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Winfried Schäfer kam im Dezember 2007 zum UAE-Spitzenclub Al-Ain
Winfried Schäfer kam im Dezember 2007 zum UAE-Spitzenclub Al-Ain

"Wir spielen hier ja nicht mit Medizinbällen!"

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Winfried Schäfers Trainerkarriere begann Anfang der 80er Jahre in Gladbach. Zum "Trainierfuchs" wurde er in den rund zwölf Jahren von Juli 1986 bis März 1998 beim Karlsruher SC. Nach seinem Engagement beim VfB Stuttgart und Tennis Borussia Berlin zog es den heute 59-Jährigen in die weite Fußballwelt hinaus.

Von September 2001 bis November 2004 sorgte er mit den "Unzähmbaren Löwen", der Nationalmannschaft Kameruns, für unvergessene Momente. Danach verschlug es Schäfer in die Wüste.

Mit Al Ahli Doha gewann er 2006 die Landesmeisterschaft der Vereinigten Arabischen Emirate. Mittlerweile wurde in den Emiraten die Profiliga "UAE Football League" gegründet und Schäfer geht mit Al-Ain auf Titeljagd.

Im Gespräch mit bundesliga.de wehrt er sich gegen Vorurteile gegenüber dem "Wüsten-Fußball", spricht über herausragende Spieler, den Einfluss der Scheichs und die Attraktivität der Wüste als Wintertrainingslager für europäische Top-Clubs.

bundesliga.de: Winnie Schäfer, zuletzt kam mit Frank Pagelsdorf ein ehemaliger Bundesliga-Kollege als neuer Trainer in die Vereinigten Arabischen Emirate. Wie groß wird für ihn der sportliche Kulturschock werden?

Winnie Schäfer: Gar nicht so groß. Das einzige Problem gegenüber Deutschland sind natürlich die Zuschauerzahlen, da hinkt man hier noch hinterher. Wir haben mal 5.000, mal 10.000, mal 3.000 Zuschauer, das kommt immer auf den Gegner an. Aber rein fußballerisch ist es so, dass ich zum Beispiel hier in Al-Ain bei einem Top-Verein bin. Im DSF hat man ja das Spiel Bayern München gegen Al Jazeera gesehen, ebenfalls ein Top-Verein. Und es war für die Bayern nicht gerade einfach, das Spiel zu gewinnen. Hier wird ja nicht mit Medizinbällen gespielt, hier wird Fußball auf hoher Ebene gespielt. Vor kurzem hat die Nationalmannschaft 5:0 gegen Malaysia gewonnen. Hier wird gut gearbeitet.

bundesliga.de: Der Zuschauerschnitt ist aber noch überschaubar. Beschreiben Sie doch einmal die Fankultur in den Emiraten.

Schäfer: Es gibt hier in manchen Städten schon seit ungefähr 40 Jahren Fußballvereine. Die Fans werden natürlich über das Fernsehen mit englischem Fußball gefüttert. Der englische Fußball wird hier sehr gut vertreten…

bundesliga.de:… und die Bundesliga…

Schäfer: …kann man mit einem anderen Programm, beispielsweise aus Zypern oder Ägypten sehen. Im Fernsehen der Emirates kommen aber auch zwei Spiele live. Da bin ich also auf dem Laufenden. Und gerade wenn in Europa Pause ist, wird man hier verwöhnt: Bayern München, Hamburg und der AC Milan waren hier. Die Leute sind sehr begeistert, freuen sich auf die Spiele.

bundesliga.de: Der arabische Raum wird ein immer beliebteres Ziel für das Wintertrainingslager der europäischen Clubs. Die Infrastruktur scheint neben dem Wetter ideal zu sein.

Schäfer: Das stimmt. Ich war 1987 das erste Mal als junger Trainer mit dem KSC hier. Da waren Oliver Kahn und Mehmet Scholl noch dabei. Ich war dann noch mal 1989 und 1994 hier im Trainingslager. Da war Dubai noch nicht das Dubai, das man heute kennt. Es gab eine Straße am Strand entlang, einige Hotels und die Clubs Al-Wasl, Al-Nasr, Al-Ahli. Und wir haben im alten Al-Wasl-Stadion trainiert. Als ich dann 15 Jahre später zurückkam, war ich wie vor den Kopf gestoßen. Ich habe gar nicht registriert, dass es das gleiche Dubai war. Dann wurden Vereine wie Bayern, der VfB Stuttgart oder der HSV eingeladen. Vor allem Bayern München hat hier einen sehr guten Ruf. Fußball war auf einmal ein Markenzeichen, das die Leute anzieht. Somit kamen auch Gäste aus dem Ausland, die hier ins Hotel gehen, um Bayern, Milan oder Manchester United sehen zu können. Man holt diese großen Mannschaften, um den Menschen etwas zu bieten.

bundesliga.de: Und genau dies wird oft als "Schaufenster-Fußball" kritisiert, der Fußball und seine Vereine als Spielzeug der Scheichs. Wieviel Ernsthaftigkeit steckt hinter dem Fußball in den Emiraten?

Schäfer: Es gibt natürlich in einigen Vereinen immer mal wieder Probleme. Als ich in Al-Ahli war, war Scheich Maktoum wohl der Boss aller Vereine in Dubai. Und erst nach unserer Meisterschaft, die ich nach 26 Jahren wieder nach Al-Ahli geholt habe, ist der Sohn des Scheiches Hamdani zu Al-Ahli gekommen. Durch unsere Meisterschaft ist der Verein nach oben katapultiert worden und ist somit heute einer der führenden Vereine. Hier in Al-Ain betreut die Scheich-Familie Zayed den Verein. Ich kann nur Positives berichten. Ich habe vor zwei Tagen noch mit dem Scheich zusammengesessen und über eventuelle Neuverpflichtungen gesprochen…

bundesliga.de:…bei denen er Ihnen freie Hand lässt?

Schäfer: Wir besprechen solche Dinge gemeinsam. Unser Scheich hat jetzt zum Beispiel Jorge Valdivia gekauft, einen überragender Mittelfeldspieler aus Chile. Ich bin froh, dass er gekommen ist. Ich wurde natürlich informiert, ganz klar.

bundesliga.de: Es passiert also nicht, dass ein Scheich seinen Lieblingsspieler holt, obwohl der gar nicht in das Konzept des Trainers passt?

Schäfer: Das mag in anderen Vereinen der Fall sein, bei uns ist das nicht so. Al-Ain war der erste Asienmeister aus den Emiraten. Es ist ein sehr bekannter und großer Verein, da wird sehr gut gearbeitet.

bundesliga.de: Verfügen die Spieler über die nötige Disziplin und Profi-Mentalität?

Schäfer: Die Fußballspieler sind genauso Profis wie in jedem anderen Land auch. Über Disziplin kann ich nicht klagen, schließlich arbeiten sie als ein Team zusammen. Aber die Tugenden aus Disziplin, viel taktischem Arbeiten und Spaß am Fußball, die ein deutscher Trainer mitbringt, sind hier sehr beliebt und kommen gut an. Dadurch verbessert sich auch die Nationalmannschaft. Sie sind Golf-Meister geworden in einer Zeit, als hier sieben deutsche Trainer waren. Die Nationalspieler waren topfit. Danach kamen brasilianische Trainer und die Nationalmannschaft ist beim Golf-Cup im Oman sang- und klanglos ausgeschieden.

bundesliga.de: Ich hatte deshalb nach der Disziplin gefragt, da man die Geschichten der Trainer-Kollegen auf dem afrikanischen Kontinent kennt. Sie waren dort ja selbst eine Zeit Trainer der "unzähmbaren Löwen" aus Kamerun. Und auch Otto Pfister hatte schon seine Probleme. Ist das Arbeiten in den Emiraten in diesem Punkt einfacher?

Schäfer: Das sind alles so Märchen, die da erzählt werden. Die Disziplin in Kamerun war beispielsweise besser als in vielen deutschen Vereinen. Das Problem sind immer der "Director of sports" und der "Minister of sports". Das habe ich in Afrika ja auch kennengelernt. Spieler bekamen vor der WM plötzlich keine Prämien mehr. Und die Spieler sagten: 'Ohne Prämien fliegen wir nicht zur WM nach Japan!'. Die sind drei Tage in Paris in einem kleinen Hotel gesessen und haben sich die WM dadurch natürlich selbst kaputt gemacht. Die Spieler an sich sind Patrioten und ziehen mit. Aber man muss ihnen das vorleben. Ich kann nicht in ein Land gehen, ein bisschen auf Trainer machen und dann bald wieder woanders hingehen. Die Spieler spüren das. Ich war drei Jahre in Afrika, hatte große Erfolge mit Kamerun und habe von den Spielern nur Positives erlebt.

bundesliga.de: Der Fisch stinkt vom Kopf her, das Problem ist auf dem schwarzen Kontinent also in erster Linie eines auf Funktionärsebene?

Schäfer: Richtig. Das ist das Problem in Kamerun. Aber Otto Pfister soll froh sein, dass er in Kamerun Trainer ist. Er hat dort tolle Spieler. Über die kann ich absolut nichts Negatives sagen, über die Funktionäre allerdings schon.

bundesliga.de: Fliegen wir zurück in die Vereinigten Arabischen Emirate. Sie haben die Fankultur bereits kurz umrissen. Wie ausgeprägt ist der Fankult um einzelne Spieler?

Schäfer: Nehmen Sie Jorge Valdivia. Er ist momentan der beste Spieler in den Emiraten, der beste, der je hier gespielt hat. Wenn Valdivia aufläuft, sind sogar die Fans des Gegners begeistert und jubeln ihm zu. Wir haben Ismael Matar, der bei Al Wahda spielt, wo der ehemalige österreichische Nationaltrainer Josef Hickersberger Trainer ist. Matar ist gleichzusetzen mit….Beckenbauer. Na gut, Matar spielt noch. Aber er ist so beliebt, da er die Nationalmannschaft vor zwei Jahren zum Golf-Cup geschossen hat. Und wenn sie hier den Fernseher anmachen, dann schwirrt auf "Abu Dabi Sports" oder "Dubai Sports" immer irgendwo sein Kopf herum. Die Fans sind hier also durchaus sehr begeistert, aber es gibt hier auch wesentlich weniger Einwohner, dadurch gibt es nicht so viele Fans wie in Deutschland.

bundesliga.de: Und wahrscheinlich auch nicht so viele weibliche?

Schäfer: Es geht. Es gibt hier schon auch einige Frauen, die ins Stadion gehen.

bundesliga.de: Die sportliche Seite klingt recht attraktiv. Aber zu Beginn Ihrer Zeit in den Emiraten gab es sicherlich auch einige Hürden. Welche war die höchste?

Schäfer: Das war am Anfang, als ich nach Al-Ahli kam, da gab es noch keine Profi-Liga. Die hat man vor einem Jahr erst eingeführt. Nun muss man nochmal auf die Disziplin zu sprechen kommen: ich hatte immer mal wieder Spieler, die zwischendurch einfach nicht zum Training kamen. Ich habe dann dem Präsidenten gesagt: 'Hören Sie mal, ich bin gekommen, um Erfolg zu haben, nicht, um auf meine Spieler zu warten!' Danach waren alle Spieler da. Und einmal habe ich die Spieler nach einem Spiel zusammen mit dem Vorstand in die Kabine geholt. Ich habe gesagt: 'Passt mal auf, ich bin nicht zu Al-Ahli gewechselt, um um Platz 4, 5 oder 6 zu spielen. Ich will Meister werden! Und wenn ihr das nicht wollt, dann steige ich ins nächste Flugzeug und fliege nach Hause!' Wir sind Meister geworden… Da haben die Spieler gemerkt, dass ich hier nicht nur am Beach rumliegen, sondern arbeiten will. Und das ist in jedem Verein wichtig, dass der Manager oder der Vorstand hinter diesen Maßnahmen steht. Den besten Stürmer, der je in diesem Land gespielt hat, den habe ich für fünf Spiele aus der Mannschaft geworfen, weil er immer zu spät kam. Die anderen Spieler haben sich gefreut und noch mehr Gas gegeben.

bundesliga.de: Haben die europäischen Trainer-Legionäre untereinander eigentlich viel Kontakt?

Schäfer: Ja klar, ich habe heute Morgen noch mit Hickersberger gesprochen. Mit ihm habe ich jahrelang in Offenbach Fußball gespielt. Vor drei Wochen ist Pagelsdorf angekommen. Sein erstes Spiel war gegen uns. Das hat er 0:1 verloren. Das zweite Spiel für ihn war auch gegen uns, im Pokal. Da haben wir 2:1 gewonnen. Wir haben uns dann unterhalten, er war ja schon mal vor vier Jahren hier im gleichen Club.

bundesliga.de: Und nach so einem Spiel setzt man sich zusammen und trinkt noch schnell ein kleines, kühles Bierchen?

Schäfer: Nein. Frank lebt in Dubai, ich bin in Al Ain, das ist eine Stunde Fahrzeit. Im Moment bereiten wir uns auf die Rückrunde vor, da gibt es viel zu tun. Wir müssen noch viel arbeiten und versuchen, alles zu gewinnen, was es zu gewinnen gibt.

bundesliga.de: Man spürt Ihren sportlichen Anspruch und Ehrgeiz. Wieviel Potenzial steckt denn im Fußball in den Vereinigten Arabischen Emiraten?

Schäfer: Wir sind im Golf-Cup zwar gegen Saudi-Arabien ausgeschieden, aber das lag daran, dass der Vorgänger des jetzigen Nationaltrainers viele Fehler gemacht hat. Er hat die Mannschaft nicht verjüngt und hatte dadurch keine Chance mehr. Jetzt sind wir aber im Asien-Cup vertreten, die WM 2010 ist leider nicht mehr zu schaffen. Aber je mehr gute Trainer hier arbeiten, desto besser werden die Spieler. Und auch in der Jugendarbeit wird besser gearbeitet. Auch da müssen wir aufpassen und den Jugendtrainern Ideen mitgeben, damit der Fußball hier besser und dadurch letztlich gesichert wird.

bundesliga.de: Sie scheinen sich sehr wohl zu fühlen. Wie realistisch ist Ihre Rückkehr nach Europa, vielleicht auch in die Bundesliga?

Schäfer: Man kann das nie ausschließen. Frank Pagelsdorf ist ja damals nach Rostock zurückgegangen. Die Leute sagen dann ja immer: 'Der kennt die Liga nicht mehr!' Wenn ich dann sehe, dass aus dem Ausland Trainer geholt werden, die die Liga noch nie kennengelernt haben, da muss man drüber lächeln. Diesen Erfahrungsschatz, den ich in der Bundesliga, in Afrika und hier gesammelt habe, den werden wenige Trainer aufweisen können. Aber meine Familie und ich ich fühlen uns hier sehr wohl.

Das Gespräch führte Michael Wollny