Nach Sebastian Kehls (r.) Siegtreffer im Revier-Derby auf Schalke gab es bei Borussia Dortmund kein Halten mehr: Der "schwarz-gelbe" Jubelexpress rollte durch die VELTINS-Arena
Nach Sebastian Kehls (r.) Siegtreffer im Revier-Derby auf Schalke gab es bei Borussia Dortmund kein Halten mehr: Der "schwarz-gelbe" Jubelexpress rollte durch die VELTINS-Arena

"Wir dürfen mächtig stolz sein!"

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Gelsenkirchen - Was für eine Woche für Sebastian Kehl: Erst der Triumph im Gigantengipfel gegen den FC Bayern München, dann der Siegtreffer im Revierderby gegen den FC Schalke 04. Für den Spielführer der "Schwarz-Gelben" war es auch eine persönliche Genugtuung, aber stolz war 32-Jährige nach der Partie vor allem auf seine Mannschaft.

Es war kein Zufall, dass Kehl die Feierrunde anführte. Minuten nach dem Abpfiff hatten die Fans lautstark nach der siegreichen Mannschaft verlangt, die gerade Erzrivalen hatte. Und die Spieler ließen sich nicht zweimal bitten, kamen wieder aus der Kabine und feierten ausgelassen mit dem Anhang - der Kapitän nach seinem Tor immer vorneweg.

Nach dem Spiel sprach der "Sechser" über ein brisantes Derby, Anspannung, Euphorie und seinen entscheidenden Treffer - und verriet, welchen Anteil sein Sohn am Erfolgserlebnis hat.

Frage: Sebastian Kehl, wie schwierig war es, nur drei Tage nach dem Meistergipfel gegen die Bayern wieder den Schalter umzulegen?

Sebastian Kehl: Das war nicht ganz einfach. Wir waren ja am Mittwoch nach dem Sieg gegen die Bayern vermeintlich schon Deutscher Meister und mussten die allgemeine Euphorie dämpfen. Aber wenn du dich - auch drei Tage nach einem Bayern-Spiel - auf ein Derby vorbereitest, dann spielt das keine große Rolle mehr. Jeder weiß, was dieses Spiel bedeutet und welche Brisanz es hat. Deswegen waren wir natürlich hellwach. Und wir waren wieder absolut gierig - auch wenn man uns das in den ersten Minuten vielleicht nicht angesehen hat.

Frage: Warum hat sich der BVB in der ersten Halbzeit so schwer getan?

Kehl: Wir haben fußballerisch nicht immer die beste Lösung gewählt. Ob das auch am schlechten Platz lag oder doch an anderen Faktoren, mag ich gar nicht beurteilen. Die Schalker waren sehr engagiert, sind sehr viel draufgegangen und haben sehr viel Druck gemacht. Aber sie haben es dann fußballerisch nicht gut gelöst in der ersten Halbzeit. Schalke hatte wahnsinnig viele Standardsituationen. Und sie haben viele lange Bälle gespielt. Damit waren sie dann letztlich gefährlich. Aber in der zweiten Halbzeit haben wir dann auch mit unseren Möglichkeiten das Spiel verdient gewonnen.

Frage: Den Siegtreffer haben Sie selbst erzielt - aber am Anfang waren Sie als Kapitän zunächst nicht in der Startelf.

Kehl: Ehrlich gesagt hatte ich auch nicht damit gerechnet, zunächst nur auf der Bank zu sitzen. (lacht) Aber am Ende hat der Trainer alles richtig gemacht. Wichtig ist, dass die Mannschaft vornebleibt und wir weiterhin guten und erfolgreichen Fußball spielen. In welcher Konstellation, spielt da nur eine untergeordnete Rolle.

Frage: Als sie dann zur Pause eingewechselt wurden, waren Sie aber sofort im Spiel - nicht nur aufgrund des Treffers.

Kehl: Es war nicht ganz leicht, weil bis kurz vor Ende der Pause gar nicht klar war, dass "Manni" (Sven Bender; die Red.) nicht mehr auflaufen kann. Ich hatte also noch gar nicht mit meinem Einsatz gerechnet, bis ich kurz vor dem Wiederanpfiff die Mitteilung bekommen habe. Dann muss man natürlich ziemlich schnell hochschalten. Aber das ist mir ganz gut gelungen. (lacht) Letztlich haben fünf Minuten Aufwärmen ja auch gereicht. Ich war sofort im Spiel und hatte auch gleich ein paar gute Aktionen. Und wenn man dann am Ende noch das entscheidende Tor schießt, hat man sowieso alles richtig gemacht.

Frage: Das dürfte auch Ihren kleinen Sohn freuen. Hat er sich wieder beschwert, dass Sie länger nicht getroffen haben?

Kehl:(lacht) Ja, das stimmt schon. Luis hat mich wieder richtig unter Druck gesetzt, indem er mir gesagt hat: "Papa, du musst Tore schießen!"

Frage: War dieses Tor für Sie auch eine besondere Genugtuung, weil Sie beim umjubelten Derbysieg auf Schalke im vergangenen Jahr nicht dabei sein konnten?

Kehl: Im letzten Jahr ist mir genau drei Tage vor dem Derby im internationalen Spiel der Muskel abgerissen und ich musste passen. Das war sehr bitter. Denn die Bilder, die du nach einem Derbysieg abspeicherst und die über Jahre bestehen bleiben, waren ohne das Trikot mit der Nummer 5 gefüllt. Jetzt hat es sich geändert und ich bin wirklich glücklich, dass ich dabei war und meinen Teil zum Sieg beitragen konnte. Aber noch weitaus glücklicher bin ich, wenn wir am Ende die Meisterschale in Händen halten.

Frage: Apropos Meisterschale: Muss man die Euphorie jetzt immer noch dämpfen?

Kehl: Wir dämpfen die Euphorie solange, bis wir auch rechnerisch oben nicht mehr zu verdrängen sind. Natürlich ist die Schale unser Ziel! Aber bis heute haben wir noch nichts erreicht. Wir haben eine gute Situation, aber wir haben auch noch drei Spiele. Aber wenn wir so weiterspielen wie in den vergangenen Wochen, dann bin ich auch fest überzeugt, dass wir am Ende ganz oben stehen werden.

Frage: Aber Sie können jetzt schon mal etwas gelassener an die letzten Spiele herangehen, oder ist die Anspannung immer noch hoch?

Kehl: Anspannung ist immer da. Die gehört dazu und ist auch notwendig. Die ist auch für unsere Art des Fußballspiels relevant. Wir lassen uns jetzt nicht einlullen, auch wenn wir nach den Spielen gegen Bayern und Schalke etwas feiern und diese Siege genießen. Manche haben diese Woche auch als "Todeswoche" für uns bezeichnet. Wir haben sie jetzt mit sechs Punkten abgeschlossen. Das ist das Maximale - und das darf man auch feiern. Das hat sich die Mannschaft absolut verdient! Und darauf dürfen wir auch mächtig stolz sein!

Aufgezeichnet von Dietmar Nolte