Völlig losgelöst von den Sorgen der vergangenen Wochen: Robin Dutt (M.) feiert den Sieg gegen Leverkusen
Völlig losgelöst von den Sorgen der vergangenen Wochen: Robin Dutt (M.) feiert den Sieg gegen Leverkusen

Werder atmet durch

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Bremen - Robin Dutt rang um seine Fassung. "Ich bin einfach nur glücklich", sagte der Trainer von Werder Bremen nach dem so wichtigen 1:0-Sieg gegen Bayer Leverkusen mit zittriger Stimme, und beinahe wären ihm die Tränen gekommen. Dutt ist eigentlich nicht sehr nah am Wasser gebaut, doch der Gefühlsausbruch machte deutlich, unter welchem enormen Druck er in den letzten Wochen gestanden hatte. Und wie viel ihm und Werder diese drei Punkte nach fünf sieglosen Partien bedeuteten - Erleichterung pur herrschte an der Weser.

Nach 14 Gegentreffern steht Werders Null

Nach dem ersehnten Abpfiff hatte Dutt kämpferisch die Fäuste in Richtung der Bremer Fans gereckt, vollführte Luftsprünge und brüllte sich dabei die ganze Anspannung aus der Seele. Jeden Spieler herzte und klatschte er einzeln ab und nahm dann ein Bad in der Ostkurve, ließ sich von den Getreuen der Grün-Weißen drücken und hätte wohl am liebsten das ganze Weserstadion umarmt. Wie eine Wand hatten sie hinter ihm und seiner Mannschaft gestanden und Dutt damit richtig gerührt. "Ich finde dafür keine Worte", sagte der Werder-Coach, "nach diesem so schweren Jahr sind sie immer unser Rückhalt - diese Fans sind unglaublich."

Niemand hatte in der Schlussphase mehr auf seinem Platz gesessen, und Dutt sowieso nicht. Er hielt die Anspannung kaum noch aus, lief hektisch gestikulierend an der Seitenlinie hin und her. Hauchdünn war der Vorsprung. Mit dem Patentrezept der ersten Spieltage - hinten tief stehen und dicht machen und nach vorne das Beste hoffen - hatten sie die Leverkusener mit leidenschaftlichem Einsatz in die Bredouille gebracht und in der 74. Minute durch Santiago Garcia die Führung erzielt - und die wollten die Bremer nun um jeden Preis verteidigen.

"Die letzten zehn Minuten kamen mir nochmal wie 90 Minuten vor", sagte Dutt später, "die Zeit wollte einfach nicht vorbei gehen. Mir ging so unglaublich viel durch den Kopf." Doch alle schrecklichen Was-wäre-wenn-Szenarios waren am Ende passé, Werder hatte es geschafft. Und das gegen den Tabellenzweiten. "Es ist ein Traum, dass es so ausgeht", freute sich Sebastian Prödl, "damit haben wir alle nicht gerechnet." Der Bremer Abwehrchef wohl am wenigsten, denn der Österreicher hatte sieben Wochen verletzt gefehlt und erst wenige Stunden zuvor von seinem Einsatz erfahren. Aber Prödl lieferte eine glänzende Leistung ab, stand meist goldrichtig und stellte die Bayer-Offensive weitgehend kalt: "Wir wollten hinten sicher stehen und uns so das Selbstvertrauen holen, das wir in den letzten Wochen nicht hatten."

Der Plan ging auf und so blieb nach zuletzt 14 Gegentreffern die Null stehen, das nahm besonders der leidgeprüfte Keeper Raphael Wolf erleichtert auf: "Es ist ein schönes Gefühl, das haben wir uns hart erarbeitet und auch verdient. Heute hat alles gepasst."

Völler zeigt sich versöhnlich

Auch Dank Aaron Hunt. Der hätte nach Wadenproblemen eigentlich gar nicht dabei sein sollen, doch der Kapitän wurde Bremens Bester. Als Vorbereiter, als Lenker und Antreiber - kurz vor Schluss wurde er mit stehenden Ovationen verabschiedet. "Da ist viel Ballast von uns abgefallen, auch von den Fans", sagte Hunt, "es ist ein gelungener Abschluss für ein schwieriges Jahr."

Bei Leverkusen war es genau umgekehrt: das Jahr gelungen, aber den Abschluss ein klein wenig vergeigt mit zwei Niederlagen. Den 40-Punkte-Rekord der Vereinsgeschichte verpasste die Werkself knapp, aber eben nur knapp. Wichtiger ist, Bayer bleibt Bayern-Jäger Nummer eins. "Der Blick auf die Tabelle versöhnt doch", meinte Sportdirektor Rudi Völler, "auch wenn der Ausklang jetzt ein bisschen weh tut."

Die Bremer vergaßen ihre Schmerzen der letzten Wochen und verabschieden sich mit 19 Punkten als Elfter in die Winterpause. "Jetzt können wir im Urlaub durchschnaufen", sagte Hunt erschöpft, aber glücklich. Auch Dutt hatte schon während der Pressekonferenz immer wieder durchgepustet, die emotionale Achterbahnfahrt hatte viel Kraft gekostet. Das war nicht zu übersehen. "Die sechs Monate hier bei Werder fühlen sich an wie sechs Jahre", sagte er. Doch nach diesem Nachmittag durfte Dutt hoffen, dass sein Job im Januar wieder leichter wird.

Aus Bremen berichtet Petra Philippsen