Am Boden: Nach der Niederlage gegen Wolfsburg herrscht beim BVB Enttäuschung vor
Am Boden: Nach der Niederlage gegen Wolfsburg herrscht beim BVB Enttäuschung vor

Wintereinbruch des Gemüts

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Dortmund - Schneematsch, Dauerregen, eisiger Wind. Wenn es ein Wetter gab, das zur Gemütslage bei Borussia Dortmund passte am Tag danach, dann dieses. Keine Frage: Die sitzt tief und nagt an den Spielern. Während ihre Gesichter am Sonntag immer noch Bände sprachen, sagten sie selbst weiterhin nichts - zu emotional und letztlich zu umstritten waren die Umstände der zweiten Heimpleite der Saison.

Platzverweis trübt die Gemütslage

Dabei hätte alles so schön werden können. Der Kinderchor "Sonnenkinder" hatte vor dem Spiel wie in jedem Jahr auf dem Rasen Weihnachtslieder angestimmt, die Fans hatten sich mit "Oh du fröhliche" warm geschunkelt. Der BVB zündete auf dem Rasen den Turbo und spielte überforderte Wolfsburger an die Wand. "Da waren wir haushoch überlegen und haben eines unserer besten Saisonspiele gezeigt", meinte Trainer Jürgen Klopp später. Allerdings stand nur das Tor von Marco Reus zu Buche, als Schiedsrichter Wolfgang Stark in der 35. Minute pfiff. Das Spiel kippte - und die ganze schöne Adventsstimmung war dahin.



Vielmehr brannte der Baum, weil Stark Handelfmeter gegen den BVB gab und Marcel Schmelzer mit Rot vom Platz stellte. "Das hat dem Spiel die Wende gegeben, weil wir danach unsere Ruhe verloren haben", analysierte Klopp. "Dieser Platzverweis war nicht gut für die Gemütsverfassung der Mannschaft."

Und er war komplett unberechtigt, wie ein reumütiger Schiedsrichter nach der Partie offen zugab. Während BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Sportdirektor Michael Zorc noch schimpfend durch die Stadionkatakomben eilten, gestand Stark seinen Fehler auf Nachfrage ein: "Anhand der Fernsehbilder hat man natürlich gesehen, dass kein Handspiel vorlag - somit ein Wahrnehmungsfehler. Ein klarer Fehler von mir."

Dass Schmelzer trotz Roter Karte nicht gesperrt wird, weil der DFB-Kontrollausschuss am Montag selbst einen Freispruch beantragen wird, konnte Jürgen Klopp nach dem "brutalen Ergebnis" nur mäßig trösten. "Irgendwann mussten wir mit zehn Mann dem hohen Aufwand, den wir betreiben, Tribut zollen", haderte der Trainer mit dem Ergebnis, das den BVB noch weiter hinter Bayern München zurückwirft. 14 Punkte Differenz sind es nach der insgesamt dritten Saisonniederlage zum ersten Platz, Leverkusen nistet sich auf Platz zwei ein - reden wollte darüber an diesem Wochenende niemand. Oder durfte es nicht, weil Klopp seinen Spielern einen Maulkorb verpasst hatte

Klopp kritisiert das eigenen Team



Es gehört zu den eher ironischen Randnotizen dieses Spiels, dass ausgerechnet an diesem Samstag das BVB-Stadionmagazin mit einer Titelgeschichte über den vermeintlichen Rotsünder erschienen war. "Schmelzers bewegtes Jahr" war dort nachzulesen - noch ohne den bitteren Höhepunkt. Und auch die Tatsache, dass ausgerechnet ein Schiedsrichter aus Bayern ungewollt den schwarz-gelben Rückschlag eingeleitet hatte, dürfte Jürgen Klopp als ganz eigene Ironie der Geschichte nur ein gequältes Lächeln abgerungen haben.

Ernsthaft wollte daraus auf Dortmunder Seite aber niemand einen Zusammenhang herstellen. Vielmehr kehrte der Deutsche Meister auch vor der eigenen Haustür. "Wir haben selten so überlegen gespielt, ohne als Sieger vom Platz zu gehen", stellte der Trainer fest. Und meinte dies durchaus auch als Kritik am eigenen Team.

Nicht konsequent genug im Abschluss sei seine Mannschaft in der ersten halben Stunde gewesen, als sie Wolfsburg überhaupt keinen Zugriff auf das Spiel erlaubt hatte und selbst Torchance um Torchance kreierte. "Da waren wir zu verspielt und nicht zielstrebig genug", ärgerte sich Klopp. 21:7 Torschüssen standen am Ende für den BVB zu Buche. Marco Reus alleine zog sieben Mal ab und hatte damit so viele Torschüsse auf dem Konto wie der VfL Wolfsburg auf der anderen Seite zusammen. Und selbst in Unterzahl verbuchte die Borussia mehr Ballbesitz als die "Wölfe". Geholfen hat es am Ende alles nicht.

Aus Dortmund berichtet Dietmar Nolte