Franz Beckenbauer (l.) im Spiel gegen den großen Rivalen in den 70er Jahren - Borussia Mönchengladbach
Franz Beckenbauer (l.) im Spiel gegen den großen Rivalen in den 70er Jahren - Borussia Mönchengladbach

Wie in Grimms Märchen

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Fußballgenie, Kaiser, Lichtgestalt - die Palette der Überhöhungen für Beckenbauer war seit jeher groß und hat sich Laufe der Zeit sogar noch gesteigert. War er bereits als aktiver Spieler dank seiner unnachahmlichen Technik und Übersicht als Genie verschrien, so steigerte sich sein Ruhm nach dem Karriereende sogar noch weiter.

Ohne Beckenbauer kein Sommermärchen

Der "Kaiser" schien wie eine Figur aus einem Grimm'schen Märchen - alles, was er anfasste, wurde zu Gold. So führte er die Nationalelf 1974 zum WM-Titel, übernahm sie 1986 als Teamchef und führte sie vier Jahre später zum erneuten WM-Triumph. Unvergessen, wie Beckenbauer nach dem 1:0-Sieg gegen Argentinien über den römischen Rasen schlendert, während seine Spieler ausgelassen den Finalsieg auskosten.

Wohl wissend, dass dieser Triumph nicht zu steigern war, verabschiedete sich Beckenbauer von der Nationalmannschaft - und hinterließ seinem Nachfolger Berti Vogts eine riesengroße Hypothek, die er mit einem dahingeworfenen Satz ("die deutsche Nationalelf wird auf Jahre hinaus unschlagbar sein") sogar noch steigerte.

Am 15. Dezember 1998 wird Franz Beckenbauer zum Chef des deutschen WM-Bewerbung-Komitees befördert - und macht sich spätestens am 6. Juli 2000 unsterblich, als FIFA-Chef Sepp Blatter verkündet: "And the winner is…Deutschland". Ohne den "Kaiser", so viel steht fest, wäre das deutsche Sommermärchen nicht möglich gewesen. In diesen beschwingten Tagen düst Beckenbauer per Helikopter von Stadion zu Stadion, plaudert mit Gott und der Welt, gibt zahllose Interviews - und vermittelt der Welt eine Leichtigkeit, die den Deutschen gut zu Gesicht steht.

Fünf Meisterschaften, vier Eigentore


Zu diesem Zeitpunkt hat Beckenbauer sein "Lebenswerk" quasi vollendet - eines, das 50 Jahre zuvor unter denkbar ungünstigen Voraussetzungen begann. Bevor der junge Franz aus dem Stadtteil Giesing nämlich die Fußballwelt aus den Angeln hebt, wird er bei einem Schülerturnier aus allen Träumen gerissen. Beim Spiel gegen den TSV 1860 bekommt Beckenbauer eine schallende Ohrfeige verpasst, die ihn später dazu veranlasst zum FC Bayern statt zu seinem damaligen Lieblingsverein, den "Löwen", zu wechseln.

Seine Erfolge beim FC Bayern aufzuzählen, käme einer Herkules-Aufgabe gleich. Alleine die gewonnen Meisterschaften (5), DFB-Pokalsiege (4), Europapokalsiege (3) und Weltpokal-Triumphe (1), geben hinreichend Zeugnis von der außerordentlichen Qualität der Münchner in den 70er Jahren, bei denen Beckenbauer in dieser Zeit die prägende Figur ist. Mit seiner technischen Überlegenheit verzückt er die Fans, bringt ob der lässigen Art jedoch auch hin und wieder seine Trainer auf die Palme. Verschwiegen werden soll auch nicht die Tatsache, dass der "Kaiser" mit vier Eigentoren in der Bundesliga für lange Zeit die Liste anführte.

Beckenbauer schwebt über den Dingen


Doch nicht nur auf dem Fußballplatz hatte Beckenbauer "Narrenfreiheit" - auch in zahlreichen Interviews ließ man ihn schalten und walten und legte nicht jedes seiner Wörter auf die Goldwaage. Frei nach dem Adenauer-Zitat ("Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern") plauderte er über dies und das, um an einem anderen Tag das Gegenteil zu behaupten. Dies alles konnte Beckenbauer nichts anhaben.

Im Gegenteil - er ist bis zum heutigen Zeitpunkt als Fachmann, der "über den Dingen schwebt", begehrt. "Ich möchte einmal wissen, in welcher Kommission ich nicht bin. Ich glaube, da habe ich nicht aufgepasst", sagte er mit einem Augenzwinkern. Ein Spruch von Otto Rehhagel charakterisiert wohl am besten Beckenbauers Status: "Wenn er erklärt, dass der Ball eckig ist, dann glauben ihm das alle."

Johannes Fischer

Karriere in Zahlen:

Geburtsdatum: 11.09.1945
Bundesliga-Spiele: 424
Bundesliga-Tore: 44
Deutscher Meister: 1969, 1972, 1973, 1974, 1982
DFB-Pokalsieger: 1966, 1967, 1969, 1971
Europapokal der Landesmeister: 1974, 1975, 1976
Europapokal der Pokalsieger: 1967


SaisonVereinEinsätze/Tore
1965/66 FC Bayern 33/4
1966/67 FC Bayern 33/0
1967/68 FC Bayern 28/4
1968/69 FC Bayern 33/2
1969/70 FC Bayern 34/6
1970/71 FC Bayern 33/3
1971/72 FC Bayern 34/6
1972/73 FC Bayern 34/6
1973/74 FC Bayern 34/4
1974/75 FC Bayern 33/1
1975/76 FC Bayern 34/5
1976/77 FC Bayern 33/3
1980/81 Hamburger SV 18/0
1981/82 Hamburger SV 10/0