung in Mönchengladbach sehr gut auf.

bundesliga.de: Auch wenn sich ein Vergleich zu den goldenen 70ern natürlich verbietet: Sehen Sie - zumindest in der äußeren Wahrnehmung - Parallelen zu den legendären "Fohlen"?

Bonhof: Nein, das war eine völlig andere Zeit und völlig andere Umstände. Das Umfeld des Fußballs hat sich komplett verändert. Das kann man sicherlich heranziehen, wenn man den ein oder anderen Spielzug sieht und sagt 'Mensch, die stürmen wirklich wieder wie die Fohlen' - aber ich denke, wir sollten das ganz nüchtern betrachten: Heute ist heute und damals war damals.

bundesliga.de: Was glauben Sie, kann die Borussia das derzeitige Niveau über die gesamte Saison halten?

Bonhof: Ich denke schon, dass wir das Niveau halten können. Es werden zwar mal Rückschläge kommen - wie jetzt in Freiburg - aber die werden wir verarbeiten. In der Mannschaft steckt mittlerweile die Überzeugung der eigenen Leistungsstärke - und zwar im Kopf eines jeden einzelnen Spielers. Und dann sehen wir mal, was am Ende dabei heraus kommt. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass der Verein und die gesamte Bevölkerung hochgradig über die Situation erfreut sind.

bundesliga.de: Wären Sie denn bereit, über neue Ziele nachzudenken, wenn Sie schon frühzeitig in der Saison beispielsweise die 40-Punkte-Grenze erreichen würden?

Bonhof: Ich muss mich da den Worten vom Trainer und der Mannschaft anschließen: Wir denken wirklich nur von Woche zu Woche. Das hört sich vielleicht blöd an und würde bei Jörg Wontorra im 'Doppelpass' drei Euro kosten - aber es ist wirklich so. Wir werden das auch nicht verändern, sondern möglichst lange mitnehmen, wie es ist. Natürlich werden auch weitere Niederlagen kommen, aber wir haben schon nach dem 0:1 auf Schalke gezeigt, dass wir uns schnell davon erholen können. Das ist auf jeden Fall stabiler als in der letzten Saison.

Das Gespräch führte Johannes Fischer


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