Ron-Robert Zieler hat sich beim VfB auf Anhieb den Stammplatz im Tor gesichert - © © imago / Sportfoto Rudel
Ron-Robert Zieler hat sich beim VfB auf Anhieb den Stammplatz im Tor gesichert - © © imago / Sportfoto Rudel

VfB-Keeper Ron-Robert Zieler im Interview: "Etwas Demut hat bekanntlich noch niemandem geschadet"

xwhatsappmailcopy-link

Stuttgart - Nach der Auftaktniederlage bei Hertha BSC scheint der VfB Stuttgart mit dem Heimsieg gegen Mainz in der Bundesliga angekommen zu sein. Im Exklusiv-Interview mit bundesliga.de spricht Torwart Ron-Robert Zieler über die Gründe für seine Rückkehr nach Deutschland, über seinen Ex-Trainer Claudio Ranieri, seinen jetzigen Trainer Hannes Wolf und darüber, wie man auch negativen Karriere-Phasen etwas abgewinnen kann.

Hol' Dir Ron-Robert Zieler im offiziellen Fantasy Manager

bundesliga.de: Herr Zieler, Ihr Teamkollege und Kontrahent um die Nummer eins im Tor, Aufstiegstorwart Mitch Langerak, hat den VfB Stuttgart in der vergangenen Woche verlassen. Welche Gefühle hat das bei Ihnen ausgelöst?

Ron-Robert Zieler: Für Mitch war es eine sehr schwierige Situation. Der Wechsel zu UD Levante bedeutet für ihn nun eine neue Herausforderung. Wir hatten ein sehr faires Verhältnis und sind im Trainingsbetrieb stets sehr kollegial miteinander umgegangen. Ich wünsche ihm für seine neue Aufgabe das Beste und dass er sich dort durchsetzt.

bundesliga.de: Sie selbst mussten bei Leicester City, dem englischen Meister von 2016, häufig Kasper Schmeichel den Vortritt lassen. Was macht das mit einem Profi, wenn er spürt, dass er trotz guter, vielleicht sogar besserer Trainingsleistungen, kaum Chancen hat zu spielen?

Zieler: Keine Frage, diese Situation bedeutete für mich eine sehr große Umstellung. Ich hatte zuvor in beinahe sechs Jahren bei Hannover 96 so gut wie jedes Spiel bestritten, das möglich war. Ich war mir allerdings bewusst, dass Leicester für mich eine große Herausforderung werden würde. Aber das sind Phasen, die man als Fußball-Profi wohl auch durchschreiten muss. Es gibt nun einmal in einer Karriere neben den Höhen auch solche Tiefen, und ich habe versucht, daraus das Positive mitzunehmen.

"Ich habe mich in dieser schwierigen Phase weiterentwickelt und bin auch als Persönlichkeit gereift."

bundesliga.de: Was war das?

Zieler: Ich denke, man wird ein Stück weit demütiger und lernt wieder das, was man bereits erreicht hat, mehr zu schätzen. Etwas Demut hat bekanntlich noch niemandem geschadet. Ich habe mich in dieser schwierigen Phase weiterentwickelt und bin auch als Persönlichkeit gereift. Deshalb möchte die Zeit in Leicester auf gar keinen Fall missen. Die Chance in der Premier League und in der Champions League für den englischen Meister spielen zu dürfen, die musste ich einfach ergreifen. 

bundesliga.de: Das früher gern gezeichnete, möglicherweise aber schon damals falsche Bild von der Fußball-Mannschaft als elf Freunde, taugt das noch in einer Zeit, in der auch der Fußball eine Leistungsgesellschaft ist?

Zieler: Ich denke, man muss den Mittelweg suchen und finden. Konkurrenzkampf belebt eine Mannschaft, das steht außer Frage. Nichtsdestotrotz ist der Zusammenhalt in einem Team enorm wichtig, wenn man erfolgreich durch eine Saison kommen möchte. Daran arbeiten wir sehr akribisch beim VfB. Und ich denke, dass wir eine gute Mischung gefunden haben aus jungen, sehr talentierten Spielern, die großes Potenzial haben, und aus Spielern, die in der Vergangenheit schon bewiesen haben, dass sie in der Bundesliga auch dank ihrer großen Erfahrung sehr gut funktionieren.

- © imago / Thomas Bielefeld

Video: Hannes Wolf - Immer 100 Prozent

bundesliga.de: Diese erfahrenen Spieler – Holger Badstuber, Dennis Aogo, Andreas Beck und natürlich Sie – dürfen allesamt als Garanten dafür gelten, dass die Mannschaft zunächst einmal sicher stehen soll. Muss das der Weg für einen Aufsteiger sein?

Zieler: Wir wollen sicherlich nicht, dass hinten zwar die Null steht, dass sich aber nach vorne gar nichts bewegt. Das wäre der falsche Ansatz. Dennoch haben Sie Recht, dass wir als Aufsteiger zunächst einmal Wert auf ein kompaktes, Sicherheit vermittelndes Mannschaftsgefüge legen. Wobei das nicht in erster Linie etwas mit unserem Status als Aufsteiger zu tun hat. Jede Mannschaft sollte schauen, dass sie Sicherheit ausstrahlt und hinten wenig zulässt. Aber wir wissen auch, dass die einzelnen Mannschaftsteile noch ein Stück weit zusammenwachsen müssen. Wenn man sich unsere ersten beiden Spiele, in Berlin und gegen Mainz, noch einmal anschaut, hat man aber gesehen, dass wir diesbezüglich auf einem guten Weg sind.

bundesliga.de: Beim VfB sind Sie auf einen der mittlerweile vielen jungen Trainer in der Bundesliga getroffen, auf Hannes Wolf. Welchen Eindruck haben Sie nach den ersten gemeinsamen Wochen?

Zieler: Mein Eindruck ist durchweg positiv. Der Trainer ist sehr ehrgeizig und sehr zielstrebig. Er verlangt viel von uns und erwartet auch im Training allerhöchste Konzentration und hundert Prozent von jedem Einzelnen.

bundesliga.de: Das Gegenteil, ein alter Trainer-Fuchs, war Claudio Ranieri, Ihr Coach bei Leicester City, der 2016 mit dieser Mannschaft sensationell Meister wurde. Wie haben Sie es empfunden, als Ranieri dennoch im Februar dieses Jahres gehen musste?

Zieler: Das war wirklich sehr schade. Aber letztlich gehört es zum alltäglichen Geschäft. Wer Trainer ist, der weiß, dass er seinen Job irgendwann verlieren kann. Trotzdem tut es mir immer wieder leid, wenn es passiert. Und bei Claudio Ranieri war es extrem: Im Januar 2017 wird er für seine Leistung mit Leicester City zum Fifa-Welttrainer des Jahres 2016 gewählt, wenige Wochen später aber muss er den Verein verlassen. Extremer geht es wirklich nicht. Uns und damit Ranieri hat damals einfach das Quäntchen Glück gefehlt, das nötig gewesen wäre, um einen Befreiungsschlag zu landen.

bundesliga.de: Trotz Leicester und der Champions League-Erfahrung war Ihre bisher erfolgreichste Station Hannover 96, das wie der VfB den direkten Wiederaufstieg geschafft hat. Interessiert einen das noch, oder lebt man als Profi vor allem im Hier und Jetzt?

Zieler: Natürlich gelten meine ganze Kraft und Konzentration jetzt dem VfB Stuttgart, mit dem ich eine erfolgreiche Saison spielen möchte. Trotzdem schaue ich am Wochenende auch auf die Ergebnisse der anderen Teams und dort besonders auf Hannover 96. Ich habe nach wie vor viel Kontakt nach Hannover, einer meiner besten Freunde und mein Patenkind leben dort. Und ich freue mich, dass 96 erfolgreich in die Saison gestartet ist, diese beiden Siege werden dem Verein guttun. Aber ebenso wie wir wissen sie auch dort, dass wir gerade erst am Beginn einer langen Saison stehen.

bundesliga.de: Apropos ehemalige Vereine: Wenn Ihre Kölner Zeit auch lange zurückliegt, bleiben Sie nach eigenen Aussagen immer „’ne kölsche Jung“. Wie sehen Sie die Entwicklung des FC?

Zieler: Eigentlich möchte ich gar nicht so viel über andere Vereine sprechen. Dies aber kann ich in diesem besonderen Fall sagen: Der FC hat sich in den vergangenen Jahren ganz hervorragend entwickelt, mit der diesjährigen Europa League-Teilnahme als i-Tüpfelchen. Das ist eine klasse Truppe und die Leute drum herum, die Verantwortlichen wie Alexander Wehrle, Jörg Schmadtke und Peter Stöger, machen einen hervorragenden Job.

bundesliga.de: Der FC misst sich in der Europa League mit dem FC Arsenal. Wenige deutsche Spieler kennen die Premier League wahrscheinlich so gut wie Sie. Wo steht die Bundesliga im Vergleich mit der englischen Top-Liga?

Zieler: Ich halte diesen Vergleich für schwierig, denke aber, dass der Fußball auf der Insel noch einen Tick direkter und schneller und auch körperbetonter ist als der in Bundesliga. In Deutschland wiederum ist das taktische Spiel ausgeprägter als auf der Insel. Und die Bundesliga ist ungeheuer attraktiv, die Infrastruktur hervorragend.

"Trotzdem habe ich auch in England nicht vergessen, wie gerne ich in der Bundesliga gespielt habe und spiele."

Video: Stuttgarts Premierensieg gegen Mainz

bundesliga.de: Sie haben sich für die Rückkehr in die Bundesliga entschieden – weil es zu Hause eben doch am schönsten ist?

Zieler: Die Bundesliga war auch im Sommer 2016, nach meinem Abschied von Hannover 96, immer eine Option. Damals aber wollte ich das Angebot des englischen Meisters unbedingt wahrnehmen. Vielleicht auch, um für mich persönlich einen Haken an die Premier League zu machen. Und heute kann ich sagen, dass ich Premier League gespielt habe und auch Champions League und FA-Cup. Trotzdem habe ich auch in England nicht vergessen, wie gerne ich in der Bundesliga gespielt habe und spiele. Ich kenne alle Stadien, die Begeisterung der Fans ist fantastisch. Und zu guter Letzt spielt auch die hohe Lebensqualität in Deutschland eine Rolle. Umso mehr habe ich mich gefreut, dass es nun geklappt hat mit meiner Rückkehr.

bundesliga.de: Stichwort Champions League: Im Augenblick ist die für den VfB sicherlich kein Thema. Ist aber mittelfristig die Rückkehr ins erste Tabellendrittel und damit in einen internationalen Wettbewerb das Ziel?

Zieler: Ich denke, dass wir sehr sorgsam und Schritt für Schritt vorgehen sollten. Die erste Saison nach dem Wiederaufstieg kann durchaus schwierig werden. Deshalb lautet unser einziges Ziel, so schnell wie eben möglich die Punkte zu holen, die uns garantieren, dass wir auch in der kommenden Saison Bundesliga spielen dürfen. Erst danach sollten wir Spieler uns Gedanken machen, was dann kommen könnte. Fakt ist – ich habe das bereits erwähnt – dass wir viele junge Spieler mit großem Entwicklungspotenzial haben und dass der VfB selbst über alles verfügt, was einen großen Verein ausmacht. Deshalb glaube ich tatsächlich, dass das hier mittelfristig eine richtig gute Geschichte werden kann.

Das Gespräch führte Andreas Kötter